Stromverbrauch senken – Übergewinne an Endkunden

15.09.2022

(PA_Europäische_Kommission) – Wie von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union angekündigt, geht die Europäische Kommission gegen die jüngsten dramatisch gestiegenen Energiekosten vor. Sie hat eine entsprechende Notfallmaßnahme auf den europäischen Energiemärkten vorgeschlagen. Dazu gehören zum einen Sondermaßnahmen zur Verringerung der Stromnachfrage. Zum anderen schlägt die Kommission eine befristete Erlösobergrenze für Stromerzeuger mit geringeren Kosten und einen Solidaritätsbeitrag auf der Grundlage von Überschussgewinnen vor, die aus Tätigkeiten im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich anfallen. Die darüber erzielten Einnahmen sollen an Haushalte und Unternehmen umverteilt werden.

Russland nutzt Energie als Waffe

Die EU ist mit den Auswirkungen eines ernsten Ungleichgewichts zwischen Energienachfrage und -angebot konfrontiert, das vor allem darauf zurückzuführen ist, dass Russland seine Energieressourcen weiterhin als Waffe einsetzt. Um die daraus resultierenden stärkeren Belastungen für die Haushalte und Unternehmen in Europa abzumildern, unternimmt die Kommission nun einen weiteren Schritt zur Lösung des Problems. Damit knüpft sie an die bereits vereinbarten Maßnahmen zur Gasspeicherung und zur Senkung der Gasnachfrage im Hinblick auf den kommenden Winter an. Darüber hinaus arbeitet die Kommission weiter daran, die Liquidität der Marktteilnehmer zu verbessern, den Gaspreis zu senken und die Gestaltung des Strommarkts langfristig zu reformieren.

Stromverbrauch soll während Spitzenpreiszeiten um mindestens 5 % sinken

Als erste Reaktion auf die hohen Preise gilt es, die Nachfrage zu senken. Dies kann sich auf die Strompreise auswirken und insgesamt zur Beruhigung des Marktes beitragen. Um auf die Stunden am Tag abzuzielen, an denen der Stromverbrauch am teuersten ist und sich die Stromerzeugung aus Erdgas erheblich auf den Preis auswirkt, schlägt die Kommission eine Verpflichtung vor, den Stromverbrauch während ausgewählter Spitzenpreiszeiten um mindestens 5% zu senken. Die Mitgliedstaaten müssen die 10 Prozent Stunden mit dem höchsten erwarteten Preis ermitteln und die Nachfrage während dieser Spitzenzeiten verringern. Ferner sollen sich die Mitgliedstaaten nach dem Vorschlag der Kommission darum bemühen, die Gesamtnachfrage nach Strom bis zum 31. März 2023 um mindestens 10% zu senken.

Für diese Nachfragereduzierung können sie geeignete Maßnahmen wählen, der auch einen finanziellen Ausgleich umfassen kann. Eine Senkung der Nachfrage zu Spitzenzeiten würde den Gasverbrauch über den Winter um 1,2 Milliarden Kubikmeter verringern. Die Steigerung der Energieeffizienz ist auch ein wesentlicher Bestandteil unserer Klimaschutzverpflichtungen im Rahmen des europäischen Grünen Deals.

180 Euro/Megawattstunde: Befristete Erlösobergrenze für Stromerzeuger durch erneuerbare Energien, Kernenergie und Braunkohle 

Die Kommission schlägt darüber hinaus eine befristete Erlösobergrenze für „inframarginale“ Stromerzeuger vor, d. h. für Technologien mit geringeren Kosten wie erneuerbare Energien, Kernenergie und Braunkohle, die Strom an das Netz zu Kosten liefern, die unter dem von den teureren „marginalen“ Erzeugern gesetzten Preisniveau liegen. Diese inframarginalen Erzeuger haben zu relativ stabilen Betriebskosten außerordentliche Erlöse erzielt, da teure Gaskraftwerke den Großhandelsstrompreis, den sie erhalten, in die Höhe getrieben haben.

Die Kommission schlägt vor, die Erlösobergrenze für inframarginale Erzeuger auf 180 Euro/Megawattstunde festzusetzen. Dies wird den Erzeugern die Deckung ihrer Investitions- und Betriebskosten gestatten, ohne dass Investitionen in neue Kapazitäten im Einklang mit unseren Energie- und Klimazielen für 2030 und 2050 gefährdet werden. Erlöse oberhalb der Obergrenze werden von den Regierungen der Mitgliedstaaten abgeschöpft und verwendet, um die Verbraucher bei der Senkung ihrer Energiekosten zu unterstützen. 

Mitgliedstaaten, die mit Strom handeln, werden ermutigt, im Geiste der Solidarität bilaterale Vereinbarungen zu schließen, nach denen ein Teil der vom Erzeugerstaat abgeschöpften inframarginalen Erlöse an die Endverbraucher in dem Mitgliedstaat mit geringer Stromerzeugung weitergegeben wird. Solche Vereinbarungen werden bis zum 1. Dezember 2022 in Fällen geschlossen, in denen die Nettostromeinfuhren eines Mitgliedstaats aus einem Nachbarland mindestens 100 Prozent betragen.

