Erneuerbare: Voraussetzung für florierende Wirtschaft

Klimakrise – der Realität ins Auge sehen Weiter Atomstrom kann das Klima niemals retten

Titelstory; #119/2021, S. 3

15.07.2021

Rechnungshof: Kosten für Emissionszertifikate von bis zu 9,2 Mrd. Euro und volkswirtschaftliche Schäden von bis zu 8,8 Mrd. Euro drohen

 Kein gutes Zeugnis stellt der Rechnungshof den österreichischen Klimaschutzmaßnahmen im Bericht „Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020” aus. Konkret sei Österreich eines von sechs EU-Ländern, deren Treibhausgas(THG)emissionen zwischen 1990 und 2017 stiegen. Nach derzeitigem Stand könnten die EU-Klimaziele für 2030 verfehlt werden, wodurch hohe Kompensationszahlungen drohen. Zusätzlich werden die Folgen des Klimawandels bis zur Mitte des Jahrhunderts hohe Kosten verursachen. Derzeit werden die Klimaziele der EU und Österreichs in das Klimaschutzgesetz eingearbeitet, der entsprechende Begutachtungsentwurf soll vor dem Sommer präsentiert werden. Ein bereits geleakter Entwurf kommt vor allem bei der größten Wirtschaftsvertretung – der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) – nicht gut an. 

KLIMASCHUTZGESETZ „ÄUSSERST PROBLEMATISCH“ 

Obwohl sich die WKÖ zu den Pariser-Klimazielen offiziell bekennt, werden hinter den Kulissen andere Töne angeschlagen. DerStandard berichtete aus einer ihm vorliegenden internen WKÖ-Analyse, dass der geleakte Entwurf des Klimaschutzgesetzes als „äußerst problematisch“ gesehen wird. Das Gesetz wird als „überambitioniertes Papier” bezeichnet. Der größte Dorn im Auge ist die geplante Erhebung der Klimaneutralität bis 2040 inklusive eines Treibhausgasreduktionspfads in den Verfassungsrang. Dadurch könnte man den Handlungsspielraum für künftige Regierungen „lahmlegen“, heißt es im internen Bericht. 

Zwar hält man in der WKÖ die Installation eines Klimakabinetts für sinnvoll, jedoch werden Bedenken geäußert, dass „NGOs und die Wissenschaftler das Klimakabinett vor sich hertreiben und wahrscheinlich sogar gerichtlich belangen können“. 

Noch viel mehr Angst herrscht vor einem möglichen Anspruch auf Klimaschutz, wodurch NGOs und Bürger diesen „nicht bloß abstrakt“ einklagen könnten. „Völlig untragbar” ist für sie der Notfallmechanismus: Falls Österreich sein Klimaziel verfehlt, würden Abgaben auf fossile Energieträger um 50 % erhöht werden. Diese Mittel sollen zwar in einem Klimaschutz-Fonds landen. Dieser „wäre ein weiterer Topf, der de facto dem Klimaschutzministerium gehören würde”. Einen fixen CO2-Reduktionspfad, wie ihn die Wissenschaft fordert, sieht man ebenfalls kritisch. Die Zielvorgaben würden „massive Verwerfungen” mit sich bringen und seien „enorm teuer”, heißt es. Im WKÖ-Wirtschaftsparlament konnte man sich nicht zu den Klimaschutz-Zielen der Bundesregierung bekennen. 

Die WKÖ bezeichnet die heimische Wirtschaft als vorbildhaft in Sachen Klimaschutz. Was es braucht, sei Technologieoffenheit, Investitionsanreize und schnellere Genehmigungsverfahren. 

UNWORT DES JAHRES 

Seit einiger Zeit geht ein Gespenst in der Klimaschutzdiskussion um: der Begriff „Technologieoffenheit“. Damit verknüpft sich die Forderung, alle vorhandenen Technologien nutzen zu dürfen, und die Wirtschaft darf nicht mit Regulierungen und „Zwangsmaßnahmen“ davon abhalten, das Richtige für den Klimaschutz zu tun, denn sie könne das selbst am besten. Bereits in der Vergangenheit hat uns der positiv wirkende Begriff „Technologieoffenheit“ eine Reihe von Umweltkrisen beschert – vom sauren Regen bis zum Ozonloch. Dies führte zur Einführung von Pkw-Abgaskatalysatoren und dem Verbot von Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW), weil die „Technologieoffenheit“ versagte. Regulierungen und Verbote schaffen Klarheit, und diese förderten bislang die Innovation. Technologieoffenheit im Umweltbereich hingegen führte oftmals dazu, dass Entscheidungen in die Zukunft verschoben und notwendige Maßnahmen nicht umgesetzt wurden. Dieser Umstand kann sehr teuer werden, wie der Rechnungshof berechnete. 

