Wofür wir E-Fuels brauchen und wofür nicht

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Gastkommentar #125/S. 9

31.07.2023

E-Fuels sind synthetische flüssige Kraft- und Brennstoffe, die im Idealfall „umwelt- und klimaschonend aus erneuerbaren Energien und atmosphärischem CO 2 hergestellt werden“ – so die Website der europäischen eFuel Alliance. Der Verband, wie auch sein österreichischer Ableger, setzen sich für die industrielle Produktion und den möglichst breiten Einsatz dieser Energieträger ein.

Auch zu den Vorteilen der E-Fuels hält man sich naturgemäß nicht zurück: Sie sind chemisch den flüssigen Energieträgern wie Diesel oder Benzin gleichwertig. Sie sind ein Energiespeicher. Sie könnten mit Tankern weltweit transportiert werden und herkömmliche flüssige und gasförmige Kraft- und Brennstoffe ersetzen. Mit ihnen könnte man die bestehenden Autoflotten weiter betreiben, ebenso wie Ölheizungen, Mopeds, Flugzeuge, Schiffe usw. Mit E-Fuels würden die Probleme, die wir mit den fossilen Energieträgern haben, wie von selbst verschwinden. Es müsste sich für die Konsumenten quasi nichts ändern. Kein Wunder, dass dieses fast universale Lösungsversprechen für die Probleme der Klimaererwärmung und der Energiewende gern gehört wird.

Die Vorteile der E-Fuels erkauft man aber mit einem grotesk schlechten Wirkungsgrad für ihre Herstellung, also die Umwandlung der – im besten Fall erneuerbaren – elektrischen Energie über mehrere Schritte in einen flüssigen Treibstoff. Nicht nur, dass es die elektrische Überschussenergie, die man für die Produktion der E-Fuels benötigen würde, nicht gibt. Füllt man E-Fuels nach aufwändiger Produktion und Transport irgendwann in einen Autotank, ergibt sich über den Verbrennungsmotor in Summe ein Wirkungsgrad von gerade einmal 15 %. Nutzt man die elektrische Energie aus Wind und Sonne hingegen gleich zum Antrieb eines Elektroautos, erreicht man einen Wirkungsgrad von 74 %. Diese Effizienzüberlegungen sprechen eine klare Sprache.

Überdies sind E-Fuels noch nicht kommerziell verfügbar. Die weltweit bis 2035 geplanten Projekte zu ihrer Herstellung würden lediglich 10 % des Bedarfs, den allein Deutschland nur für seinen Flugverkehr, Schiffsverkehr und seine Chemieindustrie benötigen würde, produzieren. Und erst für 1 % dieser Projekte gibt es eine positive Investitionsentscheidung.

Die Energiewende braucht schnellere Lösungen.

Kann man diese offensichtlichen Probleme mit mehr Forschung bewältigen? Forschungskapazitäten und deren Finanzierung sind nicht beliebig vermehrbar, und es ist wichtig, bei der Definition von Forschungsschwerpunkten nicht falsch abzubiegen. Wenn wir unsere kreativen wissenschaftlichen Kräfte und Forschungsbudgets in die Erforschung des Verbrennungsmotors stecken, fehlen uns diese, um im Bereich der Batterietechnologien mit den globalen Mitbewerbern in China und den USA mitzuhalten.

Die politische Vorgabe von Forschungsschwerpunkten würde der Technologieoffenheit widersprechen, hört man dann. Dieser Begriff klingt nach unternehmerischer Freiheit, wird aber oft als Euphemismus für politische Strategieunfähigkeit verwendet. Die Hersteller von Verbrennungsmotoren wie auch die Mineralölindustrie hatten die geforderte Technologieoffenheit über die letzten 120 Jahre. Herausgekommen ist dabei ein Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors von unter 30 % und ein Anteil an erneuerbaren flüssigen Brennstoffen im einstelligen Prozentbereich – und selbst der wurde von der Politik erzwungen.

Bei diesen heute schon verwendeten erneuerbaren flüssigen Brennstoffen handelt es sich um die bekannten biogenen Treibstoffe aus Altspeiseöl, Alkohol und Ölpflanzen. Diese sind schon lange am Markt: Der Motor, den der Erfinder Rudolf Diesel auf der Weltausstellung 1900 in Paris vorstellte, wurde mit Erdnussöl betrieben. Aber auch die Mengen an biogenen flüssigen Energieträgern sind begrenzt und nicht geeignet, sämtliche Ölheizungen und Pkw zu betreiben.

Der Pkw der Zukunft wird elektrisch betrieben werden, das ist entschieden, wie auch, dass die Raumwärme in Zukunft mit Wärmepumpen und Solarthermie, Pellets, Geothermie und Biomasse bereitgestellt werden wird und nicht mehr mit Ölheizungen. Es bleiben dennoch einige Nischen für flüssige, erneuerbare klimaneutrale Energieträger: Vor allem der Flug- und der Schiffsverkehr werden sie benötigen. Das sind die Zukunftsmärkte der E-Fuels. Die erneuerbaren flüssigen Brennstoffe dort hinzulenken, ist Aufgabe der Politik.

Die Marktkräfte selbst finden zwar ein Optimum, allerdings kein volkswirtschaftliches, sondern eines des eigenen Profits. Dieses kann weitab von dem liegen, was wir für Klimaschutz und Energiewende dringend benötigen.

Die Energiewende braucht also Planung in Form von Energiepolitik für den effizienten und effektiven Einsatz der geringen Mengen an E-Fuels, die wir erzeugen können. Energiepolitik wurde in Österreich jahrzehntelang vernachlässigt und den großen Marktakteuren wie der OMV überlassen. Die Politik könnte beispielsweise verbindliche und mit der Zeit ansteigende Mengenquoten für den Einsatz von erneuerbaren flüssigen Brennstoffen in den „unverzichtbaren“ Bereichen Flug- und Schiffsverkehr festsetzen. Dann hätten die Projektbetreiber Planungssicherheit, und die unsinnige Verwendung der E-Fuels in Ölheizungen oder Mopeds würde verhindert werden.

Es gibt im Energiebereich keine Denkverbote. Was es dort aber gibt, sind physikalische Grenzen von Realisierungsmöglichkeiten, und diese sind, wie die Hauptsätze der Thermodynamik, unerbittlich. Über diese kann man sich mit aller geforderten Gedankenfreiheit und Technologieoffenheit nicht hinwegschwindeln.

Johannes Schmidl