Vom Reststoff zum Wertstoff

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Neue Pilotanlage in Wien-Simmering

05.11.2020

Baustart für eine neue Pilotanlage in Wien-Simmering, an der die Verwertung von Reststoffen zu umweltfreundlichen und CO2-neutralen Kraftstoffen demonstriert wird. Am Standort der Sondermüllverbrennungsanlage von Wien Energie wird von BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies eine neuartige Prozesskette zur Erzeugung und Nutzung eines wasserstoffreichen Synthesegases im Industriemaßstab umgesetzt. Gebaut wird die Anlage von der SMS Group. 

(PA_BEST Bioenergy and Sustainable Technologies) – Das K1 Kompetenzzentrum BEST arbeitet zusammen mit dem Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien seit Jahren an der Weiterentwicklung der Zwei-Bett-Wirbelschicht-Technologie zur Gaserzeugung, die bislang nur mit Holz als Brennstoff großtechnisch umgesetzt wurde. Am Standort Wien-Simmeringer Haide wird nun eine 1 MW Pilotanlage verwirklicht, an der auch der Einsatz von Reststoffen in industrienahem Maßstab beforscht und demonstriert werden soll. Die Anlage ist die zentrale Schlüsseltechnologie für eine Reihe nachfolgender Verwertungsmöglichkeiten für das mit der Anlage hergestellte Synthesegas. Die verschiedenen Verwertungspfade zu erneuerbarem CO2-neutralem Diesel (Fischer-Tropsch (FT) Kraftstoff) und Kerosin; gemischten Alkoholen; synthetischem, grünem Erdgas und grünem Wasserstoff bilden allesamt Elemente der Dekarbonisierungsstrategie der Stadt Wien ab. Für den Anlagenbauer SMS Group, einem der Weltmarktführer im Anlagenbau für die Stahlindustrie, ist es der Einstieg in eine neue Technologie, um in seinen Kernmärkten eine Ergänzung zur strombasierten Bereitstellung von Wasserstoff als Energieträger und Reduktionsmittel für die Stahlproduktion anbieten zu können. 

Im Zuge des 9 Mio EUR COMET-Projektes „Waste2Value“ (frei übersetzt: Wertschöpfung aus Abfall) wird die Nutzung von Reststoffen vorangetrieben, aus denen ein wasserstoffreiches Synthesegas erzeugt wird. Reststoffe wie Klärschlamm, Rückstände aus der Papierindustrie sowie Mischungen mit Schadholzsortimenten stehen dabei im Fokus. In einem weiteren Verfahrensschritt wird das Gas zu flüssigen Kraftstoffen synthetisiert. Im Rahmen des noch bis 2023 laufenden COMET-Projektes wird die Anlage errichtet und entsprechende Betriebserfahrungen gesammelt. Die gesamte Prozesskette – vom Rohstoff, über die Gaserzeugung, die Gasreinigung, die Gasaufbereitung, die Synthesen, bis hin zur Aufbereitung und Einsatz des FT-Kraftstoffes in einem Flottenversuch der Wiener Linien – ist Gegenstand der Forschungsarbeiten von „Waste2Value“. Es handelt sich bei der Anlage um die weltweit erste Anlage dieser Art, mit der diese Technologie in einer einzigen, industrienahen und durchgehenden Prozesskette demonstriert wird. Die Ergebnisse des Projekts ermöglichen die wirtschaftliche und technische Beurteilung des Gesamtverfahrens und stellen die Grundlage für die geplante Umsetzung in einem größeren industriellen Maßstab durch Wien Energie dar. Seite 2 von 4 

Der Baustart für die Anlage erfolgte am 17. September 2020. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für den Frühling/Sommer 2021 geplant. Das Projekt wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert. Die Projektleitung hat das K1 Kompetenzzentrum BEST inne. Neben den bereits genannten Firmenpartnern Wien Energie und SMS Group, sind auch Heinzel Paper, Wiener Linien GmbH, Wiener Netze GmbH und die Österreichischen Bundesforste am Projekt beteiligt. Als wissenschaftliche Partner werden die TU Wien und die Luleå University of Technology am Projekt beteiligt sein. 

Vielseitige Einsatzmöglichkeiten des Synthesegaserzeugers 

Die Technologie ermöglicht es, über einen thermischen Umwandlungsprozess aus Reststoffen ein sogenanntes Synthesegas zu erzeugen, welches wiederum in verschiedene Energieträger wie grüne Kraftstoffe, grünes Gas und grünen Wasserstoff umgesetzt werden kann. Sind die eingesetzten Ausgangsstoffe erneuerbaren Ursprunges (Holz, Restholz, Klärschlamm, biogene Abfälle, …) so sind auch die Endprodukte zu 100% erneuerbar. Es ist aber auch denkbar, nicht erneuerbare Reststoffe (z.B. Plastikreste, die nicht recyclebar sind) zuzusetzen und so auch solche fossile Ausgangsstoffe mehrfach zu nutzen, ganz ähnlich wie dies beispielsweise auch beim Papierrecycling der Fall ist. 

Die große Bandbreite an möglichen Endprodukten macht die Technologie dabei extrem flexibel: Einerseits können nachhaltige Treibstoffe für Transportsektoren bereitgestellt werden, in denen Batterien nur schwer zum Einsatz kommen können (zB Landwirtschaft, Fernverkehr, Flugverkehr), andererseits kann auf Basis der selben Technologie auch grünes Gas für das Erdgasnetz oder grüner Wasserstoff für zukünftige Mobilitätslösungen oder industrielle Anwendungen erzeugt werden. 

