400 Teilnehmer bei erster Webkonferenz des Biomasse-Verbandes

20.05.2020
Spannende Diskussionen der ExpertInnen um den künftigen Einsatz von Holzgas moderierte TV-Journalist Andreas Jäger.

(PL) Genau den Nerv der Zeit hat die aufgrund der COVID-19-Maßnahmen als Webkonferenz vom Österreichischen Biomasse-Verband (ÖBMV) durchgeführte Veranstaltung „Holzgas“ am 19. Mai getroffen. ÖBMV-Präsident Franz Titschenbacher begrüßte 400 Teilnehmer, darunter mehr als 50 Besucher aus Deutschland, Italien, der Schweiz, Polen und der Slowakei. Unter den Anwesenden befanden sich zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltorganisationen und Verbandswesen. 

Neue Option am Bioenergiemarkt

Titschenbacher hob die wichtige Rolle von Bioenergie als Baustein zum Ausstieg aus fossilem Erdgas und Erdöl hervor. Die Forstwirtschaft stehe aufgrund enormer Schadholzmengen durch Borkenkäfer und Sturmwurf und dem damit verbundenen Preisverfall unter Druck. Bioenergie sei ein wichtiger Absatzmarkt für Schadholz und könne Lösungen für Wald, Energiewende und Coronakrise bieten.
„Die Forstwirtschaft steht aufgrund enormer Schadholzmengen und dem Holzpreisverfall stark unter Druck“, hob Titschenbacher hervor. „Bioenergie kann Lösungen für Waldbewirtschaftung, Energiewende und Coronakrise bieten.“Die Holzvergasungstechnologie drängt sich als neue Option am Bioenergiemarkt auf. Damit können synthetisches Holzgas (SNG), Wasserstoff, Fischer-Tropsch-Diesel, Wärme und Strom sowie Chemikalien erzeugt werden. „Es geht aber nicht um ein Entweder-oder, sondern wir benötigen alle Technologien, wie auch Einzelfeuerungen, um die Energiewende zu meistern“, weiß Titschenbacher. Der Präsident forderte Rahmenbedingungen zur Errichtung von Großanlagen für die Versorgung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe mit fortschrittlichen Biokraftstoffen ein.

Vision von der erdölfreien Land- und Forstwirtschaft

„Holzgas verwirklicht die Bioökonomie“, lautete das Fazit von Josef Plank, Leiter der Abteilung Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen beim Österreichischen Raiffeisenverband. Forstsektionschefin Maria Patek unterstrich, dass genug Rohstoff zur Realisierung einer erdölfreien und energieautarken Land- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehe. Der Entwickler der Holzvergasungstechnologie, Professor Hermann Hofbauer, TU Wien, betonte, dass Holzgas und Holzdiesel einen wesentlichen Beitrag zur Verwertung von Schadholzmengen leisten können. Holzdiesel verbrennt besser als fossiler Diesel. Für den „Drop-in-Treibstoff“ ist keine Umstellung des Fuhrparkes notwendig. Zur Herstellung von 1 Liter Holzdiesel benötigt man 4 kg trockenes Holz, für 1 Kubikmeter Holzgas sogar nur 3 kg. Österreich muss laut EU-Richtlinie REDII bis 2030 eine Quote von 3,5 Prozent an fortschrittlichen Biotreibstoffen im Verkehrsbereich erreichen. „Durch die Umstellung der Land- und Forstwirtschaft schaffen wir bereits 3 Prozent“, erklärte Hofbauer. 

Konkurrenzfähigkeit zu fossilem Diesel 

Den Investitionsbedarf für die Holztreibstoffe bezifferte Hofbauer mit rund 2 Milliarden Euro. „Würde man dagegen alle Traktoren in Land- und Forstwirtschaft auf einen elektrischen Betrieb umstellen, würde das 12 Milliarden Euro kosten“, informierte er. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen sei mit Investitionsförderungen und einer CO2-Bepreisung möglich. Mit einer Anlagengrößte von 100 MW erzielt man den günstigsten Literpreis beim Kraftstoff. Um die gesamte Land- und Forstwirtschaft fossilfrei zu machen, werden neun Holzdieselanlagen à 100 MW und eine Anlage für Holzgas benötigt. 

Holz- statt Erdgas

Auf der Webkonferenz wurde das Thema „Holzgas“ in elf vorab aufgezeichneten Präsentationen anerkannter Experten (etwa der TU Wien, der BOKU Wien, der BEST GmbH oder der Güssing Energy Technologies GmbH) aus den Perspektiven der Machbarkeit, technischen Umsetzung, Rentabilität und Umweltwirksamkeit behandelt. Während der Eine Studie des Fachverbandes Gas Wärme (FGW) und des ÖBMV ergab wirtschaftliche Potenziale von 4 Mrd. m3 „grünes Gas“ (derzeit 9 Mrd. m3 Erdgasverbrauch) und zusätzlich 1 Mrd. m3 Wasserstoff. „Mit Effizienzsprüngen bei Gebäuden ist in der Zukunft der Erdgasersatz durch Holzgas und Wasserstoff möglich“, ist FGW-Obmann Peter Weinelt überzeugt. Er rief dazu auf, rasch zur Umsetzung zu kommen: „Die Gelegenheit ist günstig wie nie. Jeder hat verstanden, dass Regionalität wichtig ist. Holzgas ist eine Riesenchance für regionale Wertschöpfung.“ Einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz konnte auch die Veranstaltung selbst leisten, da durch die Konzipierung als Online-Konferenz viele Anreisewege vermieden wurden.