Titelstory #125/S. 3

31.07.2023

Die Zielsetzungen der Bundesländer wurden deutlich angepasst, und eine positive Entwicklung ist vor allem im PV-Bereich zu beobachten. Doch Nachbesserungen sind weiterhin vonnöten: bei den Zielsetzungen, bei der Wirksamkeit von Maßnahmen und bei den Rahmenbedingungen.

Der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) und die Österreichische Energieagentur (AEA) präsentierten kürzlich die Studie „Klima- und Energiestrategien der Länder: 2023“ mit aktuellen Zahlen zu den Klima- und Energiezielen und den Trends in den Bundesländern. Auch der Österreichische Biomasse-Verband veröffentlichte im Rahmen des Bioenergie-Atlas 2023 alle vorhandenen Daten und Fakten.

ZIELE ALLEIN REICHEN NICHT

Bei den Treibhausgasen wurden die Ziele der Bundesländer zur Verringerung von Emissionen seit 2021 um insgesamt 40 % nachgebessert. Bei denen für den Ausbau der Erneuerbaren-Stromerzeugung besteht jetzt österreichweit noch eine Lücke von 3,6 TWh. Im Jahr 2021 haben immerhin noch 16,3 TWh gefehlt. Beim Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch wurden Ziele der Länder beinahe zur Gänze (94 %) an die Bundesziele angeglichen.

Die Zielsetzungen sind aber nur der erste und leichteste Schritt. Diese müssen durch effektive Maßnahmen unterlegt und erreicht werden.

ZIELE MIT LEBEN FÜLLEN

Der durch die Österreichische Energieagentur ermittelte 10-Jahres-Trend belegt, dass bei gleichbleibendem Engagement alle Ziele – teilweise stark – verfehlt werden. Somit gibt es in vielen Bundesländern keine Garantie, dass geplante und existierende Maßnahmen zum Erfolg führen. Die Erneuerbaren-Verbände sehen sogar massive Probleme bei der Umsetzung: „Nach wie vor fehlen in allen Bundesländern Flächen, die für den Windkraftausbau zur Verfügung gestellt werden. Auch braucht es noch immer eine Aufstockung des Personals in den Genehmigungsbehörden, damit die Verfahren rasch abgearbeitet werden können und wir nicht wieder künstlich Warteschlangen erzeugen“, erläutert Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft.

Auch Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria, bestätigt: „Die Erhöhungen bei den PV-Zielen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir fitte Landesgesetze für PV auf Gebäuden und Infrastruktur, geeignete Flächen für Großprojekte und leistungsfähige Stromnetze brauchen. Doch die meisten Bundesländer agieren trotz hoher Ziele scheinbar planlos. Bei den Voraussetzungen für Großprojekte haben sie noch blinde Flecken und riskieren damit einen abrupten Abbruch der aktuellen PV-Dynamik. Und das, obwohl es nur noch sieben Jahre bis 2030 sind!”

MEHR ENERGIE GEBRAUCHT

2030 ist nur die erste Zieletappe, denn die erhöhte Dynamik in der Entwicklung des Stromverbrauchs und die Realisierung eines klimaneutralen Österreichs bis 2040 lassen einen noch höheren Bedarf an erneuerbarer Energie erwarten. Auch die Notwendigkeit, den Gesamtenergieverbrauch deutlich zu senken, ist dringlich. Für das Erreichen der Ziele ist die Zusammenarbeit auf allen Ebenen unabdingbar, denn die Bundesländer müssen ihre vorhandenen Potentiale gemeinsam so mobilisieren, dass das gesamtösterreichische Ziel erreicht werden kann.

ENERGIESTRATEGIEN DER BUNDESLÄNDER

Österreich hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Auch alle Bundesländer streben das Ziel an und haben in den letzten Jahren neue, umfangreiche Klima- und Energiestrategien mit konkreten Plänen veröffentlicht. Auf Bundesebene lässt das im Regierungsprogramm angekündigte neue Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Reduktionspfaden bis 2040 und Zwischenzielen bis 2030 auf sich warten.

Analog zu den Vorhaben der EU möchten die Steiermark, Tirol, Salzburg und Vorarlberg Klimaneutralität bis 2050 erzielen und haben sich konkrete Zwischenziele für 2030 gesetzt. Tirol möchte 2050 energieautonom und unabhängig von fossilen Energieträgern sein, aber im Einklang mit den Zielsetzungen des Bundes schon bis 2040 THG-Emissionen massiv reduzieren, heißt es. Bis 2050 soll der Energieverbrauch annähernd halbiert und vollständig aus erneuerbaren Energieträgern gedeckt werden.

