Kommentar; Ausgabe 114/2019, S. 2

15.12.2019

Der Weltklimarat warnt in seinem jüngsten Bericht – begleitet von schuldbewusstem Schweigen oder bestenfalls Flüstertönen der Politik – vor einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels. Wird der Ausstoß der Treibhausgase nicht drastisch verringert, werden Küstenlandschaften und Hunderte kleine Inseln mit unzähligen Millionen von Menschen im Meer versinken.
Und das Meerwasser wird sauer. Seit 1970 haben die Ozeane in den oberen Schichten bis zu drei Prozent des Sauerstoffs verloren. Der Fischbestand nimmt weiter ab, Wirbelstürme nehmen zu, die mit Eis bedeckten Flächen schmelzen dahin. Besondere Gefahren für die Menschheit gehen von der beschleunigten Eisschmelze in der Antarktis aus. Bis 2100 droht der Meeresspiegel um einen Meter zu steigen.
Die Wahrheit über den Klimawandel ist unbequem. Lügen, wie von DonaldTrump permanent praktiziert, ist eben bequemer für Populisten und ihre Wähler. Gegen die milliardenschwere PR-Maschinerie der Fossilenergie-Lobby stemmen sich Heerscharen von Jugendlichen, Studenten und Gleichgesinnten, angeführt von der modernen Jeanne d‘Arc Greta Thunberg. Menschen aller Generationen demonstrieren – US-Filmstar Jane Fonda ging für das Klima sogar ins Gefängnis. Auf der anderen Seite sabotieren Erdölkonzerne den Kampf gegen den Klimawandel und geben dafür viele Billionen Dollar aus.

„DIE WAHRHEIT ÜBER DEN KLIMAWANDEL IST UNBEQUEM. LÜGEN, WIE VON DONALD TRUMP PERMANENT PRAKTIZIERT, IST EBEN BEQUEMER FÜR POPULISTEN UND IHRE WÄHLER.“

Nach Angaben internationaler Wissenschafter hatten Ende 2018 erst 16 der 197 Paris-Vertragsstaaten nationale Klimapläne beschlossen, die geeignet sind, das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Es ist anzunehmen, dass „Paris“ meilenweit verfehlt wird. 2,7 bis 3,7 Grad Erderwärmung werden unseren Nachkommen bis 2100 ins Haus stehen. Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber diagnostiziert, dass mittlerweile 15 Kipppunkte die Menschheit bedrohen. Die Methanemissionen aus den Permafrostböden sind seiner Meinung nach eine dieser Zeitbomben. Allein in den oberen Permafrost-Schichten, das ist ein Sechstel der Erdoberfläche, lagern bis zu 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Das ist das Doppelte der derzeit in der Erdatmosphäre vorhandenen Menge. Durch diesen Verlust der Eisdecken wird die Erdoberfläche insgesamt dunkler, dadurch wird weniger Sonnenlicht reflektiert. Die Folge: Die Temperaturen steigen schneller an. Der Anstieg der Meere wird ganze Landstriche unfruchtbar machen, denn salzhaltige Böden und Nahrungsmittelproduktion schließen einander aus. Werden die durch das Meerwasser bedrohten Menschen zu Flüchtlingen, dann wird das Flüchtlingsproblem im Vergleich zu 2015 vertausendfacht. Weltweit sind derzeit 1.400 Kohlekraftwerke in Planung oder Bau – 1.200 davon in den Entwicklungsländern. Faktum ist, dass das weltweite Klimaproblem Industrieländer und Entwicklungsländer gleichsam trifft. Österreich braucht ein tieferes Verständnis für Klima- und Energiefragen. Bessere Informationen ohne Tunnelperspektiven und politisches Erbsenzählen. Tempo 140 auf Autobahnen ist hanebüchen, Österreich als Wasserstoff-Champion bis 2030 beim Pkw-Verkehr eine Illusion. Ein mittelfristiger Umstieg auf Wasserstofftechnologie und ein fulminantes Ausbauprogramm für Photovoltaik müssen aber klares Ziel sein.
Verdächtig wenig reden politische „Energieexperten“ über Gebäudesanierung und verbesserte Infrastrukturen. Niemand spricht über Leuchtturmprojekte wie das Holzhaus-Projekt Suurstoffi im schweizerischen Risch-Rotkreuz. Das ist ein durchmischtes, klimaneutrales Projekt, in dem Arbeiten, Wohnen und Freizeitaktivitäten gleichermaßen Platz finden. Klimabudget-Abschätzungen für Großprojekte wären entscheidende Maßnahmen.

„WAS WIR WIRKLICH BRAUCHEN, IST MEHR ENGAGEMENT UND SACHKOMPETENZ ZUR GESTALTUNG EINER ZUKUNFTSFÄHIGEN WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT STATT SCHEIN- UND SHOWPOLITIK.“

Eine ökosoziale Steuerreform ist ein Muss, die Einführung einer höheren Biotreibstoffbeimischung rasch umzusetzen. Mit diesen Maßnahmen könnte Österreich seine Klimaziele erreichen. Was wir wirklich brauchen, ist mehr Engagement und Sachkompetenz zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gesellschaft statt Schein- und Showpolitik.
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt. Sie konsumiert 14-mal mehr Energie, die ökologischen Rahmenkonditionen haben sich dramatisch verschlechtert. Der Ressourcenverbrauch, die Meeresverschmutzung und die verheerenden Folgen des Klimawandels sind bedrohliche Begleiterscheinungen. Und die Bevölkerungsexplosion geht ungebremst weiter.
Wir brauchen eine neue Denkweise, eine neue Aufklärung. Stabilisierung und ökologische Gesundung müssen ihre wesentlichen Inhalte sein. Sonst gehen wir den Weg, den Papst Franziskus in seiner jüngsten Enzyklika beschreibt: „Setzen wir weiter auf ausbeuterische Geschwindigkeit, eine auf Geiz und Selbstsucht basierende Ökonomie, fahren wir mit Konsequenz eine Art von Selbstmordprogramm.“
Nicht immer gewinnt der Schnellste. Zukunft hat, wer sich dafür einsetzt, vor allem das Wohl der Enkelgenerationen im Auge zu behalten. Investitionen in erneuerbare Energie, also in unsere Zukunft, sind effizienter als Strafzahlungen für verfehlte Klimaziele. Global 2000, Greenpeace und die ‚Fridays for Future‘-Bewegung fordern eine ökosoziale Steuerreform. Das allerdings haben Ökosoziales Forum und Biomasse-Verband seit mehr als 30 Jahren auf ihrer Agenda. Die Devise: Fossile Energie verteuern, erneuerbare Energie und Arbeit verbilligen. So kann es gehen,

meint Ihr