
(PA_Steirischer_Landtag) – Im Grazer Landhaus stand dieser Mittwoch ganz im Zeichen der Energiezukunft: Auf Beschluss des Landtages Steiermark fand am 3. Dezember 2025 eine umfassende Energie-Enquete statt. Ein ganztägiges, dichtes Programm mit Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft, Industrie und Energiewirtschaft beleuchtete im Sitzungssaal des Landtages die zentralen Herausforderungen und Chancen der Energiewende sowie Ideen und Lösungsansätze einer nachhaltigen, sicheren und leistbaren Energieversorgung.
Zur Enquete eingeladen wurde durch Landtagspräsident Gerald Deutschmann, welcher die Bedeutung eines gemeinsamen, sachorientierten Vorgehens betonte: „Mit der heutigen Enquete schaffen wir eine Grundlage für spätere notwendige Entscheidungen. Wir brauchen eine gemeinsame Wissensbasis, technologieoffene Diskussionen und den Mut, neue Wege zu denken. Die Steiermark hat das große Glück, auf unzählige innovative Köpfe, exzellente Forschungseinrichtungen und wirtschaftliche Vorreiter zurückgreifen zu können – wir müssen dieses Potenzial nutzen, um eine sichere, nachhaltige und leistbare Energiezukunft zu gestalten. Besonders freut mich konstruktive Mitwirken und Miteinander aller Parteien im Landtag, die damit zeigen, dass dieses Thema über Parteigrenzen hinweg ernst genommen wird.“, so der Landtagspräsident.
Expertenaufgebot im Grazer Landhaus
Die Enquete brachte renommierte Vertreterinnen und Vertreter sämtlicher energierelevanter Bereiche zusammen – von der strategischen Energieplanung über Forschung und Industrie bis zu Netzbetreibern, Energiegemeinschaften und Innovationslaboren. Mit über 30 Experten aus Wissenschaft, Industrie, Energiewirtschaft und Forschung wurde der Landtag Steiermark zu einem der bedeutendsten energiepolitischen Diskussionsräume des Jahres.
Den Expertenauftakt machte Karl Rose (KFU Graz): „Die Energiewende gelingt nur, wenn wir Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit konsequent in Einklang bringen. Dafür braucht es einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien, ertüchtigte Stromnetze, klare Rahmenbedingungen für Investitionen und eine wirksame Beschleunigung von Verfahren der Raumordnung. Gleichzeitig müssen wir Haushalte und Unternehmen beim Übergang, wo irgend möglich, entlasten und Innovationen fördern, von Speicherlösungen bis zum Einsatz von Wasserstoff und grüner Industrie. Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam handeln, wird die Energiewende zu einem Erfolgsprojekt für die Steiermark und ihre Bewohner.“, betonte der Universitätsprofessor.
Neben der Forschung an den Universitäten spielen auch die steirischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wie die COMET-Zentren (Competence Centers for Excellent Technologies) eine wesentliche Rolle in der Energiewirtschaft. Das bekräftigte auch Walter Haslinger, Geschäftsführer der BEST GmbH (Bioenergy and Sustainable Technologies) „Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des steirischen Innovationssystems und unterstützen die Entwicklung von skalierbaren technischen Lösungen, die einen maßgeblichen Beitrag für das Erreichen ehrgeiziger energie- und klimapolitischer Ziele leisten und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der steirischen Wirtschaft sichern und die steirischen Haushalte entlasten. Dafür braucht es maßgeschneiderte Lösungen für Industrie, Verkehr und Haushalte, die die Stärken einzelner Technologien, sowie die Synergien zwischen verschiedenen Technologien bestmöglich nutzen. Und es braucht alle Energieträger, Energiebereitstellungs- und Energiespeichertechnologien, um erfolgreich sein zu können. Viele Lösungen, die diese Anforderungen erfüllen, existieren bereits. Für manche Anforderungen braucht es noch gemeinsame Anstrengungen von Forschung und Industrie.“, so Haslinger.