KÄRNTEN CHAMPION

Innerhalb der Bundesländer gibt es erhebliche Unterschiede beim Anteil erneuerbarer Energien: Während Kärnten mit 58,8 % fast gleichauf mit EU-Spitzenreiter Schweden liegt, schneidet Schlusslicht Wien mit 10,3 % schlechter ab als alle EU-Staaten. Burgenland (53,1 %) und Salzburg (52,7 %) belegen hinter Kärnten die Plätze zwei und drei im Bundesländer-Ranking. Unter dem Bundesschnitt liegen, abgesehen von Wien, nur die Steiermark mit 33,4 % und Oberösterreich mit 31,9 %.

Die größten Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien von 2010 bis 2021 hat das Burgenland gemacht, das den Beitrag von Ökoenergien am Bruttoendenergieverbrauch von 34 % auf über 53 % gesteigert hat. Um gut neun Prozentpunkte zulegen konnte Kärnten (von 49,5 % auf 58,8 %). NÖ steigerte den EE-Anteil von 31 % auf fast 38 %. Den geringsten Zuwachs über die letzten zehn Jahre (von 9,7 % auf 10,3 %) verzeichnet Wien.

100 % ÖKOSTROM

Ein wesentliches Ziel der Republik Österreich ist es, bis 2030 die Stromversorgung national bilanziell zu 100 % aus Ökostrom zu decken. 2021 lag der Anteil in Österreich bei etwa 76 %. Bis 2030 soll die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen gegenüber 2020 um 27 TWh bzw. rund 50 % gesteigert werden. Vorgesehen ist ein Ausbau von 11 TWh Photovoltaik, 10 TWh Windkraft, 5 TWh Wasserkraft und 1 TWh Biomasse (siehe Tab.).

Als wesentliches Werkzeug zum Ökostromausbau soll das 2021 in Kraft getretene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) dienen. Vier Bundesländer haben das Ziel 100 % Ökostrom bereits im Jahr 2020 erreicht bzw. übertroffen: das Burgenland, Salzburg, Kärnten und Tirol. Niederösterreich befindet sich mit 88 % auf gutem Weg dahin, Vorarlberg erzeugt seinen Strom zwar zu 100 % aus erneuerbaren Quellen, importiert aber 30 % des Strombedarfs. Deutlich unter dem Bundesschnitt liegen bei der Ökostromquote nur die Steiermark (52 %) und Wien (16 %), auf das Konto dieser beiden Bundesländer gehen jedoch 30 % des österreichischen Stromverbrauchs.

BIOENERGIE WICHTIGSTE RAUMWÄRMEQUELLE

Vom Raumwärmeverbrauch privater Haushalte in Österreich decken erneuerbare Energien knapp 46 %, wobei die Bioenergie mit 41 % den Löwenanteil hält. Wärmepumpen liefern 4,1 % und Solarwärme 0,7 %. Den höchsten Anteil am Raumwärmeeinsatz hat die Bioenergie in Kärntner Wohnungen; dort sorgen Scheitholz, Hackgut oder Pellets in Einzelfeuerungen zusammen mit Biomasse-Fernwärme für 62 % der Raumwärmeenergie. Dahinter folgen die Steiermark und Salzburg mit je etwa 49 %.

ZU WENIG SANIERUNG

Die mittlere Rate der umfassenden thermisch-energetischen Gebäudesanierung ist im Zeitraum 20182020 mit etwa 0,5 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008-2018 (0,9 %) zurückgegangen. Einzelsanierungsmaßnahmen werden zwar häufiger vorgenommen, dabei wird allerdings zum Beispiel das Heizsystem in vielen Fällen nicht optimal an das Gebäude angepasst. Da die emissionserhöhenden Faktoren die Einsparungen durch verbesserte Energieeffizienz der Gebäude und Umrüstung von fossilen auf erneuerbare Heizsysteme teilweise überlagern, sind die Treibhausgasemissionen aus Gebäuden in Österreich zwischen 2014 und 2020 wieder um 3,2 % (+0,3 Mio. t CO 2 äq) gestiegen, 2021 erfolgte im Zuge der kühleren Witterung sogar ein weiterer Anstieg um 1 Mio. Tonnen CO2 äq (+13 %) auf 9,1 Mio. Tonnen CO2 äq.