Das Erneuerbaren-Gase-Gesetz

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Exklusiv - die Reportage #124/S. 18-19

30.04.2023

Die österreichische Grüngas-Branche atmet vorsichtig auf. Der wesentliche Rechtsrahmen zum Ausbau der heimischen Grüngasproduktion sollte eigentlich schon im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz enthalten sein. Doch der Teil zum erneuerbaren Gas fiel kurzerhand aus dem finalen Entwurf hinaus, mit der Vertröstung, dem Inhalt ein eigenes Gesetz zu widmen. Aufgrund der geopolitischen Geschehnisse rund um die russische Invasion in der Ukraine und der daraus folgenden europaweiten Gaskrise wurde offensichtlich, dass es einen Ausbauplan für nationale erneuerbare Gase braucht. Nun ist es so weit! Nach der Einigung der Regierungsparteien zum Erneuerbaren-Gase-Gesetz auf ihrer Klausur im Jänner legt die Bundesregierung nach und veröffentlichte Mitte Februar den Begutachtungsentwurf. Das Gesetz stellt die Grundlage zur Erhöhung des Anteils von im Inland produzierten erneuerbaren Gasen dar. 

DIE GRÜNGAS-QUOTE 

Der Begutachtungsentwurf beinhaltet das Ziel, im Jahr 2030 7,7 % der in Österreich verkauften Gasmenge, mindestens aber 7,5 TWh, durch erneuerbare Gase aus Österreich zu substituieren. Dafür werden Versorger, die Endverbraucher in Österreich entgeltlich beliefern, zur Erfüllung einer Grün-Gas-Quote verpflichtet: 

Als erneuerbare Gase gelten dabei erneuerbarer Wasserstoff sowie Biomethan. Letzteres umfasst sowohl die Vergärung vorwiegend organischer Abfälle, organische Reststoffe der Industrie als auch der Landwirtschaft sowie die Vergasung von Biomasse. 

GARANTIERTE ABNAHME SORGT FÜR PLANUNGSSICHERHEIT 

In den letzten beiden Jahrzehnten wurde (beginnend von einigen Pionieren) mit der Biomethanproduktion begonnen und die Technik durch wissenschaftliche Zusammenarbeit weiterentwickelt. Der notwendige Abbau von Hürden bei der Einspeisung erneuerbarer Gase wurde durch rechtliche Anpassungen in den unterschiedlichen Rechtsmaterien zusehends durchgeführt. 

Eines der grundlegendsten Hindernisse des bisherigen Markthochlaufs der inländischen Grüngasproduktion blieb allerdings bestehen – die mangelnde Planungssicherheit für die Produzenten von erneuerbarem Gas. Das im Begutachtungsentwurf nun vorgesehene Quotenmodell ist, im Vergleich zu den Regelungen im damaligen Ökostromgesetz sowie dem nachfolgenden Erneuerbaren Ausbaugesetz, das wettbewerbsaffinste Modell zur Unterstützung des Markthochlaufes erneuerbarer Energien. Eine Quotenvorgabe überlässt alle Eventualitäten gänzlich dem Markt bis hin zu den Vertragslaufzeiten. Gerade Letzteres birgt zu Beginn des Markthochlaufes sehr viele Risiken und würde bei relativ kurzen Vertragslaufzeiten auch sehr kurze Abschreibezeiträume der getätigten Investitionen bis hin zu Risikofinanzierungen mit wesentlich überhöhten Zinssätzen führen. Damit gerade zu Beginn des Markthochlaufs auch die notwendige Investitionssicherheit geboten wird, enthält der Begutachtungsentwurf eine „Last-Resort-Regelung“. Diese sieht vor, dass Grüngasproduzenten gegenüber dem jeweiligen Bilanzgruppenverantwortlichen – unter gewissen Bedingungen – im Bedarfsfall einen Anspruch auf eine garantierte Abnahme der erzeugten Gasmenge haben. Dadurch wird die notwendige Sicherheit für Investitionen geschaffen, die zu einer Streckung der Abschreibungsdauer für Investitionen auf eine Dauer von 20 Jahren führt. Außerdem wird durch die längerfristige Absicherung sichergestellt, dass es zu keinem Risikoaufschlag bei der Finanzierung kommt. Die Vergütung dafür wird durch die Regulierungsbehörde festgelegt und hat sich an den effizientesten 10 % der Anlagen zu orientieren. Diese Mengen an erneuerbarem Gas werden vom Bilanzgruppenverantwortlichen aliquot an alle Versorger zugewiesen und gemeinsam mit der Ausgleichsenergie verrechnet. 