Bei der Erzeugung von FT-Kraftstoff, der im Übrigen bei der Verbrennung deutlich geringere Partikelemissionen hat als fossiler Diesel, fallen parallel zudem auch wertvolle Chemikalien an, die in der chemischen Industrie benötigt werden. Eine weitere Möglichkeit ist die Synthese des erzeugten Gases zu nachhaltig produzierten Alkoholen, die ebenfalls von der chemischen Industrie verarbeitet werden. Setzt man als Ausgangsstoff Klärschlamm ein, ergibt sich in Zukunft auch eine aussichtsreiche Möglichkeit, den darin enthaltenen Phosphor zurückzugewinnen. Zur Herstellung von Düngemitteln für die Landwirtschaft ist Phosphor essentiell. Weltweit gibt es nur 2 Abbaugebiete und es gibt Schätzungen, dass der Abbau nur mehr für wenige Jahrzehnte möglich sein wird. 

Insgesamt ist mit der Technologie der thermochemischen Synthesegaserzeugung eine sehr interessante Technologie vorhanden, die großes Potential hat, ein zentraler Bestandteil für die zukünftige „Green Economy“ zu werden. Insbesondere für das waldreiche Österreich. 

Statements: 

Statement Bundesministerium 

„Forschende und Unternehmen leisten mit der Entwicklung neuer Technologien einen wirksamen Beitrag, um den digitalen und nachhaltigen Wandel innovativ zu gestalten. Wir Seite 3 von 4 

unterstützen sie dabei gezielt, u.a. mit dem Spitzenforschungsprogramm COMET, das den enormen Mehrwert der Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zeigt“, so Bundesministerin Margarete Schramböck. Die neue Pilotanlage des COMET-Zentrums BEST in Wien-Simmering decke dabei die gesamte Prozesskette ab und trage auch dazu bei, „hochwertige Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen“. 

(Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) 

Statement FFG 

„Beim Kompetenzzentrum BEST ist der Name Programm – sie liefern ‚Technology at its BEST‘“, so die beiden Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, Henrietta Egerth und Klaus Pseiner. Sie nehmen dabei im Bereich Bioenergie, biobasierter Ökonomie und zukunftsfähiger Energiesysteme eine Vorreiterrolle ein. „Gemeinsam mit innovativen Unternehmen und engagierten Forscherinnen und Forschern wie am COMET-Zentrum BEST wird uns der Aufschwung durch Innovation gelingen“, so die beiden FFG-Geschäftsführer. 

(Henrietta Egerth und Klaus Pseiner; Geschäftsführer FFG) 

Statement Wien Energie 

„Wien Energie erzeugt seit Jahrzehnten aus Abfall umweltfreundlichen Strom und Wärme für tausende Haushalte – und künftig vielleicht auch grünen Treibstoff! Wir freuen uns, den Standort Simmeringer Haide für diese wichtige Forschung zur Verfügung stellen zu können und uns mit unserer Expertise im Bereich der Abfallverwertung einzubringen. Gemeinsam mit den Partnern erforschen wir hier die Herstellung von Synthesegas sowie in einem weiteren Schritt die Produktion von grünem Diesel, grünem Erdgas oder auch grünem Wasserstoff. Diese Erzeugnisse sind wesentliche Bausteine für ein klimaneutrales Energiesystem der Zukunft. Die Industrie-Pilotanlage bereitet den Weg für einen Einsatz dieser Technologie in der Praxis.“ 

(Karl Gruber, Geschäftsführer von Wien Energie) 

Statement SMS 

„Für die SMS group stellt die geplante Demonstration der effizienten Gewinnung hochwertiger synthetischer Treibstoffe und Reduktionsmittel aus einem breiten Band an Reststoffen mittels Wirbelschicht-Synthesegaserzeugung einen weiteren wichtigen Meilenstein bei der Anpassung unserer Technologiepalette an die zukünftigen, vielfach durch Dekarbonisierungserfordernisse getriebenen Bedürfnisse der Kunden in unseren Kernmärkten dar. Im Bereich der Wasserstofferzeugung sehen wir vor allem auf der Umsetzungskostenseite unter den passenden Rahmenbedingungen eine potentiell sehr gute Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen, von uns parallel verfolgten Technologiepfaden.“ 

(Herbert Weissenbaeck, Leiter Strategische Projektentwicklung, SMS group GmbH) 

Statement BEST 

„An unserem neuen Standort Wien-Simmering entsteht in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnern ein Syngas-Forschungs- und Demonstrationshub von Weltformat. Wir investieren heute in jene Infrastruktur, die mittel- und langfristig für die angewandte Forschung zur Dekarbonisierung der Energiebereitstellung, zur Kopplung der Verwertung von Biomasse und Reststoffen mit dem erneuerbaren Stromsektor und zur Herstellung Seite 4 von 4 

grüner Grundstoffe für die chemische Industrie von zentraler Bedeutung ist. Kurzfristig stellt der Syngas-Hub das verfahrenstechnische Reality Lab für die Umsetzung der Dekarbonisierungsstrategie der Gemeinde Wien dar.“ 

(Walter Haslinger, CEO / CSO, BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH)