Studie: 4 Mrd. m³ Erneuerbares Gas für 2050

24.06.2019
v.l.: Peter Weinelt (Obmann FV Gas Wärme und stv. GD der Wiener Stadtwerke), Christoph Strasser (AreaManagerSustainable Supply and Value Chains Bioenergy 2020+ GmbH) sowie Franz Titschenbacher (Präsident ÖBMV) weisen anhand eines Schadbildes auf die Borkenkäfer-Problematik und die damit verbundenen Biomasse-Potenziale hin.

(Wien, 24.6.2019) „Mit dem von Bioenergy 2020+ prognostizierten Biomethanpotenzial und unter der Berücksichtigung des zu erwartenden Potenzials an erneuerbarem Wasserstoff können wir bis 2050 neben den gasversorgten Haushalten in Österreich auch Industriebetriebe, Kraftwerke sowie den Mobilitätssektor mit 100 Prozent Erneuerbarem Gas versorgen“, sagt Peter Weinelt, Obmann des Fachverbands Gas Wärme und stellvertretender Generaldirektor der Wiener Stadtwerke. Er sieht „in der Aufbereitung von Biomasse zu Erneuerbarem Gas einen wichtigen Zukunftsmarkt für land- und forstwirtschaftliche Rest- und Nebenprodukte“. Das wirkt sich auch positiv auf die Reduktion von klimaschädlichen Gasen aus: Wird bis 2030 nur eine halbe Milliarde Erneuerbares Gas ins Gasnetz eingespeist, senkt das die CO2-Emissionen um eine Million Tonnen.

Weinelt weiter: „Durch die zunehmende Beimischung von Erneuerbarem Gas ins Gasnetz helfen wir die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren und durch die Nutzung der gesamten bestehenden Gasinfrastruktur die Energiewende leistbar zu machen.“ Die Kommission hat in ihren Empfehlungen zum Entwurf des nationalen Energie- und Klimaplans unter anderen auch eine stärkere Berücksichtigung der Leistbarkeit, konkretere Maßnahmen im Wärmesektor sowie eine stärkere Diversifizierung der Energiequellen angesprochen.

Enorme Schadholzmengen verwertbar

Für Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes, legt „die Studie einmal mehr dar, dass ausreichend Potenziale an Biomasse für verschiedene Anwendungsbereiche vorhanden sind – Biomethan aus Biomasse ist als Produkt und Rohstoff ein wesentlicher Baustein für die industrielle Produktion der Zukunft und somit ein zentraler Eckpfeiler der Bioökonomie“. Österreich sei aufgrund ungenutzter Reserven weit davon entfernt, an Nachhaltigkeitsgrenzen zu stoßen, das Gegenteil ist der Fall: „Durch die vom Klimawandel ausgelösten Borkenkäferkatastrophen, Windwürfe und Schneebrüche sind enorme Schadholzmengen am Markt, die dringend verarbeitet werden müssen. Diese Mengen sind in der vorliegenden Studie – die auf die langfristige und kontinuierliche Bereitstellung von Biomasse abzielt – gar nicht berücksichtigt.“ Laut Titschenbacher birgt Biomethan einen weiteren großen Vorteil: „Das Gasnetz bietet Kunden abseits der Nah- und Fernwärmenetze und Kunden ohne Möglichkeit für die Installation eines Pellet- oder Hackgutkessels die Versorgung mit Bioenergie. Die Produktion von Spitzenlast und der Einsatz von Biomethan in der Mobilität sind weitere für den Biomasse-Verband prioritäre Einsatzgebiete.“

Bioenergy 2020+: Biomethanpotenzial von 4 Mrd. m³

Für die Erstellung des Szenarios wurde die aktuelle Nutzung ausgewählter Biomassen und deren Potenziale bis 2050 untersucht. „Der Fokus der Studie lag auf einem realistischen Szenario, das Nutzungskonkurrenzen mit aktuellen stofflichen und energetischen Nutzungen vermeidet und bei keinem der untersuchten Biomassen über die Nachhaltigkeitsgrenzen geht“, sagt Christoph Strasser, Autor der „Machbarkeitsuntersuchung Methan aus Biomasse“. In Summe beziffert Strasser die Reststoffe aus Biomasseprodukten, die der land- und forstwirtschaftlichen Kreislaufwirtschaft entnommen und für die Gasproduktion genutzt werden können, mit knapp zehn Millionen Tonnen Trockensubstanz. Weitere sieben Millionen ergeben sich durch effizienteren Einsatz bestehender Potenziale und Verlagerungen bei bestehenden Verwertungs- beziehungsweise Entsorgungsschienen, wobei laut Strasser „sichergestellt ist, dass keine für die Lebensmittelproduktion notwendigen Ressourcen verwendet werden“.
Möglich wird die Erschließung der Biomassepotenziale auf Basis fester Biomasse durch die an der TU-Wien entwickelte Vergasertechnologie. Dabei wird Biomasse unter kontrollierten Bedingungen auf etwa 900 Grad erhitzt, das dabei entstehende Erneuerbare Gas wird aufbereitet und gereinigt und kann gleich wie fossiles Gas zur Produktion von Biomethan, Treibstoffen, Wasserstoff oder anderen Bioökonomieprodukten aufbereitet werden. „Zur tatsächlichen Realisierung der Potenziale ist ein Bündel an Maßnahmen notwendig. Das beginnt bei der Reduktion der Flächenversiegelung und endet bei der Erforschung wesentlicher Detailfragen im Praxisbetrieb der Anlagen: Themen sind hier etwa Logistik, die Preisstabilität beim Einsatz verschiedener Reststoffe aber auch der Einsatz des Biomethans in unterschiedlichen Anwendungen.“

Anreize der Politik gefordert

Um dieses Einsparungspotenzial durch die Nutzung der Gasinfrastruktur und Erneuerbarem Gas in Österreich heben zu können, fordern Weinelt und Titschenbacher entsprechende Anreize der Politik. Zu begrüßen sind beispielsweise Begünstigungen für Erneuerbares Gas im Rahmen der geplanten Steuerreform sowie die Verankerung eines marktbasierten Fördermodells. „Wir brauchen stabile Rahmenbedingungen, um die Technologie in den Markt zu bringen und unsere weltweite Vorreiterrolle auf diesem Gebiet nicht zu verlieren“, ergänzt Strasser.
Um die Klimaziele zu erreichen, kann Erneuerbares Gas – entsprechende Rahmenbedingungen für Investitionen vorausgesetzt – eine Schlüsselrolle im Energiemix der Zukunft spielen, da bereits bestehende Netz- und Speicherinfrastruktur genutzt wird. Zusätzlich kann Erneuerbares Gas aus Wind, Photovoltaik oder Wasserkraft als Energiespeicher fungieren und so große Energiemengen vom Sommer in das Winterhalbjahr transferieren. Einig ist man sich auch beim sparsamen Umgang mit der wertvollen Ressource Biomethan: „Die Potenziale sind groß aber trotzdem begrenzt. Wollen wir die Gasversorgung bis 2050 zu 100 Prozent auf Erneuerbares Gas umstellen, dann muss auch der Verbrauch in Summe gesenkt werden.“