Klimaschutzgesetz verstößt teilweise gegen Grundrechte

06.05.2021

(AFU) – Ein Paukenschlag gegen die deutsche Klimapolitik ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe. Das Who-is-who der deutschen Umwelt-NGOs legte eine Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz (KSG) ein. Als Klä­ge­rIn­nen waren aber nur reale Personen zugelassen. Das Gericht gab der Beschwerde teilweise recht. Die Regelungen im KSG bezüglich der nationalen Klimaschutzziele samt der zulässigen Jahresemissionsmengen bis 2030 seien teilweise mit den Grundrechten nicht vereinbar, weil es keine „hinreichenden Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031“ gibt. „Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern“, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Richter verlangen deshalb einen Emissionsminderungspfad für die Jahre nach 2030, damit nicht unverhältnismäßig hohe Reduktionen auf die nächsten Generationen abgewälzt und damit ihre Grund- und Freiheitsrechte beschnitten werden. Die gesetzliche Anpassung soll bis Ende 2022 vollzogen werden.

Klimaneutralität bis 2045 samt neuen Zwischenzielen

Im KSG ist ein Treibhausgas-Reduktionsziel von 55% verglichen mit 1990 festgeschrieben worden. In einer ersten Reaktion gelobten Umweltministerin Svenja Schulze und Vizekanzler Olaf Scholz Besserung und legten sogleich ein Paket vor: Minus 65% bis 2030 im Vergleich zu 1990. Ferner soll ein neues Zwischenziel von Minus 88% bis 2040 eingeführt werden. Schlussendlich soll Deutschland 2045 die Klimaneutralität erreichen. Laut Bundeskanzlerin Angela Merkerl soll das KSG noch vor der Wahl novelliert werden.

Revolutionäre Folgen?

Zahlreiche Experten und Kommentatoren sehen bei den Klimazielen durchwegs positiven „Überbietungswettbewerb“, stehen doch in Deutschland Bundestagswahlen vor der Haustüre. Revolutionär am Urteil sind aber die möglichen Folgen für die künftige (auch internationale) Rechtssprechung, denn die bisherigen gerichtlichen Entscheidungen gegen die Klimapolitik sind rar gesäht. Durch die Entscheidung ist nunmehr klar, wer gegen die Klimapolitik klagen kann: Jeder und jede natürliche Person, die sich in ihren künftigen Freiheitsrechten bedroht sieht – nicht nur durch den Klimawandel sondern auch durch die künftig zu erwartenden strengeren Maßnahmen der Regierung. Ein zweiter wesentlicher Erfolg ist, dass das Pariser-Klimaschutzabkommen (und dessen Ziele) in seinem Verfassungsrang bestätigt wurde. In diesem Zusammenhang spielt die Berechnung des CO2-Budgets eine entscheidende Rolle. Hier hat aber das Gericht die globalen Berechnungen des Weltklimarates (IPCC) und die nationalen des Sachverständigenrates für Umweltfragen herangezogen. Ein dritter entscheidender Punkt ist die Planungsicherheit, die vom Gericht gefordert wird: „Das Risiko gravierender Belastungen ist jedoch hoch und kann mit den künftig betroffenen Freiheitsgrundrechten nur in Einklang gebracht werden, wenn dies mit Vorkehrungen zur grundrechtsschonenden Bewältigung der nach 2030 drohenden Reduktionslast verbunden ist. Das verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erforderlich ist, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die notwendigen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.“

HIER die Entscheidungsbegründung in der Langfassung