AUSGLEICHSBETRAG BEI VERFEHLUNG DER QUOTENVERPFLICHTUNG 

Erreicht ein Versorger die vorgegebene Grüngas-Quote nicht, muss er für die Fehlmenge eine Ausgleichszahlung entrichten. Von 2025 bis 2027 beträgt diese 18 Cent pro kWh und ab dem Jahr 2027 20 Cent pro kWh. Der Ausgleichsbetrag wird mit Bescheid von der Regulierungsbehörde vorgeschrieben, sofern ein Gasversorger der Pflicht zur Erreichung der Grüngas-Quote nicht nachkommt. Die Höhe des Ausgleichsbetrags kann zudem – je nach Marktgeschehen und bei Bedarf – von der Bundesministerin für Klimaschutz weiter angehoben werden. Die Ausgleichsbeträge werden als zusätzliche Fördermittel für die Umrüstung von bestehenden Biogasanlagen und die Neuerrichtung von Biomethananlagen verwendet. 

AUSBAU INLÄNDISCHER BIOMETHANPRODUKTION ALS WESENTLICHSTE SÄULE DER QUOTENERFÜLLUNG 

Die Einigung der Regierungsparteien zum Erneuerbaren-Gase-Gesetz stellt einen wichtigen Pfeiler für Österreichs Energiepolitik dar. Damit Österreichs Abhängigkeit von russischem Erdgas rasch beendet werden kann, muss es Gas auch selbst produzieren. Durch das Gesetz wird sichergestellt, dass dieses Gas nachweislich aus erneuerbaren Quellen stammt. Biomethan aus organischen Abfällen und Reststoffen der Industrie und Landwirtschaft gilt als die am schnellsten verfügbare Alternative. Derzeit speisen bereits 15 Anlagen Biomethan in das österreichische Erdgasnetz ein. Die Umstellung bestehender Biogasanlagen auf die Gasnetzeinspeisung soll nun der nächste Schritt sein und so sicherstellen, dass die Quotenverpflichtung von Beginn an erfüllbar ist. In weiterer Folge sollen auch Anlagen aus fester Biomasse, Biomethan produzieren sowie Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff zur Versorgung Österreichs mit erneuerbaren Gasen beitragen. 

STUDIE ZEIGT DEN MONETÄREN WERT DES GESAMTSYSTEMNUTZENS VON BIOMETHAN AUF 

Der REPowerEU-Plan zur Transformation des Energiesystems Europas sieht die Ausweitung der Biomethan-Erzeugung bis 2030 auf 35 Milliarden Kubikmeter als eine von einer Reihe von Maßnahmen, um sowohl die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen zu beenden und gleichzeitig die europäische Versorgungssicherheit zu erhöhen. Die Studie „Beyond energy: monetising biomethane’s whole system benefits“ beleuchtet in diesem Hinblick den Gesamtnutzen des Ausbaus der Biomethanproduktion für Europa, welcher weit über die Aspekte der Versorgungssicherheit hinausgeht. Wesentliche zusätzliche Werttreiber sind der Studie zufolge die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Rückgewinnung von biogenem CO2, die inländische Wertschöpfung, die Abfallverwertung sowie weitere positive Umwelteffekte, die auf die Nutzung des anfallenden Gärrestes zurückgehen, wodurch einerseits Nährstoffkreisläufe in Böden geschlossen werden und andererseits die energieintensive Produktion von Mineraldüngern reduziert wird. In Summe berechnet sich der monetäre Gesamtsystemnutzen von Biomethan für Europa, bei einem Ausbau der Produktion nach REPowerEU-Plan laut Studie auf einen Wert zwischen 38 und 78 Milliarden Euro pro Jahr im Jahr 2030 und könnte sich auf 133 bis 283 Milliarden Euro jährlich im Jahr 2050 steigern. 

STIMMEN AUS DER BRANCHE 

Vertreter der österreichischen Biogas-Branche sehen den Begutachtungsentwurf durchaus positiv. Endlich wird damit der von der Branche lange ersehnte und notwendige Rechtsrahmen zur Produktion und Einspeisung von Biomethan ins Erdgasnetz vorgegeben. Durch die geplante Quotenregelung, dem im Entwurf festgelegten Hochlauf der Grüngasproduktion sowie der garantierten Abnahmeregelung entsteht auch die nötige Planungssicherheit für die Produzenten. 

