
(PA_EEÖ) – Die neue Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat ein Regierungsprogramm vorgelegt, das sich daran messen lassen muss, ob es die Energietransformation hin zu einer (preis)stabilen, leistbaren, unabhängigen und klimaneutralen Energieversorgung für Österreich zum Erfolg führt. Diese Dringlichkeit hat sich angesichts existentieller Fragen um leistbare Energie, um einen resilienten und zukunftsfähigen österreichischen Wirtschaftsstandort sowie sich häufende Zerstörungen und steigende Kosten durch die Klimakrise noch verschärft.
Ausgangslage: Österreichs Energieversorgung 2025
Laut Energiebilanz für 2023 der Statistik Austria sank der energetische Endverbrauch im Jahr 2023 um 4 % auf 1.034 Petajoule (PJ) im Vergleich zum Vorjahr, aufgrund wärmerer Witterung, dem gesunkenen Produktionsniveau in der Industrie und des vermehrten Umstiegs von fossilen auf erneuerbare Energieträger.
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch betrug 2023 etwa 40,84 %. Österreichs Abhängigkeit von Energieimporten lag 2023 bei etwa 61%. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die inländische Energieproduktion weiter auszubauen und die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern. Etwa 30 % der Primärenergieträger stammen aus inländischer Erzeugung, wobei über 85 % davon erneuerbare Energieträger sind.
Bei der Erzeugung von erneuerbaren Energieträgern war ein Anstieg um 10 % auf 482 PJ, v. a. durch die höhere Produktion aus Wasserkraft (+17 % auf 146 PJ), zu beobachten. Österreich war 2023 erstmals seit der Jahrtausendwende Netto-Stromexporteur, auch durch den starken Produktionsanstieg aus Wasserkraft und Photovoltaik. Eine aktuelle Nutzenergieanalyse zeigt, dass über 50% der Energie im Wärmebereich, sowohl im Gebäudebereich als auch in der Prozesswärme, zum Einsatz kommt.
„Die Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energie wird in der Energietransformation Österreichs stiefmütterlich behandelt, denn bisher werden gerade einmal knapp über 30% des österreichischen Wärmebedarfs aus erneuerbarer Energie abgedeckt. Im Strombereich stammten zuletzt bereits 85% aus erneuerbarer Energie, doch gilt es beim Erneuerbaren- und Netzausbau mit dem steigenden Stromverbrauch durch zunehmende Elektrifizierung Schritt zu halten. Die neue Regierung muss mit einem besonderen Augenmerk für die gesamthafte Energietransformation ans Werk gehen“, betont Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich.

Abbildung 1 Nutzenergieanalyse, Grafik EEÖ
Bewertung des Regierungsprogramms aus Sicht der Erneuerbaren Wirtschaft
„Die neue Regierung hat ein Regierungsprogramm vorgelegt, das aus Sicht der Erneuerbaren durchaus einige positive und wichtige Aspekte für die Energiewende beinhaltet. Es verspricht zunächst Kontinuität und langfristige Planungssicherheit, die für die Branche von großer Bedeutung sind“, fasst Prechtl-Grundnig zusammen und ergänzt, dass leider jedoch genau diese durch den Beschluss zur massiv verschärften Erlösabschöpfung gleich in der ersten Woche der neuen Bundesregierung wieder torpediert und in Frage gestellt wurde.
Laut Regierungsprogramm soll die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 sowie die geplante 100-prozentige Abdeckung des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen beibehalten werden. Auch die Rückkehr zu einem Klimagesetz wird als ein positiver Schritt gewertet, wenngleich dieses keine verbindlichen Sektorziele enthalten soll, aber indikative Ziele vorsieht. Besonders hervorzuheben ist die geplante Einbindung der Länder in einen Klimafahrplan als wertvolle Grundlage für eine kooperative und koordinierte Umsetzung der Klimaziele. Die Einbindung der Länder in die Zielverpflichtungen für die EU bleibt ein zentraler Punkt, der noch genauer ausgestaltet werden muss.
