Regierung(sprogramm) im Erneuerbaren-Check

Energiekosten treiben Inflation Weiter Nichts tun. Reden.

Viel Positives und Erschreckendes

14.04.2025

(ÖKO_130) – Das neue Regierungsprogramm hält an den Energie- und Klimazielen fest – samt dutzenden Vorhaben, die Energie- wende fortzusetzen. Diese müssen noch in konkrete, praxistaugliche und zielführende Gesetze gegossen werden. Aber die ersten gesetzten Maßnahmen zielen nicht in diese Richtung.

Die neue Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat ein Regierungsprogramm vorgelegt, das sich daran messen lassen muss, ob es die Energietransformation hin zu einer (preis)stabilen, leistbaren unabhängigen und klimaneutralen Energieversorgung für Österreich zum Erfolg führt. Auf über 200 Seiten werden die angestrebten Maßnahmen der Dreierkoalition unter dem Titel „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich.“ festgehalten. Alles in allem finden sich aus Sicht der Branche für erneuerbare Energien im Regierungsprogramm viele positive Aspekte. Die Erneuerbaren-Branche begrüßt die Bekräftigung des Klimaziels für 2040 und die geplanten Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende. Allerdings sind noch viele Fragen zu beantworten, insbesondere im Bereich der Netzausbaufinanzierung, der Wärmewende und der konkreten Umsetzung von Maßnahmen in den einzelnen Sektoren.

Die ersten Aktionen, die praktisch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in den ersten Wochen durchgeführt worden sind, haben die Branche schwer erschüttert. Es handelt sich unter anderem um die Erlösabschöpfung durch die Verlängerung des Energiekrisenbeitrages-Strom, Wegfall der PV-Mehrwertsteuerbefreiung, Einführung der motorbezogenen Versicherungssteuer für E-Autos, bislang keine Förderungen für E-Mobilität und Kesseltausch sowie die Streichung des Klimabonus.

Drei Leuchtturm-Gesetze

Im Energiebereich werden prominent drei für die Branche wesentliche „Leuchtturm-Gesetze“ im Regierungsprogramm angesprochen, die bis Sommer 2025 prioritär umgesetzt werden sollen. Eines davon ist das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG). Dieses soll als Turbo für die Energiewende eine beschleunigte Genehmigung für Energiewendeprojekte und Energieinfrastrukturen ermöglichen. Das EABG soll europarechtliche Vorgaben der Erneuerbaren-Energien- Richtlinie (RED III) umsetzen und sogenannte „Go-to“-Gebiete (auch Beschleunigungsgebiete genannt) mit vereinfachten Regelungen für den beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien ausweisen. Dies muss laut der RED III bis Februar 2026 für „eine oder mehrere Arten der erneuerbaren Energieerzeugung“ umgesetzt werden. Verfahrenskonzentrationen („One-Stop-Shops“), erhöhte Verfahrenseffizienz und Vereinheitlichung von Kriterien sowie Schwellenwerten für die Freistellung bzw. die Art des erforderlichen Genehmigungsverfahrens sollen künftige Genehmigungsverfahren für Projektwerber vereinfachen. Außerdem soll das „überragende öffentliche Interesse“ für Energiewendevorhaben bei Interessenabwägungen in Genehmigungsverfahren gesetzlich verankert werden – kein hohes, sondern überragendes Interesse!

Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) soll der Rechtsrahmen für den Strommarkt wesentlich modernisiert werden. Ziel ist die Schaffung eines zukunftsorientierten, digitalen, kosteneffizienten und nachhaltigen Stromsystems, das leistbare und wettbewerbsfähige Energiepreise gewährleistet.

Von besonderer Relevanz für die Grüngasbranche ist das Erneuerbares-Gas-Gesetz (EGG), oft auch als „Grüngasgesetz“ bezeichnet. Dieses soll den Rahmen für Anlagen, die Biomethan in das heimische öffentliche Gasnetz einspeisen möchten, vorgeben. Im Regierungsprogramm wird festgehalten, dass die Ausgestaltung als Marktprämienmodell analog zu bestehenden Regelungen im Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz (EAG) erfolgen soll. Als Zielwert werden 6,5 TWh erneuerbare Gase (Biomethan, erneuerbarer Wasserstoff, synthetische Gase auf Basis von erneuerbarem Wasserstoff) pro Jahr bis zum Jahr 2030 festgelegt.

