Die Mühlen der Energiewende mahlen langsam

Pseudowillige Klimaschützer Weiter Wo bleibt die Solarwärme-Offensive?

Titelstory; #118/2021, S. 3

02.04.2021

Ein Corona-Jahr Türkis-Grün: Im Klimaschutz viel vorgenommen, einiges erreicht, trotzdem noch zahlreiche offene Baustellen

Das türkis-grüne Regierungsprogramm beinhaltet eine schier endlos lange To-do-Liste in Sachen Klimaschutz – eine Auswahl der Arbeitspunkte ist in der Abbildung oben ersichtlich. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass noch zahlreiche Klima-Baustellen vorhanden sind. Spricht man mit Klima- und Energieexperten, wird der Regierung für das bisher Geleistete durchaus Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht. Dennoch ist noch viel zu tun, und das Tempo muss deutlich gesteigert werden, will man die gesetzten Ziele auch erreichen.

LANGE TO-DO-LISTE

Der März war der Monat von Bundesministerin Leonore Gewessler. Im Wochentakt wurden neue Gesetzesvorgaben oder Fördermittel vorgestellt. Zuerst folgte der Antrag zur Umsetzung des Klimavolksbegehrens. Davon ausgehend soll ein „österreichisches Klimakabinett” unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers und der Klimaschutzministerin etabliert werden. Die Klimaziele und Pfade sollen gesetzlich, ein wissenschaftlicher „Klimabeirat” zur Prüfung der Einhaltung des CO2-Budgets verfassungsrechtlich verankert werden. Der parlamentarische Budgetdienst soll mit Analysen zur Kosteneffizienz beitragen und jegliche neue und bestehende Gesetze einem verbindlichen Klimacheck unterzogen werden. Teil der Entschließung ist darüber hinaus ein „Klimarat der BürgerInnen” als partizipativer Prozess zur Diskussion konkreter Maßnahmenvorschläge – ein „Mini-Österreich für den Klimaschutz“.
Soweit, so gut, jedoch müssen die Emissionshöchstgrenzen erst einmal noch im Klimaschutzgesetz festgelegt werden. Das ist aber noch immer ausständig. Dieses soll im Laufe des Jahres überarbeitet werden, genauso wie der Nationale Klima- und Energieplan (NEKP), der die Erreichung der Energie- und Klimaziele umfasst. Die Liste der heuer noch zu erledigenden umweltpolitischen Baustellen ist lang – darunter unter anderem: die Novelle des Energieeffizienzgesetzes (lief mit Jahresende ersatzlos aus), die Wasserstoffstrategie, die Bioökonomiestrategie, eine Liste der klimaschädlichen Subventionen und die ökosoziale Steuerreform.

ÖKOSOZIALE STEUERREFORM

Die ökosoziale Steuerreform hat zum Ziel, klimafreundliches Verhalten zu belohnen und klimaschädliches zu bepreisen. Da hat die Regierung bereits einige Schritte auf den Weg gebracht, etwa die Reform der NoVA und der motorbezogenen Versicherungssteuer. E-Autos zahlen keine NoVA, besondere CO2-Schleudern wie SUV oder Geländewagen werden mehr zur Kasse gebeten. Nach diesem Muster soll es weitere Schritte in der Steuerreform 2022 geben – Stichwort CO2-Preis. Dazu wurde eine Taskforce gegründet, die Lösungsansätze erarbeiten soll. Ergebnisse liegen aber noch keine vor.

REKORDBUDGET

Eines der berühmten Projekte der türkis-grünen Regierung ist das 1-2-3-Öffi-Ticket. Damit soll das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel in einem Bundesland einen Euro pro Tag kosten, in zwei Bundesländern zwei Euro, und um drei Euro pro Tag könnte man in ganz Österreich fahren. Das Ticket soll laut Gewessler 2021 starten. Das Budget sei vom Finanzminister schon freigegeben. Hierzu fehlt aber noch die Einigung mit fünf Bundesländern.
Lobenswert muss erwähnt werden, dass das Budget im Mobilitätsbereich deutlich erhöht worden ist. Rund 4,61 Mrd. Euro an Bundesmitteln sind für das Mobilitätsbudget 2021 (+12 % zum Vorjahr) eingeplant, wobei das meiste davon in den Schienenverkehr fließt. Ein weiteres Signal setzte die Verkehrsministerin mit der Erhöhung der Förderung der E-Mobilität (46 Mio. Euro) und dem Angebot für Fußgänger und Radfahrer (40 Mio. Euro).
Zuletzt forderte die Regierung mit anderen EU-Mitgliedern die Kommission auf, ein Ausstiegsdatum für den Verkauf von fossil betriebenen Fahrzeugen festzusetzen. Einen eigenen Vorschlag brachte man aber nicht ein.
Was im Bereich Mobilität noch aufgeholt werden muss, ist die Ökologisierung des Dienstwagenprivilegs und der Lkw-Maut, der Kampf gegen den Tanktourismus sowie das Dieselprivileg. Hierzu ist bislang wenig zu sehen.