Als positiv bewertet der EEÖ weiters die Ankündigung einer raschen Umsetzung der REDIII, Vorgaben zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren inklusive Verankerung des überragenden öffentlichen Interesses, einer Reihe von verfahrensrechtlichen Vereinfachungen (z.B. One-Stop-Shop und andere Ansätze zur Vereinheitlichung) sowie Verbesserungen bei der Ausstattung von Behörden und Gerichten. Die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten ist ebenfalls wichtiger Teil zur Beschleunigung von Genehmigungen. Hier kommt es zu Überschneidungen mit dem Kompetenzbereich der Länder, der im Regierungsprogramm ebenfalls angesprochen ist. Von der Schaffung verbindlicher Koordinationsmechanismen zwischen Bund und Ländern in der Raumplanung ist hier die Rede. Laut EEÖ wird es entscheidend sein, dass dieser nicht als zahnloser Tiger endet, sondern die Bundesländer wirksam in die Pflicht nimmt, damit die Energietransformation unter Einbeziehung aller Technologien erfolgreich geschieht:
„Der Ausbau erneuerbarer Energie auf Basis der RED III hält wesentliche Aufgaben im Bereich der Raumordnung bereit, geht es doch auch um die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten. Hier sind die Länder gefordert. Es braucht aber auch eine österreichweites gemeinsames Vorgehen, da ein zu jeder Zeit resilientes Energiesystem sichergestellt werden muss. Das kann nur in einem ausgewogenen Technologiemix von Wind, Sonne, Wasser und Biogene funktionieren. Wenn jeder nur auf in seinem „Schrebergarten“ arbeitet, ist das für eine stabile und leistbare Energieversorgung und eine gedeihliche Wirtschaftsentwicklung nicht hilfreich. Die Ausgestaltung der angesprochenen Koordinierungsmechanismen ist deshalb essenziell!“, erklärt die Geschäftsführerin des EEÖ.
Der forcierte Netzausbau und die Modernisierung des ElWG (Elektrizitätswirtschaftsgesetzes) wird im Regierungsprogramm als dringend notwendig erachtet. Auch die Weiterentwicklung des ÖNIP (Österreichischer Nationaler Infrastrukturplan), insbesondere in Bezug auf eine Speicherstrategien, wird als wesentlicher Baustein für die erfolgreiche Transformation des Energiesystems angesehen. Der EEÖ kann diese Maßnahmen unterstützen. Bezüglich der Finanzierung des Netzausbaus sind im Programm Elemente enthalten, die an den vom EEÖ in Diskussion gebrachten Infrastrukturfonds erinnern, welcher die Kosten des Ausbaus für Netznutzer:innen dämpfen sollte. Offen bleiben Fragen bezüglich der Neugestaltung der Netzentgelte, die für die Branche eine Herausforderung darstellen könnten.
„Die Erzeuger zahlen bereits einen beachtlichen Anteil an den Netzkosten. Einer angesprochenen Ausweitung der Netzkostenbeteiligung sieht der EEÖ äußerst kritisch entgegen. Es wäre eine weitere Benachteiligung der heimischen Erzeugung gegenüber Stromimporten und ist angesichts des ohnehin bereits bedrohlich eng gesteckten Korsetts der verschärften Erlösabschöpfung schlichtweg nicht leistbar. Es erdrosselt die heimische Erzeugung! Hier sehen wir noch intensiven Redebedarf“, so Prechtl-Grundnig.
Die geplante Transformation des Wärmesektors und der Ausstieg aus fossilen Energieträgern im Gebäudebereich sind ein sehr wichtiger Schritt hin zu einer klimaneutralen Zukunft. Die Einbeziehung und Erwähnung von aller dafür erforderlichen Technologien – Biomasse, Solarthermie, Geothermie, Umgebungswärme und Abwärme – als zentrale Elemente der Wärmewende ist begrüßenswert und wichtig.
