Die Mutter aller Erneuerbaren-Gesetze

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EU macht Tempo für den Erneuerbaren-Ausbau

15.12.2023

(AFU_Leitartikel der Printausgabe 126) – Mit der aktualisierten Richtlinie wird das EU-Ziel für erneuerbare Energien (EE) von vormals 32 % auf 42,5 % bis 2030 hochgeschraubt. Für Österreich bedeutet das einen Anteil von 60 % (derzeit 31,7 %). Für den Gebäudebereich wird ein Anteil von mindestens 49 % (mit einer jährlichen Steigerung von 1,1 %-Punkten) vorgegeben. Im Verkehr liegt das Ziel bei 29 % beziehungsweise eine durchschnittliche Reduktion der Treibhausgase um mindestens 14,5 %. Die Industrie soll auch ihren Beitrag leisten: jährliches Erneuerbaren-Plus von 1,6 %-Punkten. Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, ihre nationalen Ziele bis 21. Mai 2025 (binnen 18 Monaten) mit den europäischen in Einklang zu bringen, wobei Detailmaßnahmen bereits wesentlich früher in Kraft treten müssen.

Beschleunigungsgebiete

Kardinales Instrument zur Erreichung dieser ambitionierten Zielsetzungen sind die EE-Beschleunigungsgebiete (To-go-Areas): Innerhalb von 27 Monaten haben die Mitgliedstaaten solche Gebiete auszuweisen, die die Erreichung der Ziele ermöglichen. In den Beschleunigungsgebieten sollen Genehmigungsverfahren leichter durchgeführt werden können. Auch für Projekte außerhalb von Beschleunigungsgebieten sind Erleichterungen vorgesehen – insbesondere in Hinblick auf den EU-Artenschutz.
Bezüglich bereits bestehender EE-Zonen gibt es eine spezielle Regelung: Innerhalb von sechs Monaten können Mitgliedstaaten bereits bestehende Gebiete als EE-Beschleunigungsgebiete ausweisen, sofern sie außerhalb von Schutzgebieten liegen, strategische Umweltprüfungen (SUP) durchgeführt und Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.
Außerdem können die Mitgliedstaaten Pläne für Beschleunigungsgebiete zur Ausweisung spezieller Infrastruktur für die Umsetzung von Netz- und Speicherprojekten erlassen.
Die Verwaltungsverfahren sind schneller abzuhandeln und wenn die zuständige Behörde innerhalb der festgelegten Fristen nicht reagiert, werden Projektschritte, sofern es das nationale Gesetz erlaubt, automatisch genehmigt (Genehmigungsfiktion). Das gilt aber nicht für Projekte, die der UVP unterliegen. Nach Projektantrag sollen Mitgliedstaaten im Rahmen eines Screening-Prozesses rasch prüfen, ob das Projekt „mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen“ hat, die bei der Ausweisung des Beschleunigungsgebiets nicht berücksichtigt wurden. Falls dies der Fall ist, bedarf das Projekt einer maximal sechsmonatigen UVP. Falls nichts vorliegt, gilt das eingereichte Projekt am Ende des Screening-Prozesses als genehmigt.
Im Speziellen soll auf drei geforderte Maßnahmen hingewiesen werden: Einführung eines „One-stop-shop“-Prinzips – es soll eine Anlaufstelle im gesamten Genehmigungsverfahren geben. Dieses soll in digitaler Form möglich sein. Die Mitgliedstaaten haben für genügend personelle Ressource zu sorgen.
Auch das Repowern von EE-Anlagen soll durch noch kürzere Fristen (siehe Tabelle) beschleunigt werden.
Für die Wind- und Wasserkraft wird speziell auf die Tier-Thematik eingegangen. Wenn ein Projekt während des Baus und im Betrieb geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen mit Tieren vorsieht, und wenn die Maßnahmen überwacht und gegebenenfalls nachgeschärft werden, wird der Verlust oder die Störung nicht als vorsätzlich im Sinne der Flora-und-Fauna-Habitat-Richtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie angesehen.

Überragendes öffentliches Interesse anzuwenden

Ein weiterer zentraler Punkt der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten,die Errichtung und den Betrieb von EE-Anlagen, den Netzanschlüssen sowie der zugehörigen Netzinfrastruktur als „überragendes öffentliches Interesse“ zu sehen. Ein „überwiegendes Interesse“ wurde bereits in der EU-Notfallverordnung Ende 2022 als Antwort auf die entstandene Energiekrise aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eingeführt.
Die EU-Notfallverordnung gilt unmittelbar und überlagert nationales Recht. Sie ist bis Mitte 2024 wirksam. Das Ziel war, den Mitgliedstaaten schnelle und unkomplizierte Gesetzesänderungen zu ermöglichen. Ein „überragendes öffentliches Interesse“ wird nun in der Richtlinie RED III fortgeführt.
Das Besondere ist, dass dieses Interesse bei allen Entscheidungen anzuwenden ist, wo zwischen dem Interesse am EE-Ausbau und anderen Interessen abgewogen werden muss. Dabei bekommem EE-Anlagen samt Infrastruktur eine enorme Stärkung. Das gilt jedenfalls für neue Verfahren.