EAG VOR INKRAFTTRETEN

Lang erwartet und nunmehr im Ministerrat beschlossen: das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Dieses Gesetz soll das Ziel 100 % Ökostrom bis 2030 ermöglichen. Die Branche der erneuerbaren Energien wartet schon sehnsüchtig auf eine Neuregelung und vor allem auf eine Perspektive, die eine Planungssicherheit ermöglicht. Gilt es doch, einen Ausbau von 27 TWh auf die Beine zu stellen. Die PV-Branche erwartet eine „solare Revolution“, denn sie soll um 11 TWh wachsen. Entsprechend groß sind die Erwartungen aller Erneuerbare-Energie-Produzenten. Der Gesetzesentwurf muss jetzt den parlamentarischen Prozess durchlaufen und mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Dies kann frühestens im Juni geschehen. Laut Branchenvertretern enthält der Entwurf noch zahlreiche Stolpersteine, die beseitigt werden müssen. Erst dann könne man von einem großen Wurf sprechen. Mit dem vorliegenden Entwurf können die Ausbauziele bis 2030 nicht erreicht werden. Auch wenn das EAG beschlossen wird, bleibt es spannend, wie die Maßnahmen in den entsprechenden Verordnungen umgesetzt werden.

RAUS AUS ÖL UND GAS

Das heißeste Eisen im Wärmesektor ist im Augenblick die Gaswirtschaft, die sich den Beschluss eines umfassenden Gas-Gesetzespakets gemeinsam mit dem EAG gewünscht hätte. Im EAG sind nur die Regelungen für die Förderung von Grünem Gas und für Wasserstoff für die Stromproduktion vorgesehen. Es spießt sich am Thema Ausbaustopp der Gasnetze und Verbot von Gasanschlüssen ab 2025 in Neubauten, das im Regierungsprogramm vereinbart wurde.
Bis 2030 soll die Produktion Grüner Gase auf 5 TWh/J ausgebaut werden – so das Regierungsprogramm. Aber auch wenn es gelingt, sämtliche technischen Potenziale der Grünen-Gas-Produktion zu mobilisieren, wird es nicht annähernd reichen, den aktuellen Gasverbrauch durch heimische erneuerbare Gase zu ersetzen. Um den Gassektor fossilfrei zu machen, muss der Verbrauch gesenkt werden und das verbliebene wertvolle Grüne Gas dort eingesetzt werden, wo es gebraucht wird – wie beispielsweise in KWK-Anlagen, Industrie und Verkehr.
Einen großen Pluspunkt hat sich die Regierung durch die Fortsetzung des „Raus aus Öl und Gas“-Bonus“ und des „Sanierungsschecks“ geholt. Hierzu wird für zwei Jahre ein Rekordbudget von 650 Mio. Euro bereitgestellt. Die Förderung für solare Großanlagen wurde ebenfalls fortgeführt.
Ein weiterer Meilenstein in der Biomasse-Branche ist die Errichtung eines Reallabors für die Erzeugung von Holzdiesel aus den Mitteln des Waldfonds aus dem Ressort von Ministerin Elisabeth Köstinger.
Ein Stiefkind der Regierung ist die Sanierung. Trotz Aufstockung der Fördermittel konnte bislang die Sanierungsquote nicht deutlich gehoben werden. Ohne die Sanierung des Hausbestandes ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt.
Lang erwartet wird auch eine Wärmestrategie, wo „Pfade und Möglichkeiten der vollständigen Wärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger“ aufgezeigt werden. Für heuer wurde auch ein Verbot des Einbaus von Ölheizungen im Bestand angekündigt.
Mehr Engagement ist auch im Bereich der Geothermie nötig. Beispielsweise fehlt eine Regelung für das Einspeisen in Fernwärmenetze.

SCHLEPPENDE UMSETZUNG

Die Bundesregierung konnte im Jahr der COVID-19-Pandemie das größte Klimaschutzbudget verabschieden, das Österreich je gesehen hat. Die Umsetzung des eigenen Regierungsübereinkommens läuft aber schleppend. Zu guter Letzt müssen auch noch die Bundesländer ins Boot geholt werden, denn diese müssen viele Ziele umsetzen. Hier gibt es definitiv noch Aufholbedarf.