Angesprochen ist auch die Planung der Stilllegung von Gasleitungen in Kombination mit einer kommunalen Wärmeplanung, welche die erneuerbaren Alternativen aufzeigt. Die Vorteile und Notwendigkeit einer Wärmeplanung hat der EEÖ bereits vor zwei Jahren im Rahmen eines Fachdialogs erörtert und die Wertigkeit, die einer solchen von der neuen Bundesregierung beigemessen wird, begrüßen wir. Sie wird gewiss auch bei der angestrebten rechtzeitigen Information der Menschen zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten hilfreich sein, beziehungsweise auch einer technisch und wirtschaftlich effizienten Gestaltung der Wärmewende zugutekommen.
Förderungen für die Sanierung und den Heizungstausch sollen evaluiert und weiterentwickelt werden. Auch die notwendige Klärung von vielen wohnrechtlichen Hürden wird angekündigt. Diese waren zuletzt wohl auch mitverantwortlich für das Scheitern des EWG (Erneuerbare- Wärme-Gesetz). Der Wärmesektor braucht laut EEÖ dringend Kontinuität für die Transformation. Zuletzt hat sich das „Stop and Go“ durch ausgeschöpfte Förderungen fortgesetzt.
„Fest steht, dass es weiterhin ein Förderregime für die Wärmewende brauchen wird und dass dieses auf langfristig kalkulierbare Beine gestellt werden muss. Die hohen Förderungen, die es zuletzt gegeben hat, waren darin begründet, dass man auf Anreize anstatt konkrete Ausstiegspfade für fossile Energie in einem Wärmegesetz gesetzt hat“, erklärt die Geschäftsführerin und weist auf die Notwendigkeit von klaren gesetzlichen Ausstiegspfaden für fossiles Öl und Gas als Ergänzung zu Förderungen hin. Diese kommen auch der angestrebten Fördereffizienz entgegen.
Die Umsetzung der Gebäudeeffizienzrichtlinie, zu deren vollumfänglicher Umsetzung sich die neue Bundesregierung laut Programm bekennt, bringe nun genau diese Notwendigkeit eines gesetzlich verankerten Ausstiegspfades wieder auf den Tisch. „Das ist gut, denn es bringt Planungs- und Investitionssicherheit für die Wärmewirtschaft und für KonsumentInnen sowie Fördereffizienz!“
Die in Aussicht gestellte Verbesserung der Genehmigungsverfahren durch Gesetzesanpassungen und die Schaffung risikobasierter Förderinstrumente zur Förderung der Geothermie sind wichtige Schritte, die in der Branche begrüßt werden.
Nachdem die Frage des Hochlaufs von Grüngas in der letzten Legislaturperiode nicht zufriedenstellend gelöst wurde, plant die neue Regierung mit einem Marktprämienmodell einen Neustart des EGG (Erneuerbares-Gas-Gesetz). Die angestrebte Gasdiversifizierungsstrategie unter Berücksichtigung der Dekarbonisierung ist ein Schritt in die richtige Richtung, um langfristig eine nachhaltige Energieversorgung zu gewährleisten.
Fazit
Das Regierungsprogramm stellt insgesamt einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren und klimafreundlicheren Energiezukunft dar. Die Erneuerbaren-Branche begrüßt die Bekräftigung des Klimaziels für 2040 und die geplanten Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende. Allerdings sind noch viele Fragen zu beantworten, insbesondere im Bereich der Netzausbaufinanzierung, der Wärmewende und der konkreten Umsetzung von Maßnahmen in den einzelnen Sektoren.
