Mammutaufgabe: Bundesländer müssen 48% ihrer THG-Emissionen reduzieren

Vom Regenwald zur Savanne Weiter Besucherrekord bei der 7. Mitteleuropäischen Biomasse-Konferenz

Titelstory #124/S. 3

30.04.2023

Konkrete Auswirkungen: – 47 % oder 673.000 Öl- und Gaskessel weniger; bis zu 1,9 Mio. privater Pkw müssen klimafit gemacht oder aliquot weniger Kilometer gefahren werden – samt Einstellung des Tanktourismus 

Das Jahr 2023 begann (nach den Turbulenzen des Vorjahres) für die heimische Wärmebranche mit einer Erfolgsmeldung. Anlässlich der Leitveranstaltung des Bioenergiesektors – 7. Mitteleuropäische Biomassekonferenz – verkündete Klimaschutzministerin Leonore Gewessler einen Antragsrekord beim „Raus aus Öl- und Gasbonus“ von 85.000 Stück, wovon rund die Hälfte für Biomasse-Kessel sowie 15 % für Fernwärmeanschlüsse beantragt wurden. Der Rest entfiel auf Wärmepumpen. 

Dem folgte anlässlich der Energiesparmesse die nächste frohe Botschaft: Erstmals wurden mehr Erneuerbare-Heizsysteme eingebaut als fossile. In konkreten Zahlen ausgedrückt: 50.400 Heizwärmepumpen, 31.060 Biomasse-Anlagen (davon 24.600 Pelletsheizungen) und 50.000 m2 Solarthermie-Fläche. 

Diesen Zahlen folgend nimmt die Wärmewende an Fahrt auf. Doch das Tempo reicht noch immer bei Weitem nicht aus, um das Treibhausgasemissions(THG)-Ziel der Europäischen Union von – 48% bis 2030 zu erreichen, zeigt eine kürzlich präsentierte Studie der Österreichischen Energieagentur auf. 

BUNDESLÄNDER IN DER PFLICHT 

Das Reduktionsziel von 48 % bis 2030 ist Teil einer kommenden EU-Verordnung, die für Österreich und die Bundesländer unmittelbar umzusetzen sein wird, auch wenn das Klimaschutzgesetz weiterhin fehlt. Diesbezüglich gibt es schon einen Entwurf, aber keine Einigung der Regierungsparteien. Das THG-Ziel gilt nur im Non- ETS-Bereich, also ohne Großindustrie und Energieerzeugung. 

Bei der Umsetzung spielen die Bundesländer eine entscheidende Rolle, weil viele Materien in ihre Kompe-tenz fallen, die essenziell für den Klimaschutz sind – Regelungen wie zum Beispiel die Flächenwidmung, regionale Verkehrspolitik inklusive Angebot für öffentlichen Verkehr oder die Wohnbauförderung. Aus diesem Grunde gab der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) gemeinsam mit der IG Windkraft eine Studie bei der Energieagentur in Auftrag, das EU-THG-Ziel auf die Bundesländer aufzuteilen. 

EMISSIONEN GESTIEGEN 

Wie ist aktuell die THG-Situation? Die Treibhausgas-Emissionen in Österreich sind von 2020 auf 2021 um 4,9 % gestiegen und liegen bei 77,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent, so die Treibhausgas-Bilanz des Umweltbundesamtes für das Jahr 2021. Das bedeutet ein Plus von rund 3,6 Mio. Tonnen im Vergleich zum Corona-Jahr 2020. Auch das Umweltbundesamt mahnt eine langfristige Trendumkehr und weitreichende Transformationsschritte ein. 

NÖ: GRÖSSTE REDUKTION NÖTIG 

„Unser Vorschlag sieht vor, dass jedes einzelne Bundesland seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 48 % reduziert“, erläutert Michael Rohrer, Energieexperte der Energieagentur. Doch die Ausgangslage in den Bundesländern sei dabei sehr unterschiedlich. Während der CO2-Ausstoß im Non-ETS-Bereich im Burgenland bei 6 Tonnen pro Kopf liegt, ist er in Wien bei 3,3 Tonnen (Vor-Corona-Niveau). In absoluten Zahlen die größte Reduktion muss Niederösterreich von 11 auf weniger als 7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente durchführen. 

Das klingt auf den ersten Blick sehr wissenschaftlich, aber die Energieagentur-Experten haben das auf die beiden großen Sektoren Wärme und Verkehr heruntergebrochen. Es handelt sich hierbei nicht um Detailanalysen, sondern es sollen vielmehr Größenordnungen wiedergegeben werden.

GRÖSSTE WECHSELRATE IN WIEN 

Insgesamt gibt es laut Statistik Austria knapp 4 Mio. Hauptwohnsitze. Davon heizen rund 1,4 Mio. entweder mit Heizöl oder Ergas (ohne Fernwärme). Bis 2030 müssen laut Studienautoren insgesamt 47 % oder 673.000 Anlagen getauscht werden. Heruntergebrochen auf sieben Jahre bedeutet das 96.000 Anlagen pro Jahr. Zum Vergleich wurden im vorigen Rekordjahr rund 81.000 Anlagen getauscht, ohne die Fernwärme zu berücksichtigen. 

Der größte Wärmemarkt ist in Wien zu finden. In der Bundeshauptstadt müssen dementsprechend die meisten Haushalte ihre Heizform wechseln. Insgesamt sind 240.000 Hauptwohnsitze bis 2030 betroffen. An zweiter Stelle liegt Niederösterreich mit 137.000 Anlagen, gefolgt von Oberösterreich mit 87.000. 

Am weitesten fortgeschritten ist die Wärmewende in den Bundesländern Kärnten und Steiermark, wo der Anteil der fossilen Heizsysteme aktuell nur mehr bei 25 % liegt. 

SORGENKIND VERKEHR 

Die meisten Emissionen verursacht im Non-ETS-Bereich der Verkehr. Und hier sind die vorgeschlagenen Einschnitte von großer politischer und gesellschaftlicher Sprengkraft. 

Grundsätzlich gehen die Energieagentur-Experten davon aus, dass die THG-Ziele nur erreicht werden können, indem der Tanktourismus eingestellt wird, was eine reine fiskale Entscheidung sei. Ferner müssen zwischen 25 bis 45 % (je nach Bundesland unterschiedlich) der privaten Pkw auf eine klimaneutrale Version umgestellt oder aliquot die gefahrenen „fossilen“ Kilometer eingespart werden. In Zahlen gegossen bedeutet das: Bis zu 1,9 Mio. privater Pkw müssten ersetzt werden. Am stärksten betroffen sind die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark. 

KONKRETE MASSNAHMEN 

Aktuell stehen die regionalen Klimaziele in keinem Bundesland in Einklang mit den kommenden EU-THG-Zielen für Österreich. Für die Bundesländer sei insgesamt wichtig, ihre Energie- und Klimastrategien an die neuen THG-Ziele anzupassen, konkrete Ziele je Sektor zu formulieren und ebenso Teilziele für laufend messbare Erhebungen zu definieren. 

Zusätzlich sind Maßnahmen zu definieren und konsequent umzusetzen – zum Beispiel: Wie viele fossile Heizungen sollen bis wann ersetzt werden? Ihre konkrete Wirkung müsse einem Monitoring unterliegen, Maßnahmen sollten gegebenenfalls nachgeschärft werden. Erste Bundesländer verfolgen bereits derartige Ansätze. 

Autor: Antonio Fuljetic-Kristan

www.erneuerbare-energie.at