
(PA_clavis) – Bürger:innenbefragungen gehen zumeist gegen neue Projekte aus, zeigt eine aktuelle clavis-Studie. Obwohl Windkraft eigentlich die Ausnahme darstellt, stimmte die Kärntner Bevölkerung mehrheitlich gegen einen weiteren Ausbau in den Bergregionen. Ja/Nein-Fragen erschweren die sachliche Information und führen zur Emotionalisierung.
Bei der rechtlich nicht bindenden Volksbefragung in Kärnten entschieden sich am 12. Jänner 76.527 Wahlberechtigte mit einer Mehrheit von 51,55 Prozent gegen den weiteren Ausbau der Windkraft in Kärnten. Auch wenn die Volksbefragung den weiteren Ausbau nicht unmittelbar stoppt, wird es für die politischen Vertreter:innen schwerer werden neue Projekte umzusetzen. Aktuell bestehen erst 14 von ca. 1.440 österreichischen Windkraftanlagen in Kärnten.
Eine aktuelle Erhebung der clavis Kommunikationsberatung mit Büros in Innsbruck, Bregenz, Wien und Bozen zeigt, dass Volksbefragungen wie in Kärnten generell meist das Ende von neuen Projekten darstellt. Knapp 9 von 10 Projekten (ohne Windkraft) wurden in den letzten 5 Jahren abgelehnt. Einzige Ausnahme stellen Windkraftprojekte dar, die zu 60 Prozent befürwortet wurden.
Die Kommunikationsberater von clavis haben im Zeitraum zwischen 1. Jänner 2019 und 31. Dezember 2024 58 direktdemokratische Entscheidungen (Volksabstimmungen, Volksbefragungen und Bürgerbefragungen) in Österreich zu Bauprojekten mit Ja/Nein-Frage identifiziert. 17 oder knapp 29 Prozent der Volksentscheidungen sind im Sinne des Projektes ausgegangen, 41 Befragungen oder 71 Prozent dagegen. Die abgelehnten Projekte reichen von der Lokalbahnverlängerung S-Link in Salzburg über den Gletscherzusammenschluss Ötztal-Pitztal bis zum Bauprojekt Breitenfurt bei Wien mit einem Primärversorgungszentrum und 310 Wohnungen.
Besonders auffallend: 12 von den 17 positiven Befragungen waren zu Windkraftprojekten (insgesamt 20 Entscheidungen). Das bedeutet, dass von den übrigen 38 Volksentscheiden nur 5 im Sinne der Projektwerber ausgegangen sind – und damit 87 Prozent oder knapp 9 von 10 aller Projekte durchgefallen sind.
„Offensichtlich gibt es in der Bevölkerung ein ausgeprägtes Unbehagen Neuem gegenüber. So ist auch zu erklären, dass Befragungen zur Schließung von Spitälern oder Schwimmbädern zumeist für den Erhalt der Einrichtungen ausgehen, selbst wenn das die teuerste Lösung ist“, analysiert clavis-Geschäftsführer Ulrich Müller die Ergebnisse.
Schwerer Stand für Projektwerber in Salzburg, Tirol und Vorarlberg
Die meisten direktdemokratischen Entscheidungen fanden in den vergangenen 5 Jahren in Niederösterreich statt. 27 Mal wurde dort zu den Wahlurnen gerufen, 17 Mal stimmte eine Mehrheit gegen das Projekt. In Tirol fanden 8 Befragungen statt, die allesamt gegen das Projekt entschieden wurden. In Oberösterreich gingen 4 von 6 Befragungen negativ aus, in der Steiermark und im Burgenland jeweils 3 von 5 Befragungen. 100% Ablehnung haben neben Tirol auch noch Vorarlberg und Salzburg bei jeweils 3 Volksentscheiden vorzuweisen. In Kärnten gab es im Beobachtungszeitraum eine Befragung, bei der die Bevölkerung 2022 für den Windpark Peterer Alpe in Reichenfels votierte. In Wien fand seit 2019 keine Befragung statt.
Alle Verkehrsprojekte abgelehnt
Laut Erhebung haben es Verkehrsprojekte in der Meinung der Bevölkerung besonders schwer. Bei sämtlichen 8 Entscheidungen gab es ein mehr oder minder klares Nein von den Befragten. Im Bereich Tourismus und Freizeit hieß es bei 8 Befragungen 7 Mal Nein und nur einmal Ja, im Bereich Gewerbe und Industrie bei 7 Befragungen 6 Mal Nein und einmal Ja. Fazit: Neue Verkehrsprojekte fallen generell durch, Projekte in anderen Bereichen haben nur mehr sehr geringe Chancen auf Realisierung.
Wind hui, Photovoltaik pfui
Mit Abstand am häufigsten wurde zu Windkraftprojekten befragt. 12 der 20 Bevölkerungsentscheide gingen für das Projekt aus. Das heißt aber nicht, dass Projekte im Bereich erneuerbare Energien generell positiv gesehen werden. Zu Photovoltaik-, Biomasse- oder Wasserkraft-Projekten fanden 7 Befragungen statt, bis auf eine Zustimmung wurde in jedem Fall gegen das Projekt votiert.
„Windkraftprojekte sind die große Ausnahme von der Tendenz, dass Volksbefragungen Großprojekte verhindern. Der Grund könnte sein, dass es den Windanlagenbetreibern besser als anderen Projektwerbern gelingt, bei der Bevölkerung trotz all der Komplexität solcher Projekte und Genehmigungsverfahren einen individuellen Nutzen zu vermitteln“, meint Müller. Aus Einzelfall-Studien wisse man nämlich, dass der persönliche Vor- bzw. Nachteil eines der Hauptmotive in der Wahlzelle sei.
Ja/Nein-Entscheidung erschwert sachliche Kommunikation
Und was bedeuten die Ergebnisse der Erhebung für die Kommunikation der Projektwerber? „Klar und transparent informieren, den Nutzen des Projektes für jede und jeden einzelnen darstellen und möglichst viele Menschen zu Beteiligten machen“, sagt Müller. Klar sei, dass die Zuspitzung der Entscheidung auf Ja oder Nein zu Polarisierung und Emotionalisierung führe. „In einer solcherart aufgeheizten Stimmung ist es schwierig, mit sachlicher Information bei der Bevölkerung anzukommen“, so Müller.
Es verwundere daher nicht, dass Bürgerbefragungen meist von Projektgegner:innen lanciert würden, um das Projekt zu Fall zu bringen. Wolle man Projekte inhaltlich verbessern, seien andere Beteiligungsformate wie etwa Bürger:innenforen viel besser geeignet, betont der Experte.
Über clavis
clavis ist ein Beratungsunternehmen für strategische Kommunikation mit 28 Mitarbeiter:innen an vier Standorten (Innsbruck, Bregenz, Wien, Bozen). Im Geschäftsbereich Projektkommunikation arbeitet clavis für Kunden wie Stadt Wien, APG, Verbund oder TIWAG.