(Aus: Printausgabe ökoenergie 122, S. 8)
(AFU) – Im Jahre 1919 ging die erste von Viktor Kaplan entwickelte Turbine in der Strickgarnfabrik Hofbauers Witwe im niederösterreichischen Velm in Betrieb. Der Erfolg in Velm verbreitete sich in die ganze Welt. Bis 1958 wurde mit der Turbine Strom erzeugt. Danach kam das gute Stück ins Technische Museum Wien. Das Turbinenhaus blieb ungenutzt stehen. Seit Anfang Mai fließt wieder Strom am Standort. Dies ist Günther Menzl und Marion Kaiser zu verdanken, zwei Menschen, die mit Begeisterung ein Projekt angegangen sind, mit Fleiß, Mut und vor allem Hartnäckigkeit es auch abgeschlossen haben. Fast dreißig (!) Jahre hat es gebraucht, um das Projekt zu realisieren. Am Ende ging alles gut, und am 3. Juni wurde die neue Anlage im Beisein des Himberger Bürgermeisters Ernst Wendl und der Kaplan-Enkelin Univ.-Prof. Gerlind Weber feierlich eröffnet.
WASSERRECHT-MARATHON
Alles begann 1994 als eine Eigentümer-Gemeinschaft das Fabriksgelände erwarb. Die Fabrik wurde saniert und seitdem für Wohnzwecke genutzt. Bereits während der Renovierung fiel den Eigentümern das Interesse des Burgenländischen Vereins zur Erhaltung von Industriedenkmälern am Turbinenhaus auf. Ihr Plan war, den Betrieb wieder aufzunehmen und ein Museum zu eröffnen. Ein Zugang zum Turbinenhaus war nur über das Areal der Eigentümergemeinschaft möglich, wodurch die Ablehnung für das Vorhaben groß war. Einzige Lösung: Sie mussten selbst ein Kleinwasserkraftwerk bauen.
So begann ein Widerstreitverfahren, das zugunsten der Eigentümer ausging. Der nächste Schritt war das Erlangen des Wasserrechts, das alle sieben Eigentümer beantragten. Wir schreiben bereits das Jahr 2000, und die Behördenseite zeigte wenig Interesse am Projekt.
„Die Behörde ist aber mit derartig absurden Auflagen aufgefahren, dass das Projekt nicht wirtschaftlich betrieben werden konnte. Immer wieder kamen neue Forderungen, insbesondere mit den zahlreichen Wechseln unter den Wasserrechtsexperten in der Bezirkshauptmannschaft“, erinnert sich Menzl. „Den restlichen Eigentümern ist es zu blöd geworden, und sie haben das Handtuch geworfen. Übrig blieben nur meine Frau und ich.“ 2005 wurde der Antrag ruhend gestellt, obwohl schon einiges in das Projekt investiert worden ist – beispielsweise die Bachvermessung. Im nächsten Schritt beantragte das Ehepaar eine Pflegepacht für das Turbinenhaus, die ihnen schlussendlich für fünf Jahre gewährt wurde.
VOR ORT BESICHTIGUNG
Erst 2012 kam wieder Leben ins Projekt – im Jahre der Fukushima-Katastrophe. Menzl las einen Artikel vom Planer Ing. Robert Hörhann und lud ihn prompt zu einer Besichtigung ein. Dieser war sofort vom Standort begeistert und riet Menzl, eine Machbarkeitsstudie durchzuführen, die damals vom Klima- und Energiefonds angeboten wurde.
Andauernd waren von verschiedensten Gruppierungen Einwände gegen das Projekt vorgetragen worden. „Alle hatten etwas auszusetzen, obwohl niemand jemals vor Ort war und sich das angesehen hat“, so Menzl. Daraufhin lud er alle Interessierten ein und zeigte, dass die Querverbauung und das Gebäude vorhanden waren und sich mit der Wasserkraftnutzung nichts ändern würde. Der Widerspruch war damit größtenteils gebrochen. Noch 2012 wurde dann ein komplett neues Projekt eingereicht. Schlussendlich wurde 2015 das Wasserrecht verliehen. Das Wichtigste für die Behörde war, dass das Staumaß nicht geändert wird, also das natürliche Staumaß zum Tragen kommt. Dadurch sank aber die Leistung von 20 auf 12 kW.
HAPPY END
2016 beantragte man bei der Oemag eine Tarifförderung. Zwei Jahre gingen dann wieder verloren, denn die Ökostromgesetz-Novelle musste abgewartet werden. 2018 kam dann die nächste Herausforderung: Der notwendige Grund für den Bau der Fischwanderhilfe. Dieser sollte laut Gemeinde Himberg an einen Landwirt verkauft werden. Alles stand wieder ein Jahr still. 2019 war dann das entscheidende Jahr, denn in Velm wurden 100 Jahre Kaplan-Turbine gefeiert, ohne irgendeine Beteiligung oder Besichtigung des Turbinenhauses. Als Ehrengast wurde die Kaplan-Enkelin Univ.-Prof. Gerlind Weber eingeladen. Menzl nutzte die Chance, um auf sein Projekt aufmerksam zu machen und – siehe da – der Grund war doch noch im Gemeindebesitz. Bürgermeister Ernst Wendl sicherte seine Unterstützung zu, was in den Verkauf des Grundstückes an Menzl mündete.
Die nächste Hiobsbotschaft folgte ein Jahr später: Corona. Doch letztlich konnten Anfang 2021 die Ausschreibungen gestartet werden. Seit 6. Mai wird am Standort Velm wieder mit einer 12 kW-Schneckenturbine Strom erzeugt.