Weiters soll darauf geachtet werden, dass die Umsetzung der Vorgaben der RED III hinsichtlich Nachhaltigkeit und Treibhausgaseinsparung praxistauglich erfolgt, zudem sollen Ressourcenkonflikte vermieden werden.

Mit dem EGG eng verbunden ist die angekündigte Novelle des EAG. Die Regierung möchte dadurch die Fördereffizienz steigern und Systemverantwortlichkeit stärken. Außerdem soll das bestehende Marktprämienmodell in Hinblick auf sogenannte „Contracts for Difference“ evaluiert werden, wodurch Stromproduzenten künftig zwar weiterhin durch eine finanzielle Absicherung bei niedrigen Strommarktpreisen profitieren, bei Strommarktpreisen ab einer bestimmten Höhe aber auch einen Teil ihrer Erlöse zurückzahlen müssen. Weitere im Regierungsprogramm angesprochene Punkte sind die rasche Umsetzung aller fehlenden EAG-Verordnungen, die Stärkung europäischer Wertschöpfung und die Umsetzung ökosozialer Kriterien.

BECCS-Vorreiterregion

Das Thema Kohlenstoffmanagement ist bereits letzten Sommer mit der Carbon-Management-Strategie ins Rollen gekommen. Begrüßenswert ist die Aufnahme von „Bioenergy Carbon Capture and Storage“ (BECCS). Die Regierung sieht in BECCS eine wichtige Maßnahme, um durch Negativemissionen einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und möchte dafür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Österreich in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen kann. Ferner soll im Bioenergie-Bereich die Fernwärme weiter ausgebaut und eine Kraftwerkstrategie erarbeitet werden, wobei gleichzeitig Gasnetz-Stilllegungsgebiete und Stilllegungspläne in Abstimmung mit lokaler Wärmeplanung erarbeitet werden sollen. Es ist auch eine Fortführung der Kesseltauschförderung vorgesehen, die aufgrund geleertem Fördertopf vorzeitig im Dezember ausgelaufen ist. Dieser Förderstopp führte aber am Markt zu einem Auftragsstopp für die Kesselhersteller. Die Biomasse-Branche fordert deshalb von der Bundesregierung klare und stabile Rahmenbedingungen für den Heizungstausch mit der Wiederaufnahme der Förderung „noch deutlich vor dem Sommer“.

Leistbare und stabile Energiepreise

Laut Regierungsprogramm soll die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 sowie die geplante 100 %ige Abdeckung des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen beibehalten werden. Ein Punkt dazu ist: „Maßnahmen für leistbare, konkurrenzfähige und stabile Energiepreise für Haushalte sowie Unternehmen wirken konjunkturabsichernd bzw. -stärkend.“ Ihr Wort in Gottes Ohr, denken sich die Erneuerbaren-VertreterInnen, denn der aktuelle Strompreis enthält nur mehr zu 44% den tatsächlichen Energiepreis, der Rest sind Netzkosten (27,5 %) sowie Steuern und Abgaben (29 %).

„Zwar konnte die Einführung einer Stromerzeugungssteuer und die Streichung der Absetzbarkeit für Investitionen in Erneuerbaren-Anlagen verhindert werden. Die nochmals verschärfte Erlösabschöpfung für erneuerbare Erzeugungsanlagen stellt das wirtschaftlich stabile Fundament für den Aufbau einer nachhaltigen, leistbaren, preisstabilen und resilienten Energieversorgung massiv in Frage und forciert nur Stromimporte“, warnt Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich. Bei der Erlösabgabe müssen die Stromproduzenten Überschusserlöse (Einnahmen bei Preisen über 90 Euro pro MWh bei Bestandsanlagen) zu 95 % an das Finanzamt abtreten.

Auch die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer auf PV-Anlagen führte zu großen Unsicherheiten bei Kunden und Kundinnen sowie Monteuren. Zwar kann weiterhin über Fördercalls eine Förderung beantragt werden, aber die PV-Branche geht trotzdem für heuer von einem Markteinbruch von bis zu 40 % aus (siehe Beitrag S. 12 und Grafiken auf der Titelseite).

Dabei hat die PV-Branche gerade die nötigen Ausbauraten erzielt, die für das Ziel bis 2030 nötig wären. Tausende Arbeitsplätze in klein- und mittelständischen Betrieben sind bedroht, sobald die Regelbesteuerung für PV- Anlagen bis 35 kWp wieder eingeführt wird, warnt der Branchenverband Photovoltaic Austria. Der Verband kritisiert, dass diese Maßnahme kaum zur Budgetkonsolidierung beitrage, sondern vielmehr den Wirtschaftsstandort und das Vertrauen in die Politik weiter schwächt.

