Klimaneutralität schon 2040?

09.01.2020
Gruppenfoto der österreichischen Bundesregierung – Kabinett Kurz II (v.l.n.r.) Bundesminister Heinz Faflmann, Bundesministerin Susanne Raab, Bundesministerin Elisabeth Köstinger, Staatssekretär Magnus Brunner, Bundesministerin Christine Aschbacher, Bundesministerin Margarete Schramböck, Bundesminister Alexander Schallenberg, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Bundesministerin Klaudia Tanner, Vizekanzler Werner Kogler, Bundesminister Rudolf Anschober, Bundesministerin Leonore Gewessler, Bundesministerin Karoline Edtstadler, Bundesministerin Alma Zadic, Bundesminister Gernot Blümel, Staatssekretärin Ulrike Lunacek und Bundesminister Karl Nehammer.

(AFU) Erstmals in der heimischen Geschichte sind die Grünen in einer Regierung vertreten. Die Erwartungen in Bezug auf die Themen Klimawandel und Energiewende sind dementsprechend groß. Umsetzen soll dies vor allem die ehemalige Global 2000-Geschäftsführerin Leonore Gewessler. Sie übernimmt mit ihrem „Superministerium“ die zentralen Stellen wie Klimaschutz, Umwelt, Verkehr bzw. Infrastruktur, Energie, Technologie und Innovation. An ihrer Seite wird Magnus Brunner (ÖVP) als Staatssekretär wirken, der zuvor die Ökostromabwicklungsstelle OeMAG geleitet hat.

Elisabeth Köstinger wurde erneut zur Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus bestellt. Der Name des Ressorts wird künftig „Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus“ lauten. Im Ressort sind alle Agenden des ländlichen Raums gebündelt: Von der Landwirtschaft, der heimischen Lebensmittelproduktion, der regionalen Wertschöpfung in der Forstwirtschaft bis hin zum Wirtschaftsmotor Tourismus und der Regionalpolitik.

328 Seiten umfasst das neue Regierungsprogramm, und das erste ersichtliche Ziel im Kapitel Klimaschutz & Energie lautet: Klimaneutralität bis 2040 (also zehn Jahre früher als bislang geplant) und verbindliche Zwischenziele für 2030. Eine CO2-Abgabe kommt aber vorerst nicht. Eine Taskforce soll gegründet werden, die eruiert, wie viel das Emittieren einer Tonne CO2-Äquivalent kosten soll. Danach sollen (ab rund 2022) im Rahmen einer ökosozialen Steuerreform „aufkommensneutral klimaschädliche Emissionen wirksam bepreist und Unternehmen sowie Private sektoral entlastet werden“. Dabei werden zwei Optionen in den Raum gestellt: Ein nationaler Emissionshandel oder eine Bepreisung über bestehende Abgaben.

Im Wärmesektor wurde ein Installationsverbot von Ölheizungen ab 2020 bereits umgesetzt. Ab 2021 soll dieses auch auf Bestandsanlagen ausgeweitet werden. Ab 2025 müssen dann Kessel, die älter als 25 Jahre sind, ebenfalls getauscht werden. Spannend sind die Ankündigungen im Gassektor: Ab 2025 keine Neuanschlüsse; Ausbaustopp für Gasleitungen (Ausnahme Nachverdichtung), generelles Aus für fossile Heizungen bis 2035. Erneuerbares Gas soll vordergründig für Hochtemperaturanwendungen eingesetzt werden.

Im Strombereich gilt weiterhin das 100%-Ziel bis 2030. Folgende Ausbauziele werden angegeben: 11 TWh PV, 10 TWh Windkraft, 5 TWh Wasserkraft und 1 TWh Biomasse. Dies soll durch einen linearen Ausbaupfad erzielt werden. Als Fördersysteme werden eine gleitende Marktprämie und Investitionsförderungen genannt. Der Förderzeitraum soll auf 20 Jahre verlängert werden. Die Finanzierung übernimmt weiterhin der Stromkunde über die Ökostrompauschale. Im dreijährigen Mittel darf aber die Förderung jährlich nicht die Milliardengrenze überschreiten. Im Augenblick ist das Ökostromförderkontigent auf rund 600 Mio. Euro gefallen, in stärkeren Ausbauphasen lagen die Kosten auch bei 800 Mio. Euro.

Der größte Energiewende-Brocken ist die Mobilität. Hier ist die Handschrift der Grünen am deutlichsten zu sehen. Ein zentrales Element ist das 1-2-3-Österreich-Ticket für den öffentlichen Verkehr, das österreichweit und für das ganze Jahre gelten soll, nach dem Motto 1 Euro pro Tag in einem Bundesland, 2 Euro pro Tag in einem und im Nachbarbundesland, um 3 Euro pro Tag das gesamte Bundesgebiet. Begleitend soll das öffentliche Netz ausgebaut (Stichwort Öffi-Milliarde) und auf die anderen Mobilitätsformen besser abgestimmt werden. Beim Individualverkehr wird weiterhin die Anschaffung von E- und Wasserstoff-Autos gefördert (Privatwagenprämie). Bei Treibstoffen soll die E10-Beimischung eingeführt werden. Der Import von Biodiesel wird stärker „überprüft“ (Stichwort Palmöl). Ein Aus für die Neuzulassung von Pkw mit Verbrennungsmotoren wird mit dem Jahr 2027 angestrebt. Auch die Geschwindigkeitsreduktion ist ein Thema. Das 140 km/h-Projekt von Norbert Hofer (FPÖ) auf gewissen Autobahnabschnitten ist jedenfalls Geschichte. Auch zur Luft- und Schifffahrt haben sich die Koalitionsparteien Gedanken gemacht.

Pläne gibt es also ausreichend, wie diese finanziert werden sollen, bleibt hingegen vage. Im Finanzierungskapitel wird von der Mobilisierung von Privatkapital gesprochen. Insgesamt spricht die Regierung davon, eine ausreichende Klimafinanzierung bereitzustellen. Details sind aber aus dem Programm nicht ersichtlich.

Lesen Sie mehr dazu im Regierungsprogramm.