Statements aus den Landtagsklubs:
In der abschließenden Debatte der Enquete kamen die Fraktionssprecherinnen und -sprecher aller im Landtag vertretenen Parteien zu Wort. Die Klubs unterstrichen dabei den hohen Stellenwert der Energiewende für die wirtschaftliche Entwicklung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die ökologische Verantwortung des Landes.
„Die Energiewende schaffen wir, indem wir ökologische Verantwortung mit sozialer Sicherheit verknüpfen. Wir brauchen Energie, die nicht nur grün ist, sondern auch für alle Menschen in der Steiermark verfügbar und leistbar. Wenn wir Schritt für Schritt von fossilen Energien wegkommen wollen, müssen wir dabei auf Dinge setzen, die heute schon gut funktionieren: Erneuerbare Energie, leistungsfähige Speicher, solide Netze und wichtige regionale Initiativen. Die Enquete hat dafür wichtige Impulse gegeben, um gemeinsam an diesem Ziel zu arbeiten“, betonte KPÖ-Landtagsabgeordneter Alexander Melinz.
„Die Energiewende ist ein Gesamtumbau unseres Systems und gleichzeitig eine große Chance für Standort und Wohlstand – aber nur, wenn Energie für Haushalte und Betriebe leistbar bleibt. Wir müssen Verfahren beschleunigen, erneuerbare Projekte rasch ermöglichen und Netze ausbauen, damit saubere, günstige Energie auch ankommt. Mit technologieoffenen Entscheidungen, starken Rahmenbedingungen und einem offenen europäischen Strommarkt kann die Steiermark zur Vorreiterin werden – mit mehr Wertschöpfung, Innovation und sicheren Arbeitsplätzen.“, so NEOS-Energiesprecher Robert Reif.
Klubobfrau Sandra Krautwaschl (GRÜNE): „Die heutige Energie-Enquete hat gezeigt: Die Energiewende ist eine große Chance – für saubere, leistbare Energie und für mehr Unabhängigkeit. Wirtschaft und Gesellschaft gehen vorbildlich voran, erwarten aber dringend die notwendigen politischen Entscheidungen der Landesregierung. Es ist höchste Zeit, den Turbo für erneuerbare Energien zu zünden, um echte Energiesicherheit und leistbare Energie für alle Steirerinnen und Steirer sicherzustellen.“
Landtagsabgeordneter Jochen Bocksruker (SPÖ): „Es muss uns allen klar sein, welch enorme Bedeutung erneuerbare Energie für den Wirtschafts- und Industriestandort in der Steiermark und damit auch für den Wohlstand in unserem Land hat. Wir brauchen daher ein planerisch-strategisches Vorgehen und eine aktive Energiepolitik. Das Land Steiermark hat dafür Steuerungsmöglichkeiten in der Landesgesetzgebung, in der Planung und in der Standortpolitik und zudem mit der Energie Steiermark die Möglichkeiten, jene aktive Energiepolitik zu betreiben, die unsere Wirtschaft, unsere Industrie und die Menschen in der Steiermark brauchen – mit einem Steiermark-Tarif und einem Steiermark-Fonds, finanziert mit der Gewinnausschüttung. Diese Möglichkeiten gilt es auch in Taten umzusetzen, weshalb beispielsweise die Energie Steiermark auch zu 100 Prozent im Eigentum des Landes bleiben muss.“
„Seit vielen Jahren hat es im Steiermärkischen Landtag keine Enquete mehr gegeben. Dass wir dieses Format nun dem Thema Energie widmen, zeigt die enorme Bedeutung und Dringlichkeit, nachhaltige und zukunftstaugliche Lösungen zu entwickeln“, so derVorsitzende des Energieausschusses Franz Fartek (ÖVP)und sagt weiter: „Unser Ziel ist klar: Wir wollen die zentralen Fragen der Energiezukunft nicht nur diskutieren, sondern auch über Parteigrenzen hinweg abstimmen und praktikable Schritte finden. Nur wenn wir Expertise bündeln und dieses Wissen in die Bezirke und Regionen der Steiermark tragen, gelingt es uns, die Energiewende verantwortungsvoll, realistisch und im Sinne der Steirerinnen und Steirer zu gestalten.“
