... Bundesminister Norbert Totschnig

19.07.2022

(Aus: Printausgabe ökoenergie 122, S. 5)

SEHR GEEHRTER HERR BUNDESMINISTER TOTSCHNIG, ERSTMALS GRATULATION ZU IHRER ERNENNUNG ZUM BUNDESMINISTER FÜR LANDWIRTSCHAFT, REGIONEN UND TOURISMUS. HERR MINISTER, WELCHE ROLLE SPIELT DIE LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT BEIM KLIMASCHUTZ?

Unsere Land- und Forstwirtschaft sind Hauptbetroffene des Klimawandels: Trockenheit, Extremwetterereignisse und Schädlinge wirken sich auf unsere Böden, Äcker und Wälder aus. Gleichzeitig sind unsere Land- und Forstwirtschaft Teil der Lösung, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Gerade unsere Wälder und der nachwachsende Rohstoff Holz haben hier viel Potenzial. Darum haben wir mit dem Waldfonds das größte Investitionspaket für unsere Wälder ins Leben gerufen, das es jemals gab! Indem wir unsere Forstwirtinnen und Forstwirte dabei unterstützen, aufzuforsten und auf klimafitte Sorten umzusteigen, setzen wir einen großen Schritt für den Klimaschutz. Infos zu allen Waldfonds-Maßnahmen finden Sie unter www.waldfonds.at.

WAS HALTEN SIE VON DER VERSTÄRKTEN NUTZUNG ERNEUERBARER ENERGIEN, WIE Z. B. DER BIOENERGIE?

Die Nutzung erneuerbarer Energien ist ein logischer und wesentlicher Schritt zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern und in eine höhere Energieunabhängigkeit. Unsere land- und forstwirtschaftlichen Betriebe leisten hier schon jetzt einen wichtigen Beitrag. Viele erzeugen mit innovativen Projekten nachhaltige Bio-Energie – mittels Brennholz, Hackschnitzel, Nahwärme oder Biogasanlagen. Unser aller Ziel muss sein, die bäuerliche Energieproduktion zu stärken. Denn durch den Ausbau von Bioenergie schaffen wir regionale Arbeitsplätze, die Wertschöpfung bleibt im Land und wir werden unabhängiger. Energie aus der Region und für die Region hat großes Potenzial.

WELCHE MEINUNG HABEN SIE ZUR PHOTOVOLTAIK AUF DER FREIFLÄCHE?

Auch der Ausbau von Photovoltaik ist ein notwendiger Bestandteil der Energiewende, denn ohne Sonnenenergie wird es nicht gehen. Vorwiegend sollten PV-Anlagen auf bereits genutzten oder versiegelten Flächen und Gebäuden errichtet werden. Wenn es um den Ausbau von Photovoltaik auf Freiflächen geht, insbesondere auf etwa bisher agrarisch genutzten Flächen, muss die Balance zwischen Energieproduktion und Lebensmittelproduktion beachtet werden.

DER RISIKOFAKTOR RUSSLAND TREIBT DIE INFLATION IN DIE HÖHE – AUCH BEI LEBENSMITTELN – UND DROHT UNS DEN GASHAHN ABZUDREHEN. WIE KÖNNEN WIR AUS IHRER SICHT DIE SITUATION MEISTERN?

Zuallererst: In Österreich ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert! Das verdanken wir unseren Bäuerinnen und Bauern, die uns tagtäglich mit regionalen Produkten versorgen – auch in Krisenzeiten. Doch die hohen Betriebsmittelkosten bringen sie zunehmend unter Druck. Darum bringen wir eine Liquiditätshilfe für unsere bäuerlichen Familienbetriebe auf den Weg, damit sie weiter arbeiten und die Bevölkerung versorgen können. Gleichzeitig schnürt die Bundesregierung ein großes Paket, um die Menschen angesichts der erhöhten Preise in nahezu allen Lebensbereichen zu entlasten.

AUF EU-EBENE LAUFEN DIE „GREEN DEAL“- UND „REPOWER EUROPE“-PROZESSE MIT VORAUSSICHTLICH DEUTLICHEN AUSWIRKUNGEN AUF DIE HEIMISCHE LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT AB. WELCHE POSITIONEN VERTRETEN SIE IN BRÜSSEL?

Österreich bekennt sich zur Klimaneutralität. Das hat sich nicht geändert. Bei der Umsetzung des Green Deal muss neben den Fragen des Umweltschutzes und der Stärkung der Biodiversität auch die Lebensmittelversorgungssicherheit im Fokus stehen. Für mich ist außerdem wesentlich, dass unsere Bäuerinnen und Bauern von ihrer Arbeit leben können. Ebenso setze ich mich für die Fortführung einer nachhaltigen Forstwirtschaft ein, die alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt – also ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte. Wenn wir die Wälder nachhaltig bewirtschaften und nutzen, sind sie nicht nur Speicher von Kohlenstoff, sondern liefern auch wichtige Rohstoffe für beispielsweise nachhaltige Energieerzeugung und Holzbau. Beim „Fit for 55“-Paket sind die Verhandlungen zum ersten Teil schon fortgeschritten. Ende Juni ist damit zu rechnen, dass sich der Rat in einigen Bereichen positioniert haben wird.