Bedenken der Bundesländer

16.03.2023

(PA_Parlamentsdirektion) Die Diskussionen rund um das mögliche Aus für Verbrennungsmotoren bei Neuwagen ab 2035 beschäftigten heute auch den EU-Ausschuss des Bundesrats. Grund dafür ist ein Verordnungsvorschlag der Kommission zur Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge. Brüssel will damit Anreize für emissionsfreie Technologien im Automobilsektor bzw. zur Elektrifizierung von Fahrzeugen schaffen. Gegen den Verordnungsvorschlag stellte sich die FPÖ mit einem Antrag auf Stellungnahme, mit der sie die Bundesregierung auffordern wollte, sich auf europäischer Ebene gegen das Verbot von Benzin- und Dieselfahrzeugen zu positionieren, fand damit bei den anderen Parlamentsfraktionen allerdings keine Zustimmung. 

Gegenstand der Beratungen im EU-Ausschuss des Bundesrats waren zudem zwei Richtlinienvorschläge der Kommission zur Erreichung der angepeilten Schadstofffreiheit. Dabei geht es um das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser sowie um die Luftqualität in der Union. 

Kommission will Anreize für emissionsfreie Fahrzeuge schaffen

Konkret sieht der Kommissionsvorschlag zur Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue Pkw und für neue leichte Nutzfahrzeuge vor, dass das CO₂-Ziel 2030 für Pkw von bisher -37,5 % gegenüber dem Jahr 2021 auf -55 % angehoben wird, jenes von leichten Nutzfahrzeugen von bisher -31 % auf -50 %. Das CO2-Ziel 2035 von -100 % soll neu eingeführt werden. Die Vorschläge zur Überarbeitung der EU-Rechtsvorschriften sind Teil des sogenannten „Fitfor55-Pakets“, wonach die Emissionen der Europäischen Union bis 2030 um 55 % im Vergleich zum Jahr 1990 sinken sollen, wie ein Vertreter des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Ausschuss erklärte. Laut Ministerium sind die neuen Vorgaben essentiell, um die Emissionen im Verkehrssektor europaweit und national zu senken.

Geht es nach der Arbeiterkammer, hat Europa den technologischen Wandel des für Österreichs Beschäftigung wichtigen Automobilsektors verschlafen. Dieser Wandel müsse jedenfalls fair und sozial gestaltet werden, so ein Vertreter im Ausschuss. Man warte auf Vorschläge der Kommission, wie etwa die Produktion von E-Fuel vorangetrieben werden soll. Im Moment sei Elektromobilität für „die Frau oder den Mann mit kleiner Brieftasche“ keine Alternative.

Der einzige Grund, warum Verbrennungsmotoren verboten werden sollen, sei das Dogma, dass CO2 zu einem Klimawandel führe, sagte Johannes Hübner (FPÖ/W). Den „CO2-Gläubigen“ fehle allerdings die Gesamtschau, die Bezeichnung von Elektroautos als emissionsfreie Fahrzeuge sei ein reiner Etikettenschwindel, verwies Hübner auf den CO2-Ausstoß bei deren Herstellung. In Hinblick auf die CO2-Bilanz sei es absurd, auf E-Mobilität umzusteigen. Nicht zu verachten seien zudem die Kosten, zumal Elektrofahrzeuge wesentlich teurer als Diesel- oder Benzinfahrzeuge seien. Hinsichtlich anderer Antriebsarten wie Wasserstoff liege für eine zukunftsfähige Alternative noch nichts auf dem Tisch. 

Vonseiten der SPÖ stellte Günther Novak (SPÖ/K) in den Raum, dass alternative Antriebsarten wie E-Fuel bei weitem noch nicht durchdacht und fertiggestellt seien. Die Bevölkerung dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Insbesondere bei Elektromobilität hegte er Bedenken in Bezug auf die Umsetzbarkeit in den Städten und ländlichen Regionen sowie hinsichtlich hoher Kosten.

Adi Gross (Grüne/V) und Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) standen hinter den Vorschlägen der Kommission zur Reduktion der CO2-Emissionsnormen. „Politiker:innen, die an Verbrennungsmotoren festhalten, verkaufen der Bevölkerung Luftschlösser“, so Arlamovsky. E-Fuel, Wasserstoff oder synthetisch hergestellte Kraftstoffe hätten einen viel besseren Wirkungsgrad. „Verbrennungsmotoren sind von gestern“, schloss sich Gross an, in Elektromobilität liege noch viel Potential. Die „Verbrenner-Nostalgie“ sei zudem auch wirtschaftspolitisch gefährlich.

Vonseiten der ÖVP setzten sich Sonja Zwazl (ÖVP/N), Ausschussobmann Christian Buchmann (ÖVP/St) und Martin Preineder (ÖVP/N) für Technologieoffenheit ein. Sie vertraue auf die Innovationskraft und Forschung der Autoindustrie, sagte Zwazl, man dürfe in Bezug auf Antriebsmöglichkeiten keine Denkfesseln anlegen. Ziel müsse es bleiben, den Verkehr in Zukunft klimaneutral zu gestalten. Man müsse wegkommen von Ideologien und „Schwarz-Weiß-Denken“, ergänzte Buchmann. Chancengerechtigkeit müsse es für Menschen im ländlichen Raum geben.

