Kommentar; #120/2021, S. 1

08.11.2021

Vor 30 Jahren wäre es eine Sensation gewesen: Eine eigene Energiesteuer mit dem Charme der Rückverteilung eines Teils der Steuereinnahmen – dazu eine Entlastung kleiner Einkommen und obendrauf noch eine Bundesnetzkarte zum Schnäppchenpreis. Vor 30 Jahren hätte das Ökologisierungspaket, das die türkis-blaue Regierung nun auf den Weg gebracht hat, international Aufsehen erregt. Und: Vor 30 Jahren hätte dieses Paket passgenau zu jenem Programm gepasst, mit dem der visionäre ÖVP-Chef Josef Riegler zur Nationalratswahl 1990 angetreten war.

Zur Erinnerung: Die Ökosoziale Marktwirtschaft war damals mühsam zum ideologischen Konsens in der Volkspartei entwickelt worden, sie kam sogar ins Parteiprogramm. Aber nach der Wahlniederlage 1990 (minus 9,2 Prozentpunkte) wurde sie drei Jahrzehnte lang nicht mehr ernst genommen. Es bedurfte der Regierungsbeteiligung der Grünen, jetzt umzusetzen, was vor drei Jahrzehnten bereits als richtig erkannt worden war.

Es ist ein historischer Erfolg, den man als solchen nicht kleinreden soll. Und dennoch muss man relativieren: Der jetzt ausgehandelte CO2-Preis ist zu niedrig – die Welt hat sich ja in den letzten 30 Jahren weiterentwickelt, und Österreich ist eben nicht mehr jener Vorreiter der ökosozialen Entwicklung, der es 1991 hätte sein können. Es ist eben ein kleiner, sehr später Schritt in die richtige Richtung. Einfacher wäre es gewesen, diesen Schritt viel früher zu setzen. Denn weitere Schritte werden notwendig sein – Ökologisierung ist ein dynamischer Prozess und dieser verläuft umso sozial verträglicher, je früher man sich an solche Schritte gewöhnt.

Conrad.Seidl@gmx.at