Kommentar; Ausgabe 117/2020, S. 2

04.12.2020

Rund 74 Millionen US-Amerikaner wählten im November 2020 Donald Trump. Die Merkmale der typischen Trump-Wähler: männlich, weiß, alt, wenig gebildet, sie machen jedoch nur ein Fünftel der wahlberechtigten Bevölkerung aus. Ein Drittel seiner Wählerschaft gehört dem soliden Mittelstand an – mit einem jährlichen Einkommen von mehr als 100.000 Dollar. Weiße Frauen zählten 2016 zu seiner stabilen Anhängerbasis – diesmal bevorzugten sie jedoch Joe Biden.

„DONALD TRUMP HINTERLÄSST JOE BIDEN EIN KLIMAPOLITISCHES TRÜMMERFELD.“

Trumps Klientel ist der Auffassung, er würde seine Versprechen halten. Für ihn käme Amerika als Erstes, und er sorge für Recht und Ordnung. Joe Biden fehle die Durchschlagskraft. Mit dem Handelsstreit mit China sowie seinen Maßnahmen gegen die Einwanderer löste Trump bei seinen Fans frühere Versprechen ein. Bis zur Corona-Pandemie florierte die US-Wirtschaft und Trump wusste den Nimbus eines Wirtschaftsexperten zu pflegen. Vor allem weiße Arbeiter nahmen ihm den Slogan „America first“ auch ab. Sein Pandemie-Versagen wurde von ihm erfolgreich kleingeredet, seine Anhänger folgten unbeirrt. Er wütete gegen linke Radikale und verteidigte die Polizei. Dass er nur 750 Dollar pro Jahr an Steuern zahlt, kreidet ihm kaum jemand an. Höchst populär ist, dass er gewissermaßen den amerikanischen Traum lebt, mit Cleverness und Skrupellosigkeit den Weg nach oben zu schaffen. Und dass er sich mit Konsequenz als Umweltterrorist gebärdete, nahm ihm seine Wählerschaft nicht übel. Zur Klimapolitik selbst fiel ihm außer haarsträubenden Blödheiten nichts ein.

„JOE BIDEN HAT SIGNALISIERT, IN DEN KOMMENDEN VIER JAHREN ZWEI BILLIONEN US-DOLLAR FÜR DEN KLIMASCHUTZ ZU BUDGETIEREN. ER WILL DIE USA BIS 2050 KLIMANEUTRAL MACHEN …“

Donald Trump hinterlässt Joe Biden ein klimapolitisches Trümmerfeld. Das klassische Attentat auf die weltweite Klimapolitik setzte Trump am 4. November 2019 mit der Kündigung des Pariser Abkommens. Wiederholt, beinahe insistierend, hat Trump festgestellt, dass der Klimawandel ein Schwindel sei. Kaum eine Woche verging ohne Lockerung und Verwässerung von Klimaschutzvorschriften. Das massive Umweltprobleme verursachende Fracking wurde an dominierender Stelle in der Energiepolitik gereiht. Die Offshore-Ölförderung im Golf von Mexiko wurde erleichtert, das Bohren nach Öl im Naturschutzgebiet der Arktis erlaubt – eine umweltpolitische Todsünde. Wie überhaupt die USA beim Klimaschutz zum Bremser und internationalen Umwelt-Schlusslicht mutierten. Seine Visitenkarte: schockierende Bilder aus Kalifornien – mit dicken Rauchschwaden, brennenden Wäldern und Zehntausenden zerstörten Häusern. Noch nie gab es so viele Tropenstürme mit desaströsen Auswirkungen auf das amerikanische Festland.
Ein Zusammenhang dieser Katastrophen mit dem Klimawandel wurde von Donald Trump stets schroff zurückgewiesen – Klimawandel sei eine reine Mär. Klimaforscher bedachte Trump mit dem Attribut „ahnungslos“. Trump hat mehr als 125 Umwelt- und Klimagesetze seines Vorgängers Barack Obama abgeschwächt und/oder rückg.ngig gemacht. Regelungen zum Schutz von Gewässern beim Fracking wurden außer Kraft gesetzt. Seine Deregulierungswut kannte keine Grenzen.
Joe Biden hat signalisiert, in den kommenden vier Jahren zwei Billionen US-Dollar für den Klimaschutz zu budgetieren. Er will die USA bis 2050 klimaneutral machen, bereits bis 2035 im Stromsektor auf Energien aus erneuerbaren Ressourcen umsteigen und den Subventionen für fossile Brennstoffe den Garaus machen. Es ist klar, dass Biden ohne die Zustimmung im Senat keine Klimagesetze einführen kann, doch gibt es 56 Maßnahmen, die er auch auf andere Weise zur Umsetzung bringen kann. Dazu zählen die Gebäudesanierung, der Umstieg auf erneuerbare Energien sowie die Forcierung des öffentlichen Verkehrs. Sie schaffen neue Arbeitsplätze in Hülle und Fülle. Für das Engagement in „grünen“ Sektoren wie digitalen Unternehmungen, die ressourcen- und energieintensiv sind, bedarf es aber eines kräftigen energiepolitischen Rückenwindes.

„ES IST EINE MAMMUTAUFGABE. VOM NEUEN MANN IM WEISSEN HAUS ERWARTEN SICH SEINE WÄHLER FINANZIELLE BEDECKUNGEN FÜR DIE NEUORIENTIERUNG DER ENERGIE- UND UMWELTPOLITIK.“

Eine erste konkrete Maßnahme wird sein, dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten – ein Signal für die gesamte Welt! Durchführungsverordnungen bieten hoffnungsvolle Ansätze. Weitere Schritte wären restriktive Vorgangsweisen beim Bau neuer fossiler Förderanlagen in öffentlichen Arealen, dazu kämen Effizienzkriterien für Gebäude und den öffentlichen Sektor. Die Frage ist, ob die Mannschaft von Joe Biden den Mut haben wird, eine Ökologisierung des Steuersystems zur Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Dabei ist eine CO2-Bepreisung auf einem relevanten Niveau das Um und Auf. Vor allem geht es auch darum, Planungssicherheit für die Zukunft zu schaffen.
Nicht einfach: Fast sieben Prozent aller Jobs in den USA sind an die Ölindustrie gebunden. Nachhaltigkeit oder Arbeitsplätze, das ist die Frage. Ein Land, in dem rund 74 Millionen Menschen Trump wählten, in absehbarer Zeit in eine Klimaneutralität zu führen, wird alles andere als leicht. Es ist eine Mammutaufgabe. Vom neuen Mann im Weißen Haus erwarten sich seine Wähler finanzielle Bedeckungen für die Neuorientierung der Energie- und Umweltpolitik, um das klimapolitische Chaos von Donald Trump zu beseitigen. Es geht unter dem Strich um ein effizientes energiepolitisches Zieldreieck mit Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit,

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