Klimapolitik ohne Vorsichtl und Rücksichtl

Wahlkampf Weiter Klimastress – Wald und Holz als Teil der Lösung

Kommentar; Ausgabe 113/2019, S. 2

15.07.2019

Wer hätte vor der EU-Wahl gedacht, dass für die Hälfte der deutschen Wähler der Klimaschutz das wahlentscheidende Thema sein würde? Dass jeder siebente Wähler den Grünen in Österreich bei „ihrer“ Klimaschutz-Wahl ein Comeback bescheren würde? Dass laut Umfragen ein Drittel der unter 30-Jährigen in Deutschland für die Grünen stimmen würde? Kümmern sich die anderen politischen Parteien – mit FPÖ, AfD oder der Lega Nord ist in puncto Klima ohnedies kein Staat zu machen – mit ähnlich lähmendem Tempo wie bisher um das wichtigste Zukunftsthema, gibt es bei den nächsten Wahlen Stimmenerdrutsche in Richtung Grün. Für die Nationalratswahl hat apodiktisch zu gelten: Parteien, die den rettenden Klimaschutz links liegen lassen, dürfen nicht gewählt werden. 
Der mit weltweitem Echo zelebrierte Pariser Klimavertrag hat den Politikern ein Alibi für weiteres Nichtstun gesichert. Sein Scheitern kann man als gegeben annehmen. Zwei Riesen – die USA und Brasilien – haben bereits ihren Rückzug aus dem Vertrag signalisiert. Und die EU? Nur acht Mitgliedsländer haben im rumänischen Hermannstadt für Maßnahmen plädiert, die den Zielen des Pariser Abkommens entsprechen. Deutschland und Österreich demonstrierten ihr Desinteresse und glänzten durch Abwesenheit. Nur China ist auf Pariser Kurs. Nicht zuletzt wegen der akuten Probleme mit der bodennahen Luftverschmutzung, die Bewohner in den Millionenstädten mit dem Erstickungstod bedroht. 

„DER MIT WELTWEITEM ECHO ZELEBRIERTE PARISER KLIMAVERTRAG HAT DEN POLITIKERN EIN ALIBI FÜR WEITERES NICHTSTUN GESICHERT.“ 

Die Klimafrage erfordert neues Denken, getragen von mehr Dynamik, Zielsicherheit auf sozialer Ebene und weniger Rücksichtnahme auf parteipolitische Zwänge. Die Regierungsverantwortlichen müssen sich fragen, wie man sie ernst nehmen soll, wenn sie sich von ihren eigenen Klimazielen distanzieren? Auch die Wahlkampfinstrumente müssen andere werden – weg von fadem Blabla, hin zu Protestformen mit aufrüttelnden Botschaften. Nicht brave Presseaussendungen, sondern konkrete Tatsachen dokumentierende Videos ohne „Rücksichtl“ und „Vorsichtl“ müssen die Werkzeuge der Zukunft sein. 
Greta Thunberg und ihre riesige Anhängerschar haben recht, wenn sie die Elterngenerationen anklagen und von der Klimapolitik mehr Gerechtigkeit und Konsequenz einfordern. Noch effizienter ist aufzuzeigen, dass Klimaschutz eine wichtige soziale Note hat. Menschen in der Sahara leiden noch wesentlich mehr als Europäer oder US-Amerikaner, abgesehen davon, dass sie die lebensbedrohliche Erderwärmung nicht verursacht haben. Ökologie, soziale und ökonomische Gerechtigkeit müssen intensiver zusammengedacht werden. Wie kann es sein, dass in Deutschland 80.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energie geopfert werden, mit dem fragwürdigen Ziel, 20.000 Jobs im Braunkohlebergbau einzuzementieren. 
In Brüssel geistert die CO2-Abscheidung und -Speicherung als Wunderwaffe zur Klimarettung herum: Damit wird die Reduzierung von Kohlendioxyd in der Atmosphäre beschrieben, CO2 aus den Kraftwerken „aufzufangen“, zu komprimieren, um es dann in unterirdische Lagerstätten zu pressen. Verantwortungsvolle Wissenschaftler halten diesen technischen Prozess für völlig ineffizient. Sie fragen nach dem Sinn dieser Methode, zuerst den Kohlenstoff aus der Erde zu gewinnen, um ihn dann wieder mit hohem Aufwand in den Boden zu verfrachten. Vernünftiger wäre es, den Kohlenstoff im Boden zu belassen und die finanziellen Mittel direkt in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren. 

„NUR ACHT MITGLIEDSLÄNDER HABEN IM RUMÄNISCHEN HERMANNSTADT FÜR MASSNAHMEN PLÄDIERT, DIE DEN ZIELEN DES PARISER ABKOMMENS ENTSPRECHEN.“ 

An der Fossilenergie klebt das Blut von Millionen Menschen und von schweren Verletzungen der Menschenrechte. Die Nettoimporte an Energie egalisieren in Österreich das Volumen der geplanten Steuerreform. Es bieten sich doch enorme Chancen für Innovationen zur Entlastung unseres Energiesystems von den Fossilen – ohne den Wohlstand auch nur annähernd zu gefährden. Bei uns gehen die Verantwortlichen für die Klimapolitik zur Tagesordnung über, auch wenn der Energieverbrauch steigt und die Treibhausgasemissionen neue Rekorde erreichen. Der Anteil der erneuerbaren Energien sinkt, weil ihr Ausbau mit dem steigenden Energieverbrauch nicht Schritt halten kann. Der letzte echte Schub für die Erneuerbaren passierte im Jahr 2002 unter dem damaligen Landwirtschaftsminister Willi Molterer und Landwirtschaftskammerpräsident Rudi Schwarzböck. 
Jedes Jahr werden die Klimaprobleme drängender. Eine Treibhausgas-Reduktion von jährlich vier Millionen Tonnen wäre seit Jahren ein absolutes Muss. Nur ein Umbau des Steuersystems mit einer spürbar höheren Besteuerung der Fossilenergien kann die Fahrt in die Klimakatastrophe stoppen. Im Vordergrund muss die Besteuerung der Emissionen bei gleichzeitiger spürbarer steuerlicher Entlastung der Arbeit stehen. Ein Klima-Not-Programm muss heuer noch in die Spur, die Einführung von E10 als Treibstoff könnte schon morgen beschlossen werden, weiters die 7%ige Beimengung von Biodiesel, dazu käme die Bereitstellung von jährlich mindestens einer Milliarde Euro für Dämmung und den Umbau von Heizsystemen auf Wärme aus erneuerbaren Ressourcen. Bei der Fernwärme ist Österreich sechs Mal schlechter als die Dänen. 
PS: Die Regierungen fordern seit Jahrzehnten eine nachhaltige Energie- und Klimapolitik, um dann weiterzumachen wie zuvor. Jedes Jahr eine Dosis Arnie Schwarzenegger in der Hofburg, so quasi zum Ablenken und Vertrösten, wird das Klima und die Welt nicht retten, 

meint Ihr