Kurswende in der EU-Politik zur Rohstoffsicherung dringend notwendig 

Erneuerbare und Effizienz sind die einzige Zukunftsoption Weiter FH Burgenland EMAS-zertifiziert

Beitrag; #121/2022, S. 19

19.04.2022

Mit der Veröffentlichung des Green Deals Ende 2019 sollte ein Wendepunkt in Richtung nachhaltigeres Wirtschaftssystem in Europa eingeläutet werden. Die großen Ziele sind zu begrüßen. Dazu zählen eine wohlhabende Gesellschaft mit moderner, ressourceneffizienter und wettbewerbsfähiger Wirtschaft, keine Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050 und das Naturkapital schützen, bewahren und verbessern. Die Frage ist aber, auf welche Art und Weise diese Ziele erreicht werden sollen. 

Bei der Umsetzung zahlreicher Einzelinitiativen des Green Deals zeigt sich, dass zum Schutz des Klimas und der Biodiversität in Europa deutlich weniger Holz genutzt werden soll. Denn die EU-Kommission ist der Ansicht, dass dem Klima umso mehr geholfen ist, je mehr Holz im Wald verbleibt. Daher sollen Wälder verstärkt großflächig außer Nutzung gestellt und die Bewirtschaftung durch bürokratische Hürden verteuert und somit unattraktiv gemacht werden. Ein Auszug aus den geplanten Maßnahmen liest sich wie folgt: 

BIODIVERSITÄTSSTRATEGIE UND WALDSTRATEGIE 

  • Mindestens 30 % der Landfläche müssen unter Schutz gestellt sein. Mindestens 10 % der Landfläche weisen einen „strengen“ Schutzstatus auf; alle „alten Wälder“(um eine Definition wird seit einem Jahr gerungen) sind ebenfalls außer Nutzung gestellt. 
  • Zusätzliche Indikatoren sowie Schwellenwerte für die nachhaltige Waldbewirtschaftung 
  • Leitlinien für naturnahe forstwirtschaftliche Verfahren (z. B. ausreichende Mengen Totholz, Stilllegung von Flächen in Wirtschaftswäldern, Kahlschlagverbot) 
  • Zertifizierungssystem für naturnahe Verfahren 

ERNEUERBARE RICHTLINIE (RED III) 

  • Einführung des verpflichtenden „Kaskadenprinzips“ bei der Biomassenutzung. Das bedeutet, Holz muss stofflich verwertet werden, bevor es energetisch genutzt werden darf. 
  • Die ohnehin strengen Nachhaltigkeitskriterien in der Erzeugung von Holzbiomasse werden nochmals verschärft. Nachweis für alle Lieferungen in Heizwerke ab 5 MW ist zu erbringen. Mindestkriterien für fossile Energieträger gibt es jedoch nicht. 
  • Grenzwerte für Treibhausgaseinsparungswerte müssen rückwirkend auch von Altanlagen eingehalten werden. 

LULUCF-VERORDNUNG 

  • Rolle der Wälder als Kohlenstoffsenke verbessern – das heißt in der Praxis: Die jährliche Holzerntemenge von möglichen 24 Mio. Erntefestmeter auf 18 Mio. Erntefestmeter reduzieren. 

TAXONOMIE-VERORDNUNG 

  • Detailregelungen zur Waldbewirtschaftung auf einzelbetrieblicher Ebene durch eine Delegierte Verordnung. Diese schreibt vor: 
  • Verpflichtender Waldbewirtschaftungsplan, unter anderem mit einer Bewertung forstbezogener Risiken wie Waldbrände, Schädlingsbefall und Krankheitsausbrüche; Maßnahmen zur Erhaltung des guten Zustandes der Waldökosysteme. 
  • Eine Analyse des Klimanutzens der Waldbewirtschaftung durch Betriebe ab 13 Hektar; diese erfasst alle von der Tätigkeit betroffenen Kohlenstoffspeicher, einschließlich oberirdischer und unterirdischer Biomasse, Totholz, Waldstreu und Boden. Ist von der zuständigen nationalen Behörde zu prüfen. 

VERORDNUNG ZU ENTWALDUNG UND WALDDEGRADIERUNG 

  • WaldbesitzerInnen müssen eine Selbstverpflichtungserklärung abgeben, bevor sie Holz in Verkehr bringen. 
  • Dokumentation der Geodaten aller Bestände, in denen eine Holznutzung stattgefunden hat und Nachweis, dass auf diesen Flächen ein Nutzungsrecht besteht. 
  • Das Nachweis, dass Holz nicht aus einer Rodung stammt; Nachweis darüber, dass das geerntete Holz aus legaler Nutzung stammt. 
Die Waldfläche der EU27 wurde seit 1990 um ca. 14 Mio. ha bzw. um ca. 470.000 ha pro Jahr ausgeweitet. (Daten: FAO FRA – Forest Ressources Assessment) 
Der Holzvorrat der EU27 wurde seit 1990 um ca. 8.200 Mio. Festmeter (= m3 Holz) erhöht, das entspricht einer Vorratssteigerung von ca. 275 Mio. Festmeter pro Jahr bzw. ca. 55 Mrd. m3 Erdgasäquivalent pro Jahr. (Daten: FAO FRA) 

42 % WENIGER HOLZEINSCHLAG 

Fest steht, dass mit diesen geplanten Maßnahmen die Rohstoffunabhängigkeit der EU keinesfalls gefördert wird. Ganz im Gegenteil: Obwohl Holz der mit Abstand bedeutendste Rohstoff innerhalb der EU ist, wird, allen Krisen und Abhängigkeiten zum Trotz, nicht anhand von Fakten entschieden, sondern aus tief ideologischer Überzeugung heraus gehandelt und die Bereitstellung und somit die Verwendung und der notwendige Ersatz fossiler bzw. CO2-intensiver Materialien durch Holz mehr oder weniger unterbunden. 

Untersuchungen des Thünen-Institutes haben ergeben, dass sich aufgrund der von der Kommission vorgeschlagenen Ausweitung von Schutzgebieten der Holzeinschlag in Europa um 42 % reduzieren wird. Das fehlende Holz müsste teilweise durch Importe aus Russland oder Übersee kompensiert werden. In diesen Ländern spielen Klima- und Biodiversitätsschutz oft nur eine untergeordnete Rolle. Wie damit der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter gelingen soll, ist mehr als fraglich, erscheint sogar unmöglich.

GREEN DEAL ÜBERDENKEN 

Möchte sich die EU aus den prekären Abhängigkeitsfesseln demokratieferner Staaten tatsächlich lösen und damit ihre Erpressbarkeit reduzieren, muss dieser Green Deal grundlegend überdacht werden. Der seit Generationen eingeschlagene Weg der multifunktionalen und nachhaltigen Waldbewirtschaftung sowie die daraus resultierende Verwendung von Holz in allen Verwertungspfaden ist der größte Beitrag zum Klimaschutz, den der Wald leisten kann (Umweltbundesamt et al). 

Dieser Weg sollte, auch um unabhängiger von Energieimporten zu werden, durch die EU-Kommission geebnet und unterstützt, anstatt durch zusätzliche Einschränkungen blockiert werden. Nachhaltig nutzbare Holzreserven, auch unter Beachtung der Biodiversität, sind ausreichend in Europa vorhanden. 

Martin Höbarth, 
Landwirtschaftskammer Österreich