„Die neue Regierung muss ihre Vorhaben zeitnah konkretisieren, um Unternehmen und Investoren die notwendige Sicherheit und Planbarkeit auf dem Weg zu einer sicheren, leistbaren und klimaneutralen Energieversorgung zu bieten. Das ElWG, das EABG und das EGG sind jedenfalls gesetzt und müssen bis zum Sommer beschlossen sein“, so Prechtl-Grundnig.

Abbildung 3 Sofortprogramm EEÖ
Fallstricke für die Energietransformation:
- Verschärfte Erlösabschöpfung für Strom aus erneuerbarer Energie
- Fehlende Perspektiven für den Heizungstausch trotz Nachfrage bei Förderungen
- Fehlende Perspektiven für Ende der PV-MwSt.-Befreiung
Doch zugleich geht die Regierung mit den letzte Woche aufgebrachten Vorschlägen und der jüngst beschlossenen Maßnahme für eine Verschärfung der Erlösabschöpfung bei Stromerzeugern weit über die Vereinbarungen im Regierungsübereinkommen hinaus und versetzt die Branche in einen Alarmzustand.
„Zwar konnte die Einführung einer Stromerzeugungssteuer und die Streichung der Absetzbarkeit für Investitionen in Erneuerbaren-Anlagen verhindert werden, aber diese Vorhaben haben die Branche und damit das Gelingen der Energietransformation erschüttert. Ebenso belastet die nochmals verschärfte Erlösabschöpfung erneuerbare Erzeugungsanlagen. Solche Maßnahmen stellen das wirtschaftlich stabile Fundament für den Aufbau einer nachhaltigen, leistbaren, preisstabilen und resilienten Energieversorgung massiv in Frage und forcieren Stromimporte. Den Standort Österreich macht das langfristig immer weniger attraktiv“, warnt Prechtl-Grundnig.
Es ist ein fatales Signal für die heimische Stromerzeugung, es bringt enorme Unsicherheiten und die in den nächsten beiden Jahren dadurch erwarteten negativen Auswirkungen erörtern wir derzeit mit den Unternehmen im Detail. Eigentlich bräuchten wir anstatt dieser Schadenseingrenzung vielmehr dringend ein offensives Investitionsprogramm für erneuerbare Energien“, erklärt Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ).
Fakt ist, dass die Energietransformation jetzt und in den nächsten 15 Jahren bis zur Klimaneutralität 2040 enorme Investitionen erfordert. Hohe Investitionen, die vor allem von privaten Investoren getätigt werden. Das Vertrauen für Investments in die österreichische Energietransformation hängt unmittelbar mit stabilen Rahmenbedingungen zusammen. Transparenz und Planungssicherheit sind die Säulen dieses Vertrauens. Eingriffe in einen stabilen Rahmen wirken sich vielfach negativ aus. Sie mindern die Investitionsbereitschaft, verteuern Projekte, forcieren Importe und konterkarieren damit das Streben nach einer preisstabilen und resilienten heimischen Energieversorgung.
- Ad-hoc-Gesetzesänderungen schaden dem Investitionsklima
- Vorzeitiges Förderende bei Heizungstausch, PV und thermischer Sanierung:
Betriebe und Haushalte können nicht planen, die bestehende Nachfrage für den Umstieg auf erneuerbare Energie kann nicht bedient werden.
„Das enorme Investitionsvolumen für Österreichs Energietransformation, für den Ausbau erneuerbaren Stroms wie erneuerbarer Wärme und für die dazugehörige Infrastruktur, lässt sich unter diesen wechselhaften Rahmenbedingungen nicht zielführend und fristgerecht realisieren. Die Gesetze müssen einen zielorientierten und klaren Rahmen schaffen, die Fördersysteme brauchen Kontinuität, das Klima muss geschaffen werden, um die notwendigen Investitionen auslösen zu können. Es geht um ein ganzheitliches System, das Fahrt aufnehmen muss und das nicht durch kontraproduktive Einzelmaßnahmen immer wieder aus dem Tritt gebracht werden darf“, so die Geschäftsführerin des EEÖ abschließend.