Wärme-Ziele im Detail

Im Wärmesektor sieht die RED III (neben dem 49 %-Ziel) vor, dass Mindestanforderungen am Erneuerbaren-Anteil im Heizsystem gestellt werden. Bei einkommensschwachen Haushalten sollen finanzielle Hilfestellungen bereitgestellt werden.
Der EE-Anteil bei Wärme und Kälte soll zwischen 2026 und 2030 um jährliche 1,1 %-Punkte steigen (Fernwärme/kälte 2,2 %-Punkte). Die Betreiber von Fernwärmenetzen mit einer Kapazität von mehr als 25 MWh sollen dazu angehalten werden, Drittanbietern die Möglichkeit des Netzzuganges zu gewähren.
Auch die Ausbildung der Installateure und Planer wird in der RED III geregelt. Demnach sollen sie durch ein akkreditiertes Ausbildungsprogramm zertifiziert sein müssen. Eine Liste der zertifizierten Betriebe muss veröffentlicht werden.

Klimafreundlicher Verkehr

Jeder EU-Mitgliedstaat muss die Kraftstoffanbieter dazu verpflichten, die Menge der Treibstoffe sowie der Elektrizität bis 2030 auf einen EE-Anteil von 29 % zu erhöhen oder die Treibhausgasintensität um 14,5 % zu senken. Der Biokraftstoffanteil (inklusive nicht-biogene, wie Wasserstoff) soll bis 2030 mindestens 5,5 % betragen.
Ferner soll ein Credit-System etabliert werden. Das heißt, dass Betreiber von Ladestationen für jede verkaufte erneuerbare Kilowattstunde Credits erhalten, die an Händler fossiler Treibstoffe verkauft werden können. Dieses System ist in Österreich bereits vorhanden.

Bürokratie-Paket bei Biomasse

Die Änderungen im Bioenergie-Bereich führten zu enormen Diskussionen auf EU- und auf nationaler Ebene. Grundsätzlich gilt Energieholz aus dem Wald weiterhin als erneuerbar und soll gefördert und ausgebaut werden. Im Detail wurden aber einige in der Branche schwer nachvollziehbare Änderungen vorgenommen, die als unverhältnismäßige Erhöhung des bürokratischen Aufwands empfunden werden.
Wenig Verständnis wird vonseiten der Forstwirtschaft und der Anlagenbetreiber der Einführung der Kaskadennutzung entgegengebracht, weil es einen unnötigen und verzerrenden Markteingriff darstelle. Demnach soll Holzbiomasse dort eingesetzt werden, wo der höchste wirtschaftliche und ökologische Mehrwert zu erwarten ist. Ausnahmen sind, wenn die Energieversorgung gefährdet ist und die Industrie nicht in der Lage ist, das Holz zu nutzen. Wie das praktisch bei einer „verderblichen Ware“ umgesetzt wird, bleibt offen.
Auch Noteinschläge und Holz aus Waldbrandpräventionsmaßnahmen sind von der Kaskade ausgenommen. Jeder Mitgliedstaat hat der EU die Holzmengen, die den Ausnahmeregelungen entsprechen, jährlich zu melden.
Es darf keine finanzielle Unterstützung für die energetische Nutzung von Sägerund- und Furnierrundholz sowie Industrieholz samt Wurzeln und Stöcken erfolgen. Das Gleiche gilt für die reine Stromerzeugung aus Waldbiomasse. Ausnahmen: BECCS-Anlagen und abgelegene Gebiete. Definition und Regelung liegen im Bereich der Mitgliedstaaten.
Die Wertschöpfungskette muss sich einer unabhängigen Zertifizierung unterziehen, wenn die Gesamtfeuerungswärmeleistung der Anlage 7,5 MW (Biogas 2 MW) übersteigt. In der RED II waren es noch 20 MW. Diese Zertifizierung wird gerade in Österreich mit all ihren Herausforderungen eingeführt.
Die Mitgliedstaaten müssen eine Risikobewertung durchführen, und dabei werden „No-go-Areas“ ausgewiesen. Auch in die Forstbewirtschaftung wird durch ausdrückliche Vorgaben auf beispielsweise Kahlschlag, Totholzanteil oder Bodenverdichtung eingegriffen. Eine weitere Vorgabe ist das THG- Einsparungsziel von 80 % für Neuanlagen. Für Altanlagen gelten Übergangsregelungen bis 2030. Trotz der enormen Bürden blickt die Branche optimistisch in die Zukunft, denn die Kommentare aus Brüssel bestätigen, dass eine Energiewende ohne Biomasse nicht möglich ist.
Die größte RED III-Herausforderung kommt aber noch: Die fristgerechte nationale Umsetzung.