Kommentar; Ausgabe 115/2020, S. 2

25.05.2020

Je nach politischer Weltlage wird die „doomsday clock“ – zu Deutsch Weltuntergangsuhr oder auch „Uhr des Jüngsten Gerichts“ – von einer Reihe von Atomwissenschaftern, darunter zahlreiche Nobelpreisträger, symbolisch vor- oder zurückgestellt. 1947 wurde die Atomkriegsuhr sinnbildlich mit sieben Minuten vor zwölf gestartet. Im Jänner 2018 stand sie bereits auf zwei Minuten vor zwölf. Die bedrohlichen Zukunftserwartungen wurden von den Wissenschaftern in diesem Jänner auf der „Uhr“ mit dramatischen 100 Sekunden vor zwölf signalisiert. Als verantwortlich dafür gelten zwei existenzielle Gefahren: Zum einen gibt es keine Abrüstungsverhandlungen, darüber hinaus wird der Einsatz von Atomwaffen durch Donald Trump noch befürwortet. Der in vielen Regionen und Ländern längst gegebene Klimawandel verschärft das extreme Bedrohungspotenzial. Und von der Corona-Pandemie war damals noch keine Rede …

„DAS PARIS-ABKOMMEN ERWEIST SICH BISHER ALS KLASSISCHE LEERFORMEL, ALS PAPIERTIGER, WEIL DIE CO2-REDUKTIONEN DER EINZELNEN LÄNDER NUR AUF FREIWILLIGER BASIS ERFOLGEN SOLLEN.“

Zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen werden von nur zehn Ländern verursacht. China war 2018 mit einem Anteil von 28 % an den globalen Kohlenstoffdioxid-Emissionen der weltweit größte Emittent, gefolgt von den USA und Indien. Wobei zu erwähnen ist, dass China enorme Anstrengungen unternimmt, den eigenen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Das hindert die Chinesen aber nicht daran, Kohle und Kohlekraftwerke im Rekordausmaß nach Indien zu verscherbeln. Auf den Pro-Kopf-Verbrauch umumgerechnet „führen“ die Amerikaner überlegen vor den Europäern.

Das Paris-Abkommen erweist sich bisher als klassische Leerformel, als Papiertiger, weil die CO2-Reduktionen der einzelnen Länder nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollen. Mögen Wissenschafter, Journalisten und Militärs auch eindringlich vor dem Klimawandel warnen, wirklich effiziente Maßnahmen der verantwortlichen Politiker blieben bisher aus. Nicht einmal das Abbrechen gewaltiger Eisberge in der Arktis, größer als die Spitze von Manhattan, vermag sie aufzurütteln. Der Anstieg des Meeresspiegels erfolgt heute bereits schneller als von Wissenschaftern vorausgesagt.

Billionenschwere Corona-Konjunkturprojekte sollten auch für Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und umweltfreundlichen Nahverkehr genutzt werden. Dann kann die Corona-Krise eine gewaltige Chance für den Klimaschutz darstellen – wenn sie gemeinsam mit dem derzeitigen Umwelt- und Klimanotstand in einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft mündet …

„BILLIONENSCHWERE CORONA-KONJUNKTURPROJEKTE SOLLTEN AUCH FÜR INVESTITIONEN IN ERNEUERBARE ENERGIEN, ENERGIEEFFIZIENZ UND UMWELTFREUNDLICHEN NAHVERKEHR GENUTZT WERDEN.“

Österreich stehen in der Klimapolitik besonders harte Jahre bevor. „Ambitioniert“ ist der Anspruch der Regierung, sich beim Klimaschutz in eine Spitzenposition zu hieven. Das wird mehr als mühsam, weil sich Österreich gegenüber 1990 mit seinen Treibhausgasemissionen als klarer Nachzügler ausweist. Bis 2040 klimaneutral zu werden bedeutet nichts anderes, als dass die Treibhausgase laut Stefan Schleicher, Klimaexperte des WIFO und der Uni Graz, ab sofort um fünf Prozent verringert werden müssen – und das pro Jahr. Bis 2040 soll es keine Zapfsäulen für Benzin und Diesel mehr geben. Offen bleibt, wie die energieintensive Stahl-, Zement- und Chemieindustrie mit diesem Ziel zurechtkommt – eine mehr als haarige Sache.

Europa insgesamt und Österreich im Speziellen müssen sich dringend mit jenen Technologien auseinandersetzen, bei denen die USA und China seit Jahren um die Spitzenpositionen rittern. Sie umfassen im Wesentlichen künstliche Intelligenz und Roboterisierung. Ein Green Deal für Österreichs Wirtschaft müsste quasi im Windschatten mit der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einhergehen. Mit vagen Absichtserklärungen für die Bepreisung von CO2-Emissionen – daraus sollen die erforderlichen Innovationen finanziert werden – wird kein Staat zu machen sein. Zigtausende Jahresarbeitsplätze wären in Österreich durch den Ausbau erneuerbarer Energie möglich.

„BIS 2040 TREIBHAUSNEUTRALITÄT ZU ERREICHEN KLINGT GUT, DOCH WENN DIE EMISSIONEN WEITER STEIGEN ODER GLEICH BLEIBEN, IST DER WEG IN DIE KLIMAKATASTROPHE VORGEZEICHNET.“

Mehr als ein Drittel der österreichischen Treibhausgasemissionen stammt aus der Sachgüterproduktion, Industrie und Gewerbe brauchen daher ein energiearmes Styling, das heißt, die Klimaneutralität muss auf den Säulen einer zielorientierten Innovation, die das Gesamtziel im Auge hat, und auf entsprechenden Klimastrategien des Bundes, der Länder und Gemeinden basieren, die einzelnen Bürger nicht zu vergessen.

Bis 2040 Treibhausneutralität zu erreichen klingt gut, doch wenn die Emissionen weiter steigen oder gleich bleiben, ist der Weg in die Klimakatastrophe vorgezeichnet. Die Staatenlenker mit Donald Trump an der Spitze haben die Dringlichkeit der Lage bisher offensichtlich nicht verstanden oder wollen sie gar nicht verstehen. Mit seinen Konjunkturpaketen will er nun die Öl- und Gasindustrie sowie die Fluggesellschaften bevorzugt fördern. Wie formulierte „Amanda Klachl“, Pointen-Ikone der „Kleinen Zeitung“, prägnant? „Der Weltwirtschaftsgipfel Davos bewies erneut: Wenn Wissen Trumpf ist, dann ist Dummheit Trump.“ Mit Politikern seines Schlages wird der Kampf gegen den Klimawandel zu einer verhängnisvollen Mission impossible, wo aber eine echte Mission possible das einzige und wahre Gebot der Stunde sein kann, weiß