Kommentar; #122/2022, S. 1

19.07.2022

Der Begriff der Umfassenden Landesverteidigung, an den an dieser Stelle vor drei Monaten erinnert wurde, hat inzwischen eine erstaunliche Karriere gemacht: Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, für den militärischen Teil zuständig, führt die ULV ständig im Mund. Das ist gut, aber eben nicht ausreichend. ULV bedeutet ja, dass sich alle in der Regierung für die Verteidigung unseres Landes zu engagieren haben. Besondere Zuständigkeiten gibt es im Bereich der zivilen, der wirtschaftlichen und der geistigen Landesverteidigung. Die Verteidigungsministerin macht sich immerhin daran, die Defizite im Bereich der militärischen Landesverteidigung zu beseitigen. Aber in den anderen Ressorts ist man sich offenbar noch nicht der Tatsache bewusst, dass das, was wir gerade erleben, eben genau zu den Szenarien gehört, die bei der Etablierung der ULV vor mehr als vier Jahrzehnten bereits als mögliche Bedrohung der österreichischen Sicherheit erkannt worden sind. Die Regierungen seit damals haben das aber ausgeblendet – die Versäumnisse liegen nicht nur im Militärischen. Nun kann man sagen, dass es anderen europäischen Staaten nicht viel besser geht: Die Deutschen kiefeln ja ähnlich wie die Österreicher an den Versäumnissen. Und sie haben für die aktuellen Probleme ähnlich originelle Lösungen wie die heimische Bundesregierung – auch dort erlebt die Kohle eine aus der Not geborene Renaissance. Aber es geht eben nicht nur um energiepolitische Notmaßnahmen – und auch nicht um Schuldzuweisungen. Es geht darum, die Risiken im Hinterkopf zu behalten und eine über die aktuelle Krise hinausreichende Umfassende Landesverteidigung für die nächsten Jahrzehnte wieder aufzubauen. Dass in dieser nationalen Strategie Ökoenergie eine Schlüsselrolle spielen muss, hat übrigens auch die Verteidigungsministerin als Erste verstanden und im Bundesheer umzusetzen begonnen.