Landtagsabgeordneter Willibald Spörk (FPÖ): Die heutige Enquete hat deutlich gemacht, wie entscheidend ein starker Netzausbau und leistungsfähige Speicher für die Energiezukunft der Steiermark sind. Der Boom privater PV-Anlagen wurde nicht von einem ausreichenden Netzausbau begleitet – das müssen wir dringend korrigieren. Künftig braucht es stärker auf Eigenversorgung ausgelegte Lösungen, damit unser Energiesystem stabil bleibt. Wenn wir jetzt gemeinsam handeln und entschlossen vorangehen, kann die Steiermark eine sichere und – wo möglich – energieautarke Zukunft erreichen.“
Zentrale Themen und Inhalte des Tages
Die Enquete beschäftigte sich mit vier Kernthemen, die im Rahmen von Impulsen, Projektpräsentationen und späteren Arbeitsgruppen, geleitet von hochrangigen Abteilungsleitern des Landes Steiermark, vertieft wurden.
Am Nachmittag wurden diese Themen in vier parallelen Arbeitsgruppen weiter vertieft. Die Ergebnisse wurden im Plenum präsentiert und sollen in die weitere energiepolitische Entscheidungsfindung des Landtages einfließen.
Status, Ziele und Wege der Energiestrategie
Die Steiermark steht vor der doppelten Herausforderung, wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu setzen und gleichzeitig eine sichere, leistbare und wettbewerbsfähige Energieversorgung für Bevölkerung und Wirtschaft zu gewährleisten. Die Klima- und Energiestrategie KESS 2030+ definiert dafür zentrale Zielsetzungen – von der Reduktion der Treibhausgasemissionen über den Ausbau erneuerbarer Energieträger bis hin zur Stärkung von Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und Resilienz. Trotz bereits erreichter Fortschritte, etwa beim steigenden Anteil erneuerbarer Energien und der Reduktion fossiler Verbräuche, machen ein langfristig wachsender Energiebedarf und geopolitische Unsicherheiten weitere strukturierte Maßnahmen erforderlich. Um die Klima- und Energieziele konsequent zu verfolgen und zugleich den Wirtschaftsstandort zu stärken, wurden im Rahmen der Enquete Energie folgende Schwerpunkte identifiziert:
Maßnahmenvorschläge:
- Verlässliches, investitionsfreundliches Regelungsumfeld schaffen und Verfahren beschleunigen
- Berichtspflichten bündeln und Bürokratie reduzieren
- Raumordnung gezielt zur Umsetzung energiepolitischer Ziele einsetzen
- Klare, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Wasserstoff schaffen
- Leitungs- und Speicherinfrastruktur ausbauen, insbesondere netzdienliche Großspeicher
- Erneuerbare Energien – v. a. Windkraft – mit verpflichtendem Speicherausbau weiter vorantreiben
- Nachhaltige Nutzung der regionalen biogenen Ressourcen
- Konsequente Weiterverfolgung des Ausstiegs aus fossilen Energieträgern
- Lastmanagement (Peak Shaving) zur Entlastung der Netze fördern
- Nachhaltige Finanzierung des Netzausbaus und Entwicklung smarter Tarifmodelle sicherstellen
- Energiebedarf durch Effizienzmaßnahmen senken
- Wärmeversorgung, Mobilität und Gebäudebestand konsequent dekarbonisieren
Ausbau erneuerbarer Energiequellen
Solar- und Windkraft, Wasserkraft, Biomasse und weitere regionale Potenziale bilden die Basis für eine sichere, leistbare und klimaneutrale Energieversorgung. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf durch Elektrifizierung, Digitalisierung und industrielle Transformation deutlich an.
