Verbände der erneuerbaren Energien ziehen Bilanz

11.04.2024

(AFU_Leitartikel der Printausgabe 127) – Am 7. Jänner 2020 wurden erstmals in der Geschichte Österreichs MinisterInnen der Grünen Partei angelobt. Seitdem regieren sie gemeinsam mit ihren ÖVP-Kollegen und Kolleginnen das Land. Die Erwartungen der Klimabewegung und auch der Branche für erneuerbare Energien waren sehr hoch, galt doch das Motto „Wir machen Österreich klimaneutral: Sonne statt Öl und Gas, Schiene statt Straße.“ Vieles wurde von beiden Regierungsparteien erreicht, noch mehr hätte getan werden müssen, ergibt eine Umfrage unter den VerbandsvertreterInnen für erneuerbare Energien.

Zeiten der Krise

Leider kann die Regierungsarbeit noch nicht in Zahlen gegossen werden. Die letzte Energiebilanz ist aus dem Jahr 2022. Hinzu kommt die Corona-Krise (2020), die zu einem Energie-Verbrauchseinbruch führte, genauso wie bei der Ukraine-Krise (2022). Milde Winter und trockene Sommer führten auch zu ungewöhnlichen „Energiejahren“. Anteilsänderungen sind in den Statistiken kaum bemerkbar: Österreich dümpelt beim Bruttoinlandsverbrauch seit Jahren bei einem Anteil Erneuerbarer rund um die 30%-Marke. Die Treibhausgas-Emissionen sind laut Berechnungen des Umweltbundesamtes in den vergangenen beiden Jahren um jeweils 6 % gesunken. Jedoch wird dieser Trend ohne zusätzliche Maßnahmen nicht fortgesetzt werden können.

Historisches Budget

Was in Zahlen gegossen werden kann, ist aber das historische Budget für Erneuerbare und die Sanierung von 3 Mrd. Euro. Das Geld fließt unter anderem im Rahmen der MarktprämienAusschüttung in den Stromsektor sowie ins Aussetzen der Umsatzsteuer für PV-Anlagen bis 35 kWp. Auch ein Rekordbudget für den Anlagentausch im Rahmen der „Raus aus Öl und Gas“-Kampagne wurde bereitgestellt. Eine maximale Förderung von 75% der Kosten ist beim Heizungstausch nunmehr möglich. Die budgetären Maßnahmen haben aber auch einen negativen Nebeneffekt: Der Energiemarkt ist durch die politisch wechselnden Rahmenbedingungen weiterhin sehr großen Fluktuationen und fehlender Investitionssicherheit ausgesetzt. Am Beispiel Heizungstausch lässt sich dies am einfachsten illustrieren. Nach einem Rekordzubau bei alternativen Heizkesseln im Jahre 2022 brach der Markt 2023 wieder ein (s. Beiträge S. 8). Mit der neuen Förderung können sich die Anlagenhersteller der Anfragen heuer nicht erwehren, und es steht die Frage im Raum, wie lange diese Rahmenbedingungen bleiben werden.

CO2-Abgabe samt Klimabonus

Als historischer Schritt ist die Einführung der CO 2 -Bepreisung zu bezeichnen, die im Oktober 2022 eingeführt wurde. Was 2022 bei 30 Euro pro Tonne begann, soll jährlich bis auf 55 Euro pro Tonne im Jahr 2025 ansteigen. Durch die gleichzeitige Einführung des Klimabonus als Kostenabfederung konnten die Ängste der Bevölkerung vor der CO2 -Abgabe gemildert und ein gewisser sozialer Ausgleich geschaffen werden. Ein großer Erfolg der Regierungsarbeit ist auch das Klimaticket, das dem Besitzer bzw. der Besitzerin erlaubt, österreichweit alle öffentlichen Verkehrsmittel ein Jahr lang zu nutzen. Die Öffi-Karte entwickelte sich zu einem Verkaufsschlager, der 2022 über 200.000-mal verkauft wurde.

Harmonie fehlt

Ein uneingeschränktes Bekenntnis der Regierung (samt der Opposition) zur heimischen Energieerzeugung in allen Sektoren und für alle Technologien wird in der Erneuerbaren-Szene weiterhin vermisst. Es fehlt beim Thema Klimaschutz und Energiewende an der notwendigen Verschränkung der Ziele und Aktivitäten auf allen politischen Ebenen – insbesondere zwischen dem Bund und den Ländern, aber auch zwischen dem Bund und der EU. Nirgendwo zeigt sich die Problematik besser als bei der immens wichtigen, aber fehlenden KlimaschutzgesetzNovelle. Hierzu müsste man sich zum Beispiel über die Emissionshöchstmengen einigen – und zwar nicht nur zur Verankerung von EU-Zielen, sondern auch über die konkreten Beiträge der einzelnen Bundesländer. Bislang war dies ein hoffnungsloses Unterfangen – eine Einigung ist in weiter Ferne. Ebenso in den Fesseln des Föderalismus hängt die mangelnde Flächenausweisung für die Umsetzung der nationalen Energiewendeziele in den Bundesländern fest. Ein weiteres Fiasko vollzieht sich beim Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP), wo ein Entwurf von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler an die EU-Kommission geschickt aber vom Koalitionspartner einseitig zurückgezogen wurde. Hinzu kommt, dass der NEKP-Entwurf eine große „Ziellücke“ aufweist.