Neue EU-Vorgaben für kommunales Abwasser

Die Kommission will die Vorgaben für das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser überarbeiten. Ziel der mehr als 30 Jahre alten Richtlinie ist es, die Umwelt vor schädlichen Auswirkungen durch Einleitungen von kommunalem Abwasser und von Abwasser bestimmter Industriebranchen zu schützen. Die Mitgliedstaaten mussten so etwa bisher sicherstellen, dass das Abwasser aus allen Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohner:innen nach EU-Mindeststandards gesammelt und behandelt wird. Gemäß Evaluierungen wurde die Richtlinie bisher in der gesamten Union „in hohem Maße“ eingehalten, wodurch die Freisetzung von Schadstoffen verringert werden konnte.

Handlungsbedarf sieht die Kommission dennoch gegeben, um im Sinne des europäischen Grünen Deals bzw. der angepeilten Klimaneutralität bis 2050 einen besseren Gesundheits- und Umweltschutz zu erreichen, indem Schadstoffeinleitungen aus kommunalen Quellen weiter reduziert werden sollen. Es gebe Verschmutzungen, die nicht von den geltenden Vorschriften umfasst sind, so die Kommission. Dazu gehören Verschmutzungen durch Kleinstädte und Verschmutzungen durch Regenüberläufe, auch Mikroschadstoffe wie Rückstände von Arzneimitteln und Kosmetika sind derzeit nicht von der Richtlinie erfasst. Zur Förderung der Wasserqualität oder Stärkung der Kreislaufwirtschaft sieht der Richtlinienvorschlag strengere Anforderungen als bisher an das Sammeln, Behandeln und Einleiten von Abwasser vor.

Die neuen Vorschriften sollen demnach insbesondere auf eine Energieneutralität des Abwassersektors etwa durch eine Verringerung des Energieverbrauchs und eine Verpflichtung der Industrie zur Behandlung giftiger Mikroschadstoffe mittels Verursacherprinzip abzielen. Auch der Zugang zur Sanitärversorgung in öffentlichen Räumen soll verbessert und eine Überwachung der Gesundheitsparameter im Abwasser verpflichtend werden. Konkret soll der Anwendungsbereich der Richtlinie auf alle Städte mit mehr als 1.000 Einwohner:innen ausgeweitet werden. Die neuen Vorschriften sollen zudem künftig auch für Regenwasser gelten und die EU-Mitgliedsstaaten werden verpflichtet, integrierte Abwassermanagementpläne in Gemeinden mit mehr 100.000 Einwohner:innen aufzustellen. Kommunale Kläranlagen sollen ihren Energieverbrauch zudem deutlich senken und Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Die Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetika sollen verpflichtet werden, die Kosten für die Entfernung von Mikroschadstoffen, die aus ihren Produkten stammen und in das Abwasser gelangen, selbst zu tragen.

Bedenken der Bundesländer

Die Bundesländer hegen Bedenken und sehen einige Vorgaben – etwa in Bezug auf Fristen und Mindestanforderungen – als unrealistisch, unverhältnismäßig bzw. nicht umsetzbar, wie aus einer einheitlichen Stellungnahme hervorgeht. Das betrifft etwa die intendierten Abwassermanagementpläne. Gefordert werden „zeitlich realistische“ Vorgaben zur Umsetzung. Auch in  einer vom EU-Ausschuss des Bundesrats gefassten Mitteilung mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ an Brüssel wird insbesondere die Vielzahl an sogenannten delegierten Rechtsakten, mit denen die Kommission direkt Regelungen vorgeben kann,  kritisch gesehen. Es sollte den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, sich so zu organisieren, um vorhandene Organisations- und Verwaltungsstrukturen in den Mitgliedsstaaten optimal nutzen zu können, stärkte der Bundesratsausschuss den Bundesländern in der Mitteilung den Rücken. Hervorgehoben wird dabei die angedachte Festlegung an Mindestanforderungen für die Konzeption, den Betrieb und die Wartung an Kleinkläranlagen sowie deren regelmäßigen Inspektionen. Es handle sich dabei um individuelle Abwassersysteme.

Der im Ausschuss als Auskunftsperson anwesende gemeinsame Vertreter der Bundesländer erklärte, dass der Kommissionsentwurf sehr viele Detailpunkte beinhalte, die noch genauer beleuchtet werden müssten und warnte grundsätzlich vor sehr hohen Kosten für Städte und Gemeinden. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) und Günther Novak (SPÖ/K) traten dafür ein, die Bedenken der Bundesländer ernst zu nehmen. Die Änderungen müssten für die Städte und Gemeinden auch verkraftbar sein, so Novak. 