Invest-VO dringend nötig

Die Strombranche wartet sehnsüchtig auf den unmittelbaren Erlass der Investitionszuschüsse-Verordnung zum Ausbau von Erneuerbaren-Anlagen. Die Investitionsförderung ist neben der Marktprämie das zweite Instrument zur Erreichung von bilanziell 100 % Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030, das insbesondere auf geeignete Investitionsbedingungen für kleinere Anlagen abzielt. Derzeit liegt der Ausbau erneuerbarer Energie insgesamt noch immer nicht auf Zielkurs. „Wir brauchen von der neuen Regierung auf der Stelle die Investitionszuschüsse-Verordnung. Sie ist eines der wichtigsten Instrumente für die gesetzlich vorgesehene Förderung zum Ausbau erneuerbaren Stroms und entscheidende Planungsgrundlage für die Branche und für die Bevölkerung. Ohne die Verordnung hängen Projekte in der Luft, weil keine sinnvolle Finanzierung aufgestellt werden kann“, moniert Prechtl-Grundnig.

Ein Entwurf der Invest-VO liegt bereits seit Mitte Februar auf. Sie legt die Höhe der Fördersätze und die Termine der Fördercalls für ein Jahr fest und muss jedes Jahr aufs Neue erlassen werden. Der im Entwurf enthaltene erste Förderdurchgang betrifft die Wasserkraft sowie Photovoltaik und hätte bereits stattfinden sollen.

Netzausbau forcieren

Der forcierte Netzausbau wird im Regierungsprogramm als dringend notwendig erachtet. Auch die Weiterentwicklung des ÖNIP (Österreichischer Nationaler Infrastrukturplan), insbesondere in Bezug auf eine Speicherstrategie, wird als wesentlicher Baustein für die erfolgreiche Transformation des Energiesystems angesehen. Bezüglich der Finanzierung des Netzausbaus sind im Programm Elemente enthalten, die an den vom EEÖ in Diskussion gebrachten Infrastrukturfonds erinnern, der die Kosten des Ausbaus für NetznutzerInnen dämpfen sollte. Offen bleiben Fragen bezüglich der Neugestaltung der Netzentgelte, die für die Branche eine Herausforderung darstellen könnten.

„Die Erzeuger zahlen bereits einen beachtlichen Anteil an den Netzkosten. Einer angesprochenen Ausweitung der Netzkostenbeteiligung sieht der EEÖ äußerst kritisch entgegen. Es wäre eine weitere Benachteiligung der heimischen Erzeugung gegenüber Stromimporten und ist angesichts des ohnehin bereits bedrohlich eng gesteckten Korsetts der verschärften Erlösabschöpfung schlichtweg nicht leistbar“, so Prechtl-Grundnig.

Förderung von Energiegemeinschaften

Das Regierungsprogramm setzt auch auf eine Stärkung der aktiven Teilnahme von Haushalten und Unternehmen am Energiemarkt, etwa durch Energiegemeinschaften. Deren Gründung und der Betrieb sollen künftig noch einfacher gestaltet werden.

Erneuerbaren-Branche gesprächsbereit

Auch die Rückkehr zu einem Klimaschutzgesetz wird als ein positiver Schritt gewertet, wenngleich dieses keine verbindlichen Sektorziele enthalten soll, aber indikative Ziele vorsieht. Besonders hervorzuheben ist die geplante Einbindung der Länder in einen Klimafahrplan als wertvolle Grundlage für eine kooperative und koordinierte Umsetzung der Klimaziele. Die Einbindung der Länder in die Zielverpflichtungen für die EU bleibt ein zentraler Punkt, der noch genauer ausgestaltet werden muss.

„Die neue Regierung muss ihre Vorhaben zeitnah konkretisieren, um Unternehmen und Investoren die notwendige Sicherheit und Planbarkeit auf dem Weg zu einer sicheren, leistbaren und klimaneutralen Energieversorgung zu bieten“, so Prechtl-Grundnig. Für eine tiefergehende Bewertung der konkreten Maßnahmen müssen aber noch die entsprechenden Gesetzesvorschläge abgewartet werden, die Erneuerbaren-Branche ist gesprächsbereit.