Gastkommentar; #121/2022, S. 7

19.04.2022

Die starke Abhängigkeit von russischem Gas wird für europäische Staaten zunehmend problematisch. Österreich bezieht rund 80 % des heimischen Gasverbrauchs aus Russland und zählt somit zu den EU-Mitgliedsstaaten mit der höchsten Abhängigkeit gegenüber russischen Importen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine zeigt deutlich auf, dass es spätestens jetzt an der Zeit ist, die Importabhängigkeit drastisch zu verringern. Doch die alleinige Konzentration der Diskussion auf eine Diversifizierung der Bezugsquellen und eine Umstellung der Importe durch die Erschließung neuer Erdgasfelder oder alternativer Quellen (wie beispielsweise verflüssigtes Erdgas) führt keinesfalls aus der fossilen Sackgasse. 

Eine Umlenkung der Importe aus anderen Regionen wie Katar würde die Abhängigkeit nur verschieben. Hinzu kommt, dass sowohl der Bau neuer LNG-Terminals als auch der Ausbau der dazugehörigen Infrastruktur und zusätzlich benötigter Erdgastransportleitungen Unternehmungen darstellen, die weit bis in die 2030er Jahre hinein andauern. Langfristige Investitionen in derartige Vorhaben bedeuten den Ankauf weiterer fossiler Energie über Jahrzehnte und entpuppen sich in Anbetracht der geplanten Klimaneutralität Österreichs bis 2040 automatisch als Fehlinvestitionen. 

Anstatt Importabhängigkeiten von einer Region in die nächste zu verschieben, muss die prioritäre Mobilisierung des inländischen Potenzials sichergestellt werden, um die Versorgungssicherheit Österreichs weiterhin zu gewährleisten. Alternativen zu fossiler Energie sind vorhanden! 

Erneuerbare Gase wie etwa Biomethan aus Biogas, Klärgas und Holzgas oder grüner Wasserstoff können hierzulande produziert werden und schaffen es mittelfristig, einen Gutteil des nationalen Gasbedarfes zu decken. Österreich verfügt über ein sehr hohes Potenzial an organischen Abfällen und Reststoffen der Land-und Holzwirtschaft. Diese stehen in keiner Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion, im Gegenteil, durch die Sammlung und Vergärung dieser Materialien können die darin enthaltenen Nährstoffe im Kreislauf gehalten werden und dadurch die Importnotwendigkeit mineralischer Dünger substituieren. 

„… KÖNNEN ALLEINE MIT BIOMETHAN AUS BIOGAS UND HOLZGAS MITTELFRISTIG 30 % DES GASBEDARFES DECKEN.“ 

Schafft man es, dieses Potenzial zu erschließen, können alleine mit Biomethan aus Biogas und Holzgas mittelfristig 30 % des Gasbedarfes durch inländische Erzeugung gedeckt werden. Biogas stellt dabei die schnellst verfügbare und zukunftssicherste Alternative dar. Derzeit speisen bereits 15 Anlagen durch Aufbereitung von Biogas das erzeugte Biomethan in das Erdgasnetz ein. Durch die Umstellung bestehender Biogasanlagen auf die Gasnetzeinspeisung könnten zusätzlich über 100 Mio. m³ innerhalb von 1,5 Jahren dazukommen. 

„SPEICHERBEVORRATUNG IMPORTIERTER FOSSILER ENERGIE ALLEINE REICHT NICHT AUS …“ 

Potenzial für mehr ist ausreichend vorhanden. Alleine im Restmüll befinden sich noch immer bis zu 40 % organische Abfälle, die, bei einer ordnungsgemäßen Abfalltrennung, einem möglichen Energieertrag von 150 Mio. m³ Biomethan entsprechen. Zudem verfügt Österreich bereits heute über die nötigen Spitzentechnologien im Bereich der organischen Abfallbehandlung, Nutzung von Reststoffen aus Land- und Holzwirtschaft und der Gasaufbereitung, um bis 2030 rund 10 % des nationalen Erdgasbedarfes durch klimaneutrale Alternativen zu ersetzen. 

Der aktuelle Anteil an erneuerbarem Gas könnte bereits deutlich höher liegen, wäre ein entsprechender Rechtsrahmen für Investitionen in den Ausbau einer inländischen Grüngasproduktion geschaffen worden. Die österreichische Gasinfrastruktur ist vorbereitet und kann sofort und ohne hohen Kostenaufwand auf den Transport und die saisonale Speicherung klimaneutraler Gase umgestellt werden. Investitionen in den Ausbau der nationalen Grüngasproduktion würden einerseits einen Schritt Richtung Energieunabhängigkeit und krisenfester Versorgungssicherheit bedeuten und andererseits die inländische Wertschöpfung steigern. Damit diese Investitionen auch getätigt werden können, bedarf es nun eines entsprechenden Unterstützungssystems in Form einer Grün-Gas-Quote und eines verpflichtend einzuhaltenden Erneuerbare-Gase-Zieles von 10 TWh bis 2030. 

„ALLEINE IM RESTMÜLL BEFINDEN SICH NOCH IMMER BIS ZU 40 % ORGANISCHE ABFÄLLE …“ 

Doch anstatt endlich anzufangen und ein dementsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen, betreibt die Bundesregierung reine Symbolpolitik. Der aktuell vorliegende Novellierungsentwurf zum Gaswirtschaftsgesetz beinhaltet lediglich eine gesetzlich geregelte Gasreserve. Diese entlarvt sich jedoch als Schnellschuss ohne jegliche Zukunftsvision, da sie einerseits ein System darstellt, welches nicht marktkonform ist, sondern mit dem bereits bestehenden System sogar konkurriert und andererseits die Bevorratung überteuert und die Kosten gänzlich dem Staat aufbürdet. 

Soll die Versorgungssicherheit Österreichs für die Zukunft gesichert werden, reicht eine Speicherbevorratung importierter fossiler Energie alleine nicht aus, es muss endlich auch der Markthochlauf inländischer Grüngasproduktion gesichert werden und dazu die nötige gesetzliche Verankerung finden. Nur so werden weitere Fehlinvestitionen in fossile Infrastrukturen vermieden. Die Zeit, in die nationale erneuerbare Gasaufbringung zu investieren, ist jetzt reif!