ENORME STRAFZAHLUNGEN 

Der Rechnungshof-Bericht prüfte die Jahre 2015 bis 2019. Aus dem Bericht geht hervor, dass sich die THG-Emissionen zwischen 1990 und 2017 um 5 % erhöhten, während sie sich im EU-Schnitt um nahezu ein Viertel reduzierten. Damit ist Österreich einer von sechs EU-Staaten mit steigenden Emissionen. Zudem überschritt Österreich 2017 erstmals die im Klimaschutzgesetz vorgesehene Emissions-Höchstmenge. 

Dem Rechnungshof zufolge könnte Österreich aus heutiger Sicht auch die EU-Klimaziele für 2030 deutlich verfehlen. Infolgedessen sei mit Kompensationszahlungen für den Ankauf von Emissionszertifikaten von bis zu 9,2 Mrd. Euro zu rechnen. Es wird sogar empfohlen, eine zeitgerechte Strategie für den Ankauf von Emissionszertifikaten zu entwickeln. Solche Strafzahlungen sollten im Sinne der Steuerzahler allerdings vermieden werden. 

Darüber hinaus haben die Folgen des Klimawandels auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die wetter- und klimabedingten Kosten der Klimaerwärmung werden in Österreich derzeit bei durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Jahr liegen. Bis Mitte des Jahrhunderts könnten die gesellschaftlichen Schäden mit 4,2 bis 5,2 Mrd. Euro pro Jahr zu beziffern sein. Bei einer stärkeren Temperatursteigerung könnte sich dieser Betrag auf 8,8 Mrd. Euro erhöhen. 

MIT ERNEUERBAREN AUS DER KRISE 

Das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz präsentierte gemeinsam mit dem Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) eine Studie zu den wirtschaftlichen Effekten von Investitionen in erneuerbare Energien. Die Studie zeigt, dass mit dem Ausbau und der Speicherung erneuerbarer Energie in den kommenden zehn Jahren mehr als 100.000 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen werden können und ein zusätzliches BIP von durchschnittlich 9,8 Mrd. Euro generiert werden kann, wenn die Rahmenbedingungen passen. Bis 2030 können so die CO2-Emissionen um über 13 Mio. t reduziert werden. 

WIRTSCHAFTSMOTOR 

Die Umweltwirtschaft ist bereits jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Österreich. Neueste Zahlen der Statistik Austria für das Jahr 2019 belegen, dass insgesamt 193.574 Beschäftigte einen Produktionswert von 42,7 Mrd. Euro erzielten. Die Bruttowertschöpfung belief sich auf 17 Mrd. Euro, der durch Exporte erwirtschaftete Produktionswert machte 13,9 Mrd. Euro aus. 

Berücksichtigt man zusätzlich den öffentlichen Verkehr, waren 218.278 Personen in der Umweltwirtschaft tätig. Bedeutendster Umweltbereich war 2019, wie bereits in den Jahren davor, das „Management der Energieressourcen“. Im Wesentlichen ist dieser Bereich auf erneuerbare Energien sowie Wärme- bzw. Energieeinsparung und -management fokussiert und erwirtschaftete 2019 mit rund 64.700 beschäftigten Personen (33,4 % der Umweltbeschäftigten) 19,5 Mrd. Euro oder 45,6 % des Produktionswertes. Die erwirtschaftete Bruttowertschöpfung von 7,2 Mrd. Euro machte einen Anteil von 42,1 % an der umweltbezogenen Bruttowertschöpfung aus. Die Exporte lagen bei 8,3 Mrd. Euro bzw. 59,7 % der gesamten Umweltexporte. Auf erneuerbare Energien entfielen 50,7 % des Produktionswertes (9,9 Mrd. Euro), 48,7 % der Bruttowertschöpfung (3,5 Mrd. Euro). 

ERNEUERBARE AUSBAUEN 

„Schon lange beobachten wir, dass die Wirtschaftskammer in Sachen Klimaschutz und Energiepolitik nicht die Meinung eines großen Teils der österreichischen Wirtschaft vertritt. Ihre Haltung dazu ist rückwärtsgewandt und blockiert die Innovationskraft der österreichischen Unternehmen“, findet Christoph Wagner, EEÖ-Präsident, klare Worte und ergänzt: „Vielmehr ist der Ausbau der erneuerbaren Energien die Grundvoraussetzung für eine florierende Wirtschaft der nahen Zukunft. Die erneuerbaren Energien stabilisieren die Energiepreise, garantieren damit ein sicheres Wirtschaftsumfeld in Österreich und schaffen die dringend benötigten Arbeitsplätze. Von erneuerbaren Energien profitieren wir alle!“