Vonseiten des Landwirtschaftsministeriums wird die Überarbeitung der kommunalen Abwasserrichtlinie als Investition in die Zukunft grundsätzlich positiv bewertet, wobei es im Detail noch Diskussionsbedarf gebe. Das allgemein hohe Ambitionsniveau der Kommission werde unterstützt, etwa wenn es um die Einbindung kleinerer Gemeinden oder die vierte Reinigungsstufe für Kläranlagen geht, so die Ministeriumsvertreterin im Ausschuss. Kritisch werden vom Ministerium kurze Umsetzungsfristen sowie die vorgeschlagenen Stickstoffgrenzwerte gesehen.

Johannes Hübner (FPÖ/W) sah im neuen Entwurf der kommunalen Abwasserrichtlinie eine Einschränkung, Überwachung und Entdemokratisierung nationaler Entscheidungsprozesse. Gerade in einem Land wie Österreich mit bereits hohen Standards brauche es keine weiteren Vorschriften. Die Mitteilung an Brüssel sei zwar zahnlos, die FPÖ stimme ihr aber zu. Viel besser wäre es, der Bundesregierung ein Mandat zu geben, sich gegen die neuen Vorschläge auszusprechen. 

„Wir begrüßen die Richtlinie ausdrücklich“, sagte Adi Gross (Grüne/V) vonseiten der Grünen. Es handle sich dabei um einen wichtigen Schritt in eine neue Qualitätsstufe der Abwasserreinigung. Die Zustimmung sei kein Widerspruch zu begründeter Detailkritik, teilweise seien Fristen zu knapp angesetzt, so der Bundesrat. Ausdrücklich positiv bewertete er die neue Regelung der Herstellerverantwortung: „Verursacher sollen endlich zur Kassa gebeten werden.“.

Die beiden betroffenen Branchen der Herstellerverantwortung, nämlich die Kosmetik- und Pharmabranche, hätten keine besondere Freude, sagte ein Vertreter der Wirtschaftskammer im Ausschuss. Bürdet man diesen Branchen die Last auf, könnte es etwa im Gesundheitssystem zu erhöhten Kosten kommen. Auch vonseiten des Ministeriums hieß es, dass es zu einer Kostenumwälzung kommen könnte. Durch die Regelung lohne es sich in Hinkunft für Hersteller allerdings, Produkte mit weniger gefährlichen Wirkstoffen zu erzeugen. Grundsätzlich sollen auch Importeure aus Drittstaaten unter die Regelung fallen.

Andreas Spanring (FPÖ/N) wertete es als unrealistisch, dass etwa die Pharmabranche etwas von „ihren Milliardengewinnen abzweigen“ werde. Die Produkte würden teurer werden und die Kund:innen bzw. Steuerzahler:innen müssten mehr zahlen. Die neuen angepeilten Abwasserregelungen würden zudem die Gemeinden finanziell sehr belasten, es gehe hier um Millionenprojekte. Die geplante vierte Reinigungsstufe für Kläranlagen werde die Kommunen sehr treffen, sagte auch Ingo Appé (SPÖ/K).

Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) sprach von einer Notwendigkeit zur Überarbeitung der Richtlinie. Auch der Abwassersektor habe einen wesentlichen Anteil am Energieverbrauch.

Saubere Luft in der EU

In der EU sind jährlich 300.000 vorzeitige Todesfälle und eine beträchtliche Zahl nicht übertragbarer Krankheiten wie Asthma,

Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs nach wie vor auf Luftverschmutzung zurückzuführen. Eine Neufassung schlägt die Kommission deshalb für die Richtlinie zur Luftqualität und saubere Luft für Europa vor. Damit sollen neben dem Null-Schadstoffziel für das Jahr 2050 Grenz- und Zielwerte für einzelne Luftschadstoffe bis 2030 an die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angenähert werden. So sind Zielwerte im Richtlinienvorschlag etwa nur noch für Ozon enthalten, sonst sollen großteils Grenzwerte gelten.

Aus Sicht des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sind die ambitionierteren Grenzwerte angesichts von Umwelt- und Gesundheitsaspekten zu begrüßen. Man gehe aber etwa bei den Grenzwerten noch von schwierigen und längeren Verhandlungen aus. Auch Adi Gross (Grüne/V) erwartet noch „harte Diskussionen“ bei den Grenzwerten.

Die Vertreter der Arbeiter- und Wirtschaftskammer sprachen von einem pragmatischen Vorschlag. Während sich die Arbeiterkammer allerdings für die ambitionierteren Grenzwerte ausspricht, würde die Wirtschaftskammer auf Zielwerte setzen. Damit seien auch Maßnahmen verbunden, es führe aber nicht zu Vertragsverletzungsverfahren, so der Vertreter im Ausschuss.

Isabella Kaltenegger (ÖVP/St) plädierte dafür, auch Standortaspekte miteinzubeziehen. Durch die neuen Regelungen sollte es zu keiner Standortschwächung in der Union oder für Österreich kommen. Für die SPÖ meinte Dominik Reisinger (SPÖ/O), jede Initiative, die Schafstoffe in der Luft reduziert, sei wichtig. Die Gretchenfrage liege im „Wer“ und in den Zeiträumen.