Der Beschluss des Erneuerbaren-Gase-Gesetzes im Ministerrat ist nach der Einigung der Parteien in der Regierungsklausur im Jänner ein weiterer wichtiger Schritt bei der Transformation von Österreichs Gassystem. Durch den Ersatz von fossilem Erdgas tragen Biomethan und erneuerbarer Wasserstoff zum Schutz unseres Klimas bei und sorgen für mehr Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten. Dass das Gesetz nun, innerhalb kurzer Zeit nach der Regierungsklausur im Jänner, in Begutachtung geht, zeigt, dass die Regierung es ernst meint. Klimaneutralität 2040 geht nur, wenn auch unser Gasnetz eine Energiewende erlebt. Und diese kann sich nur erneuerbar und nachhaltig gestalten. Ein Meilenstein dazu wurde nun gelegt. Jetzt gilt es, dieses Tempo beizubehalten und das Gesetz rasch zur Beschlussfassung im Parlament zu bringen. Dann kann der Markthochlauf endlich beginnen!“, so Norbert Hummel, Biogas-Obmann des Kompost & Biogas Verbandes. 

BIOMETHAN – MEHR ALS EIN ERNEUERBARER ENERGIETRÄGER 

Klimaschutz, mehr Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit gegenüber fossilen Importen – der Ausbau der heimischen Biomethanproduktion wird durch viele positive Aspekte begleitet. Auf dem Weg zur Klimaneutralität ist Biomethan jener Energieträger, welcher fossiles Erdgas direkt ersetzen kann. Österreichs Gasverbrauch lag in den letzten Jahren bei rund 90 TWh. Vergleicht man diesen Wert mit dem inländischen Stromverbrauch, welcher bei rund 70 TWh liegt, wird deutlich, wie hoch die Anstrengungen sein müssen, um die Energiewende auch im Gassystem vollziehen zu können. Neben Energieeffizienzmaßnahmen zur Reduktion des Gasverbrauchs gilt es vor allem, Erdgas durch erneuerbare Gase zu ersetzen. Speziell gewisse Industriezweige, etwa bei Hochtemperaturanwendungen, aber auch eine gesicherte Stromversorgung werden auch in Zukunft auf gasförmige Energieträger angewiesen sein. Biomethan ist dabei der am schnellsten verfügbare Eckpfeiler im Bereich der erneuerbaren Gase. Es kann Erdgas direkt ersetzen und ist flexibel, da es saisonal gespeichert und im gesamten Energiesystem eingesetzt werden kann, wobei die vorhandene Gasinfrastruktur und Endverbrauchstechnologien weiterhin genutzt werden können. 

Darüber hinaus kann Biomethan bedarfsgerecht zur Energiegewinnung eingesetzt werden und so als Ausgleich einer intermittierenden erneuerbaren Energieversorgung dienen. Dank Wasserkraft ist Österreich Vorreiter im Bereich Ökostrom. Für die weitere Anhebung des Ökostromanteiles wird in Zukunft wesentlich mehr Strom aus Windkraft und Photovoltaik erzeugt werden. Daraus ergeben sich zunehmend Herausforderungen für die „restlichen Kraftwerke“ als auch für die Versorgungssicherheit aufgrund sich sehr rasch ändernder Wind- und Sonnensituationen. Um die Versorgungssicherheit mittels erneuerbarer Energien gewährleisten zu können, bedarf es daher verfügbarer Kapazitäten, die sehr kurzfristig Leistung in das Netz bringen bzw. vom Netz nehmen können, und andererseits großer saisonaler Speicher, die wesentlich über das Speichervermögen von Pumpspeicherkraftwerken hinausgehen. Mit Biomethan betriebene Gaskraftwerke sind dazu fähig. Sie können bedarfsgerecht Strom erzeugen und dadurch sowohl das Netz entlasten als auch eine gesicherte Versorgung gewährleisten. 

Diese und weitere zusätzliche positive Externalitäten, die die Biomethanproduktion mit sich bringt, werden jedoch nicht honoriert beziehungsweise anerkannt. Mit dem Erneuerbaren-Gase-Gesetz sollen Biomethanproduzenten durch marktbasierte Mechanismen unterstützt werden, um die Ziele beim Erneuerbaren-Ausbau zu erreichen.