Kommentar; #124/2023, S. 2

30.04.2023

Die fortschreitende Zerstörung des blauen Planeten scheint sich „als neue Normalität“ fortzusetzen. 2015 unterzeichneten fast alle Staaten der Welt – insgesamt 195 – das Pariser Klimaabkommen. Die Zielsetzung dieses Abkommens ist die globale Senkung der durchschnittlichen Temperatur bis 2100 auf unter 2° Celsius und im Idealfall unter 1,5° Celsius des vorindustriellen Niveaus. Das ist letztlich aber eine reine Utopie. Die bisherige Klimapolitik der Regierungen „in Rechnung gestellt“, wird die weltweite Erhöhung der Temperatur 2100 im Durchschnitt 3,2 Grad Celsius betragen. 

Betreiben wir die Klimapolitik weiter als „Business as usual“ und die Erde kocht sich weiter auf, so ist davon auszugehen, dass der Zusammenbruch der Zivilisation nur eine Frage der Zeit ist. Gekennzeichnet wird das durch eine Katastrophe mit weltweiten Dimensionen. Tangiert wird das Finanzsystem, es kommt zu Hungersnöten, Flüchtlingskatastrophen und Aufruhr in vielen Ländern der Welt. Ein weiteres Ansteigen der „Schwellenwerte“ und der „Kipppunkte“ wird die Erderhitzung um Größenordnungen nach oben katapultieren. Der Hurrikan Sandy demonstrierte in dramatischer Weise die Auswirkung von Schwellenwerten. Allein die Überflutung der U-Bahn in New York führte zu Schäden von fünf Milliarden US-Dollar. Was das Problem der Kipppunkte anlangt, so könnte das beschleunigte Auftauen des Permafrosts im hohen Norden unvorstellbare Mengen von Treibhausgasen freisetzen. Rückkoppelungen könnten durch eine weitere Erwärmung pessimistische Prognosen noch weit übertreffen. Andererseits könnte in den Nordatlantik strömendes Süßwasser die Erwärmung von Europa zum Stillstand bringen. 

„JEDEN TAG WERDEN 16 MILLIARDEN LITER ÖL VERBRAUCHT, JEDE MINUTE SUBVENTIONIEREN WIR DEN VERBRAUCH VON KOHLE, ÖL UND GAS MIT UNFASSBAREN ELF MILLIONEN US-DOLLAR.“ 

Die direkten Auswirkungen der Klimaerhitzung führen u. a. zu einer explosiven Vermehrung der Borkenkäfer. Folgen davon sind absterbende Nadelwälder. Konsequenzen sind weitere Waldbrände, Extremtemperaturen leisten einen „Beitrag“ zur Entsiedelung und Migration von großen Teilen des Iran, von Syrien und dem Irak. Politische Instabilität schafft die Basis für den Aufstieg populistischer und autoritärer Regime. Mehrere Milliarden Menschen hängen von einigen Kornkammern der Welt ab. Sollte die Erderhitzung um 2° Celsius steigen, wird die weltweite Maisernte konsequenterweise einbrechen. Analysten in den USA beziffern die Schäden der Erhitzung um 2° Celsius auf mehr als 70 Billionen US-Dollar, letztlich sind die Kosten einer weiteren Erderhitzung als unvorstellbar einzustufen. Kipppunkte werden erreicht, wenn auch nur ein geringer Anstieg der globalen Temperatur einen Regenwald in eine Savanne verwandelt. Ist ein Kipppunkt überschritten, zeigen sich die nicht zu stoppenden Auswirkungen erst in Hunderten oder Tausenden Jahren. Eine schauderhafte Vorstellung: Dann hinterlassen wir eine Erde, die unbewohnbar sein wird. 

Um die Erderhitzung zu verlangsamen oder gar zu stoppen, so müssen wir aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen. Mit jeder Verdoppelung der Solarenergie auf unserer Erde werden die Kosten allein schon wegen der steigenden Effizienz um 30 Prozent sinken. Das Gegenteil ist bei den fossilen Energien der Fall. Erdöl, Erdgas und Kohle werden nicht billiger, weil wir die leicht zugänglichen Lagerstätten längst ausgebeutet haben. Die Besitzer der fossilen Ressourcen sind schlicht und ergreifend die mächtigsten Player in den USA. 

„WENN WIR DEN KAMPF GEGEN DIE KLIMAKRISE WEITER MIT SCHNECKENTEMPO GEWINNEN WOLLEN, IST DAS SCHLICHTWEG GROB FAHRLÄSSIG UND LETZTLICH SINNLOS.“ 

Geradezu ungeheuerlich ist die Umweltverpestung durch die Fossilenergie, wenn weltweit jährlich acht Millionen Tonnen Plastikmüll in das Meer gekippt werden. Jeden Tag werden 16 Milliarden Liter Öl verbraucht, jede Minute subventionieren wir den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas mit unfassbaren elf Millionen US-Dollar. Jede Sekunde wird eine Waldfläche von einer Fußballfeldgröße abgeholzt. 

Die Fossilindustrie hat versucht, in der Öffentlichkeit Zweifel an der Wissenschaft zu schüren. Finanzstarke PR-Gruppen wollten die Welt in Debatten darüber verstricken, ob es überhaupt einen Klimawandel gäbe. Mit anderen Worten: Wir haben den Punkt erreicht, an dem wir aufhören müssen, fossile Rohstoffe an der Erdoberfläche zu verbrennen. Wir dürfen einfach nicht weiterhin Kohle, Gas und Erdöl aus dem Boden holen, um sie zu verfeuern. Das ist schmutzig und gefährlich. Stattdessen sollten wir uns auf die Sonne, die brennende Gaskugel in Millionen Kilometern Entfernung von unserer Erde, verlassen. Auf die Energie vom Himmel statt aus der Hölle. 

Wir müssen die ärgsten Auswirkungen der Klimakrise abwenden, da gibt es keine Wahl. Ganz im Gegenteil: Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht. Dazu sind alle gefordert: Der Einzelne, die Politiker, die Staaten, die Unternehmungen und andere Gremien sowie alle erdenklichen Institutionen. Klar muss uns sein, dass die Zeit für kleine Schritte in die richtige Richtung längst abgelaufen ist. Wir haben nicht mehr das Zeitpotential für Halbherzigkeiten. Wenn wir den Kampf gegen die Klimakrise weiter mit Schneckentempo gewinnen wollen, ist das schlichtweg grob fahrlässig und letztlich sinnlos. Denn nur langsam zu gewinnen, ist dasselbe wie verloren. Dazu Greta Thunberg: „Das ist die größte Geschichte der Welt, über sie muss gesprochen werden, soweit unsere Stimmen tragen und weit darüber hinaus. Es ist Zeit, dass wir diese Geschichte erzählen und vielleicht ihren Ausgang verändern.“ 

Nur: „Vielleicht“ wird nicht reichen, meint Ihr