Maßnahmenvorschläge:
- Bereitstellung räumlich und zeitlich differenzierter Daten zu regionalen Energiebedarfen und Großverbrauchern
- Sicherung geeigneter Flächen und Standorte für Wind- und Solarenergie mittels Vorrang- und Eignungszonen
- Weiterentwicklung der bestehenden Planungsinstrumente (SAPRO Wind, SAPRO Solar) inkl. Evaluierung und Novellierung
- Verbesserung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, inklusive klarer rechtlicher Rahmenbedingungen
- Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Netzinfrastruktur und Speichertechnologien in Verbindung mit dem Erneuerbaren-Ausbau
- Bewusstseinsbildung bei der Bevölkerung
Investitionen in Netzausbau – Strom, Wasserstoff und Wärme
Leistungsfähige, effiziente und sichere Strom- und Wärmenetze sowie multifunktionale Gasnetze gelten als zentrale Elemente für die zukünftige Entwicklung des Energiesektors in der
Steiermark. Auch eine weiter zunehmende Digitalisierung der Systemführung sowie eine sektorübergreifende, flexible Betriebsführung dezentraler Energiesysteme spielen dabei eine wichtige Rolle.
Die Leistbarkeit und Verfügbarkeit von Energie sind für die heimische Wirtschaft und die Haushalte wichtig bzw. existenzielle Standortfaktoren. Vor diesem Hintergrund kommt dem Ausbau und der Stärkung moderner Energienetze eine bedeutende Funktion für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Bundeslandes zu.
Maßnahmenvorschläge:
- Anreize für netzdienliches Verhalten der Verbraucher und Einspeiser vor allem durch die Etablierung flexibler und leistungsorientierter Netztarife
- Unterstützung der Errichtung von Speicheroptionen, wie Batteriespeicher, Pumpspeicher, H2-Elektrolyse und spitzenlastfähige H2-Rückverstromung
- Unterstützung einer Wasserstoff-Importstrategie zur Sicherstellung der Anbindung an internationale H2-Importrouten
- Ausbau- und Dekarbonisierungsstrategien für Wärmenetze mit verpflichtenden CO2Reduktionspfaden für Wärmenetze erstellen
- Forcierung eines steiermarkweiten Heat-Highways zur Verbindung der industriellen Abwärmepotentiale mit den großen Verbrauchsregionen
Forschungsland Steiermark
Die Steiermark baut in Bezug auf die Energiewende maßgeblich auf der Stärke des Forschungs, Innovations- und Bildungsstandortes auf. Exzellente Grundlagen- und angewandte Forschung, eine ausgeprägte Kooperationskultur sowie die schnelle Umsetzung neuer Technologien schaffen wesentliche Voraussetzungen für Klimaneutralität, Wertschöpfung und internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Maßnahmenvorschläge:
- Ausbau von Ausbildungs- und Weiterbildungsstrukturen zur langfristigen Sicherung qualifizierter Fachkräfte
- Erstellung eines Masterplans „Leuchtturm Energieforschung“ zur systematischen Stärkefeldanalyse und Identifikation wirksamer Triggerpunkte
- Sichtbarmachung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rendite von Forschung im Bereich grüne Technologien
- Etablierung einer Modellregion für KI-gestützten Netzausbau zur Nutzung intelligenter Prognose- und Steuerungssysteme
- Verstetigung und Bündelung bestehender Kooperationen zwischen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrie
- Ansiedlung eines außeruniversitären Grundlagenforschungszentrums unter Nutzung nationaler und europäischer Förderprogramme
- Verknüpfung von Dekarbonisierung und digitaler Transformation („Twin Transition“) sowie Stärkung der Rolle der Steiermark als GreenTech-Technologieanbieter

