Kaskadische Nutzung von Holz

Schuldbewusstes Schweigen Weiter Ökosoziale Chance

Gastkommentar; Ausgabe 114/2019, S. 8

15.12.2019

Die Diskussion zur „Kaskadennutzung“ resultiert aus einer gefühlten oder tatsächlichen, temporären Holzverknappung, die mit der regen Nachfrage im Jahr 2006 ausgelöst wurde. Mittlerweile ist der Begriff fester Bestandteil der politischen Diskussion und schadet aufgrund der Grundbotschaft, dass zu wenig Holz für alle Verwendungsbereiche vorhanden sei, der gesamten Wertschöpfungskette. Der Begriff der „Kaskadennutzung“ wird jedoch völlig unterschiedlich interpretiert, was auch an den unterschiedlichsten Definitionsversuchen liegt.
Befragt man Wikipedia, so kommt der Begriff vom französischen Wort „cascade“ und steht für einen „Wasserfall in Form von Stufen“. Politisch forciert wurde und wird der Begriff „Kaskadennutzung“ insbesondere von der Papierindustrie, um das System der Ökostromförderung über Einspeisetarife zu Fall zu bringen. Deren Interpretation von „Kaskadennutzung“ entspricht daher wenig verwunderlich dem Wunsch nach einer ordnungspolitischen Lenkung der Holzverwendung im Sinne „zuerst stofflich – erst dann energetisch“.

Von der Papierindustrie wird zudem das Bild gezeichnet, dass eine stoffliche Verwertung von Holz ressourceneffizienter sei als die energetische Nutzung. Dies ist aber nicht per se der Fall. Ressourceneffizienz ist nämlich das Verhältnis des Outputs zu dem dafür erforderlichen Input natürlicher Ressourcen. So arbeitet zum Beispiel ein Sägewerk mit einer Schnittholzausbeute von 63 % ressourceneffizienter als eines mit einer Ausbeute von nur 55 %. Selbiges gilt für Biomasseanlagen in Bezug auf deren Wirkungsgrad. Das heißt, dass es durchaus auch in der stofflichen Verwendung ineffizienten Rohstoffeinsatz geben kann.

„POLITISCH FORCIERT WURDE UND WIRD DER BEGRIFF ‚KASKADENNUTZUNG‘ INSBESONDERE VON DER PAPIERINDUSTRIE, UM DAS SYSTEM DER ÖKOSTROMFÖRDERUNG ÜBER EINSPEISETARIFE ZU FALL ZU BRINGEN.“

Ordnungspolitische Vorgaben zur Lenkung von Stoffströmen widersprechen allen Regeln der Marktwirtschaft. Diese würden zudem hohen Kosten- und Verwaltungsaufwand generieren und aufgrund unvorhersehbarer Folgewirkungen zu Versorgungsengpässen bei bestehenden Anlagen sowohl im energetischen als auch stofflichen Bereich führen. So wurde in Schweden der sogenannte Wood Fiber Act aus dem Jahr 1987 aufgrund der dadurch verursachten Marktstörungen, einer geringeren Holzproduktion und dem Verlust von Arbeitsplätzen im Jahr 1993 wieder zurückgezogen. Daraus sollten alle Akteure lernen und diesen Fehler nicht nochmals begehen. Anreizsysteme, um den Ausstieg aus den fossilen Rohstoffen rasch umsetzen zu können, sind hingegen völlig anders zu bewerten.
Die Holzströme sind sehr komplex. Im Zentrum der gesamten Wertschöpfungskette Holz steht die Sägeindustrie, weil Schnittholz für den Holzobjektebau verwendet wird. In diesem Bereich ist auch für den Waldbesitzer über das Sägerundholz die höchste Wertschöpfung zu erzielen. Eine der wichtigsten Maßnahmen für eine verbesserte Holzverfügbarkeit für alle Verwendungsbereiche ist daher die Stärkung des Holzbaus. Durch eine höhere Auslastung der Sägeindustrie fallen mehr Koppelprodukte aus dem Wald und mehr Nebenprodukte aus der Holzverarbeitung an.

„ORDNUNGSPOLITISCHE VORGABEN ZUR LENKUNG VON STOFFSTRÖMEN WIDERSPRECHEN ALLEN REGELN DER MARKTWIRTSCHAFT.“

Die Holzbereitstellung nach marktwirtschaftlichen Aspekten funktioniert in Österreich. Planwirtschaftliche Instrumente werden nicht benötigt. Das in Österreich zur Verwertung kommende Frischholz – Holzeinschlag in Österreich und Import – fließt zu ca. 80 % in die stoffliche Schiene. Die verbleibenden 20 % werden energetisch genutzt. Ein großer Teil davon ist Brennholz, das zur Deckung des eigenen Wärmebedarfes der Waldbesitzerfamilien genutzt wird. Dies deshalb, weil der monetäre Nutzen im Vergleich zu einer Ölheizung höher ist, wenn man den Faserholzpreis als Bewertungsmaßstab heranzieht. Bestimmte Holzarten und -qualitäten werden auch von der Papierindustrie nicht nachgefragt.
Zudem wird mit Verwunderung festgestellt, dass in der Diskussion die „kaskadische Nutzung von Erdöl“ nie angesprochen wird, obwohl Erdöl im Vergleich zu Holz in der Europäischen Union Mangelware ist und importiert werden muss. Derzeit werden nur rund 20 % der fossilen Rohstoffe stofflich, z. B. für Kunststoffe, genutzt. Es wäre ein Gebot der Stunde, sich von der Abhängigkeit krisengeschüttelter Regionen zu lösen und den Import fossiler Rohstoffe zu reduzieren. Mittlerweile gibt es aufgrund der Klimaschutzbewegungen zwar politische Lippenbekenntnisse zum Ausstieg aus den fossilen Rohstoffen, rasch wirksame Maßnahmen lassen aber noch auf sich warten. Darin liegen große Hoffnungen in der neuen Bundesregierung.
Abschließend sei gesagt, dass eine kaskadische Nutzung von Holz mit dem Ziel bestmöglicher Wertschöpfung ein wirtschaftliches Grundprinzip ist. Sägerundholz wird man daher im Normalfall nicht verheizen. Daher könnte man sich auf folgende Zielformulierung verständigen:
Das für eine stoffliche Verwertung geeignete Holz wird auch einer stofflichen Verwertung zugeführt, soweit dies angemessen und kosteneffizient ist und der Verfügungsberechtigte des Holzes über den Verwertungspfad entscheidet.