Damoklesschwert EU

Der EU-Gesetzgebungsprozess schwebt wie ein Damoklesschwert über der Bundesregierung, die den Zielsetzungen und den nötigen Gesetzesnovellen (oft jahrelang) nachhinkt. Hierzu sind als Beispiele die Energieeffizienz- und Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) zu nennen. Erstere wurde im Rahmen einer Novelle des Energieeffizienzgesetzes voriges Jahr mit fast drei Jahren Verspätung umgesetzt. Zuerst wurde der Antrag von der Opposition abgelehnt und dann ein deutlich „reduziertes“ Gesetz umgesetzt, um den drohenden EU-Strafzahlungen zu entgehen.

Während bereits im Vorjahr die RED III von der EU verabschiedet wurde, ringt man in Österreich mit der Umsetzung der RED II. Diese führt insbesondere in der Bioenergie-Branche zu Unmut, denn mit Jahresende hätten alle Bioenergie-Anlagen mit einer Leistung von über 20 MW eine unabhängige Zertifizierung ihrer Rohstoffe kurzfristig nachweisen müssen.

Die RED III bringt ganz nach dem Motto „Viel mehr und viel schneller!“ frischen Wind in die Energiewende. Allein die Timeline der einzuführenden RED III-Maßnahmen (siehe Grafik) zeigt das nötige Tempo für diese, aber auch die nächste Regierung auf. Dabei geht es nur um eine Richtlinie von vielen – exemplarisch sei noch die wichtige Gebäuderichtlinie genannt.

Erdgas-Importabhängigkeit

Ein weiterer wunder Punkt ist die Abhängigkeit von russischen Gasimporten. Trotz Maßnahmen seitens der Regierung lag der Anteil an russischem Erdgas im Dezember 2023 bei 98 %. Abhilfe schaffen sollte unter anderem das lange versprochene Erneuerbaren-Gas-Gesetz (EGG). Eine Einigung in der Regierung ist vorhanden, jedoch fehlt weiterhin eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Genehmigungen beschleunigen

Unerlässlich für einen raschen Ausbau der erneuerbaren Energie ist die Verkürzung der Genehmigungsdauer der eingereichten Projekte. Aufgrund des schleppenden Ausbaus und der Energiekrise verabschiedete die EU eine Notfall-Verordnung, die grundsätzlich in der gesamten EU gilt. Dabei wird den Erneuerbaren ein überragendes öffentliches Interesse beigemessen. In der Praxis blieb die Verordnung eher unbeachtet. Auf Bundesebene wollte man mit der Einführung des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetzes auf die Situation reagieren. Die Umsetzung lässt aber auf sich warten. Im Rahmen der Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetzes wurden hingegen Verbesserungen diesbezüglich durchgesetzt.

EAG als Meilenstein

Jahrelang wurde über die Ökostromgesetz-Nachfolge diskutiert. Die TürkisGrüne-Regierung hat das ErneuerbarenAusbau-Gesetz in die Tat umgesetzt. Damit wurde auch das Markt-Prämiensystem samt Ausschreibung eingeführt. Die Umsetzung gestaltete sich bei den einzelnen Technologien jedoch recht unterschiedlich. Einen entscheidenden Faktor spielt hierbei die Marktprämien-Verordnung, wo die Einbindung der Stakeholder von der Branche als besonders wichtig empfunden wird. Vor allem die Holzkraftbranche sieht hier Verbesserungsbedarf – bei der Einbindung und bei der Verordnung selbst. Zuletzt wurden trotz hoher Inflation bei der rohstoffabhängigen Branche die Vergütungen gekürzt.

Auf das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) warten die Erneuerbaren ebenfalls sehnsüchtig und hoffen noch auf einen Beschluss dieser Regierung. Ein Stiefkind jeder Regierung ist der Netzausbau gewesen, der erneuerbaren-konform gestaltet werden müsste.

Der Integrierte Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) sollte Abhilfe schaffen. Doch die Transformation der Infrastruktur und die Ertüchtigung der Netze braucht noch mehr. Große Investitionssummen sind zu stemmen und dann verträglich umzuwälzen. Dazu wäre ein Netzinfrastrukturfonds sehr hilfreich.

Für riesigen Unmut sorgte in der Erneuerbaren-Branche die Einführung des „Energiekrisenbeitrags Strom“ vulgo „Übergewinnsteuer“. Nicht weil man keinen Beitrag in schwierigen Energiezeiten leisten wollten, sondern vielmehr, wegen großer Ungleichbehandlungen zu Ungunsten der heimischen, kleinen Erneuerbaren-Betreiber.

Abgespecktes EWG

Im Wärmesektor wird die Einführung des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes als das wichtigste Ereignis der Regierungszeit gewertet. Auch auf dieses Gesetz musste die Branche lange warten und war zuversichtlich, dass ein großer Wurf bevorstand – betrachtete man den Gesetzesentwurf. Darin war die Rede von einer stufenweisen Stilllegung von (zuerst sehr alten) Ölkesselanlagen. Auch beim Erdgas wollte man Deadlines setzen, geblieben ist ein Installationsverbot im Neubau. Im Gegenzug wurden aber die Förderungen für den Kesseltausch mit der Aktion „Raus aus Öl und Gas“ deutlich erhöht. Auch für einkommensschwache Haushalte (1. und 2. Einkommensdezile) wurde die Sonderförderaktion „Sauber Heizen für Alle“ (für Private) eingeführt, womit 100% der Kosten übernommen werden können.

Eine wichtige Forderung der Pelletsbranche fehlt noch: die Bevorratungspflicht. Dadurch soll auch in turbulenten Zeiten Kontinuität am Pelletsmarkt ermöglicht werden.