Solidaritätsbeitrag auf Basis von Überschussgewinnen für Erdöl, Erdgas und Kohle

Drittens schlägt die Kommissionen einen befristeten Solidaritätsbeitrag auf der Grundlage von Überschussgewinnen vor, die aus Tätigkeiten im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich erzielt werden, für welche die Erlösobergrenze für inframarginale Erzeuger nicht gilt. Mit diesem befristeten Beitrag blieben Investitionsanreize für den grünen Wandel gewahrt.

Der Beitrag würde von den Mitgliedstaaten auf Gewinne im Jahr 2022 erhoben, die um mehr als 20 Prozent über den durchschnittlichen Gewinnen der vorangegangenen drei Jahre liegen. Die Einnahmen würden von den Mitgliedstaaten erhoben und an Energieverbraucher, insbesondere an schutzbedürftige Haushalte, stark betroffene Unternehmen und energieintensive Branchen weitergegeben. Die Mitgliedstaaten können auch grenzübergreifende Projekte im Einklang mit den Zielen von REPowerEU finanzieren oder einen Teil der Einnahmen für die gemeinsame Finanzierung von Maßnahmen zum Schutz von Arbeitsplätzen oder zur Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz verwenden.

Energiepreis-Toolbox erweitern und Gaspreisdeckel prüfen

Als weiteren Eingriff in die Vorschriften für den Strommarkt schlägt die Kommission zudem vor, die zur Verfügung stehende Energiepreis-Toolbox zu erweitern, um die Verbraucher zu unterstützen. Die Vorschläge würden erstmals regulierte unter den Kosten liegende Strompreise ermöglichen und regulierte Preise auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausweiten. 

Die Kommission wird ihre Beratungen mit den Mitgliedstaaten über die beste Vorgehensweise zur Senkung der Gaspreise vertiefen. Sie wird dabei verschiedene Möglichkeiten für Preisobergrenzen prüfen und die Rolle der EU-Energieplattform bei der Erleichterung von Vereinbarungen mit den Lieferanten über niedrigere Preise durch eine freiwillige gemeinsame Beschaffung stärken.

Die Kommission wird zudem weiterhin an Instrumenten zur Verbesserung der Liquidität auf dem Markt für Energieversorgungsunternehmen arbeiten und den befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen überprüfen, damit dieser den Mitgliedstaaten – unter Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen – weiterhin die erforderliche und verhältnismäßige Unterstützung der Wirtschaft ermöglicht. Auf der außerordentlichen Tagung des Rates „Energie“ am 9. September haben die Energieminister der Mitgliedstaaten die laufenden Arbeiten der Kommission in diesen Bereichen gebilligt.

Hintergrund

Die Kommission hat sich im vergangenen Jahr mit dem Problem steigender Energiepreise auseinandergesetzt, und die Mitgliedstaaten haben auf nationaler Ebene zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die die Kommission über die im Oktober 2021 angenommene und im Frühjahr 2022 mit der Mitteilung über kurzfristige Energiemarktinterventionen und langfristige Verbesserungen der Strommarktgestaltung und dem REPowerEU-Planerweiterte Energiepreis-Toolbox bereitgestellt hat. Seit Russland in die Ukraine eingefalllen ist und seine Energieressourcen zunehmend als Waffe einsetzt, um Europa zu erpressen, hat sich die Lage auf dem Energiemarkt erheblich verschlechtert und die nach der COVID-19-Pandemie ohnehin angespannte Versorgungslage hat sich weiter verschärft. Die Kommission hat bereits neue Mindestverpflichtungen für die Gasspeicherung sowie Ziele zur Verringerung der Nachfrage vorgeschlagen, um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in Europa zu verbessern, und die Mitgliedstaaten haben diese Vorschläge vor dem Sommer zügig angenommen.

Da Russland das Erdgasangebot weiterhin manipuliert und die Lieferungen nach Europa aus unberechtigten Gründen unterbricht, sind die Märkte angespannter und nervöser geworden. In den Sommermonaten, die auch noch von Wetterextremen infolge des Klimawandels geprägt waren, sind die Preise weiter gestiegen. Insbesondere haben Dürren und extreme Hitze die Stromerzeugung durch Wasserkraft und Kernkraft beeinträchtigt, wodurch sich das Angebot weiter verringert hat. Aus diesem Grund schlägt die Kommission nun in Form einer Verordnung des Rates auf der Grundlage von Artikel 122 des Vertrags eine Notfallmaßnahme auf dem Strommarkt mit gemeinsamen europäischen Instrumenten vor, um gegen die hohen Preise vorzugehen und Ungleichgewichte im System zwischen Stromversorgern und -endverbrauchern zu beseitigen, wobei das Funktionieren des Energiebinnenmarkts insgesamt gewahrt bleibt und Risiken für die Versorgungssicherheit vorgebeugt wird. 

Weitere Informationen

Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise

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