Kommentar; #124/2023, S. 1

30.04.2023

Zwei Nachrichten aus der jüngsten Zeit: Der Preis für Erdgas geht massiv nach unten, an internationalen Handelsplätzen zahlt man dafür etwa so viel wie vor zwei Jahren. Und: Der Synthesebericht des Weltklimarats sagt, dass ohne entsprechende – also zusätzliche – Gegenmaßnahmen mit einer Erderwärmung um drei Grad bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen ist. Für Österreich hieße das übrigens: im Schnitt bis zu plus sechs Grad. Was also läge näher, als mit den in der zweiten Meldung angeregten entsprechenden Gegenmaßnahmen dort anzusetzen, wo sie in der ersten Meldung einen Ansatzpunkt finden? Also: Stabilisierung des Gaspreises auf einem Mindestniveau, das stetig in Erinnerung ruft, dass Erdgas eine knappe Ressource ist und sein allzu billiger Einsatz eben dem Weltklima schadet. Die Folgerung, dass es dafür ein intelligentes und flexibles System der Energiebesteuerung braucht, ist nicht neu. Die Einwände dagegen sind ebensowenig neu: Ja, da geht es um einen massiven Markteingriff. Ja, solche Markteingriffe sind weder für die unmittelbar betroffenen Wirtschaftszweige noch für die Kunden sehr erfreulich – und für Anhänger der liberalen Wirtschaftstheorie schon gar nicht. Aber sie haben eben auch überwiegende Vorteile: Erstens lassen sie sich einsetzen, bevor die niedrigen Preise beim Endkunden ankommen – also bevor dort überhaupt der Eindruck entsteht, ihm werde etwas weggenommen. Zweitens werden staatliche Einnahmen generiert, die in eine klimafreundliche Richtung gelenkt werden können. Und drittens verhindern sie mittel- bis langfristig, dass sich jemand der Illusion hingibt, dass der Gaspreis langfristig niedrig bleiben könnte und aus dieser Illusion heraus falsche Investitionsentscheidungen trifft. Wenn man das aber jetzt versäumt, dauert es vielleicht lange bis zur nächsten Gelegenheit für einen relativ schmerzlosen Markteingriff. Conrad.Seidl@gmx.at

Conrad Seidl