Forderung: Endlich ein Energieeffizienzgesetz, das wirkt!

EU legt Entwurf für Klimapaket vor Weiter Alles aus einer Hand

Exklusiv-Reportage; #119/2021, S. 18-19

15.07.2021

Sehnsüchtig wird auf das neue Energieffizienzgesetz gewartet. Die Erwartungen sind groß, denn das alte aus dem Jahre 2015 brachte einen Stillstand in dem so wichtigen Sektor. Ohne die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen ist an eine Energiewende und damit eine Eindämmung des Klimawandels nicht zu denken. 

Alle ernsthaften Szenarien und Prognosen, die einen Pfad zur Klimaneutralität und zur Dekarbonisierung der Volkswirtschaften zeichnen, sei es für Österreich, für Europa oder auch weltweit, erreichen dieses Ziel nur mit einem deutlichen Beitrag der Energieeffizienz. Nur mit effizienten Energiesystemen ist es möglich, den Energieverbrauch so weit zu senken, dass er durch die Potenziale erneuerbarer Energie gedeckt werden kann. 

Das Dreifache ist weltweit nötig

Die Internationale Energieagentur IEA beschreibt im Mai 2021 erstmals ein Szenario, das die gesamte Weltwirtschaft bis 2050 auf klimaneutralen Kurs bringen kann. Dafür müssen die Erneuerbaren von Solarenergie über Wind bis zu Bioenergie und Geothermie deutlich ausgebaut werden, was Millionen von neuen Jobs weltweit bringen würde. Für diese „möglicherweise größte Herausforderung, vor der die Menschheit je gestanden ist“, so der Direktor der IEA, Fatih Birol, spielt die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle: Sie braucht weltweit eine deutliche Beschleunigung auf etwa das Dreifache des Wertes der letzten zwanzig Jahre. In allen Bereichen, Industrie, Gebäude und Verkehr, geht in diesem Szenario bis 2050 der Energieverbrauch deutlich zurück. Und es braucht für ein derartiges Projekt massive Unterstützung durch die Politik. 

Europa schärft die Ziele nach

Als Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 strebt Europa 55 % weniger CO2-Emissionen bis 2030 an. Für die Mitgliedsstaaten der Europäische Union gibt unter anderem die Energieeffizienzrichtline der EU einen Weg vor, der national durch ein Energieeffizienzgesetz umgesetzt werden muss. Dieses Gesetz wird in Österreich gerade neu formuliert, weil das alte mit Ende 2020 ausgelaufen ist. Man ist hierzulande also ziemlich spät dran. 

Das aktuelle Ziel der EU für den Endenergieverbrauch liegt unionsweit noch bei minus 32,5 %, bezogen auf das Baseline-Szenario „PRIMES 2007“. Die Mitglieder der EU – also auch Österreich – legen ihre Ziele individuell fest, das Gesamtziel muss aber erreicht werden, was die EU-Kommission überprüfen wird. 

Allerdings werden die Vorgaben der EU gerade nachgeschärft, weil inzwischen kein Zweifel mehr an der Dringlichkeit des Unterfangens Klimaschutz besteht. Demnach soll – aus aktueller Sicht – bis 2030 das Energieeffizienzziel auf minus 36 % angehoben werden, um die notwendigen Klimaschutzziele zu erreichen. 

Nachzügler ist Österreich 

Es ist unbestritten, dass Energieeffizienz eine Fülle von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteilen hat. Sie ist vielfach nachweislich volkswirtschaftlich günstig und in Österreich bestehen große ungenutzte Potenziale. Dennoch: Anders als etwa im Bereich erneuerbarer Energie, ist Österreich im Bereich der Energieeffizienz ein Nachzügler: Österreich liegt bei der Entwicklung des Endenergieverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung als auch pro BIP (Energieintensität), ob strukturbereinigt oder nicht, schlechter als der EU-Durchschnitt, Deutschland und die Schweiz. Österreich hat eine relativ hohe Energieintensität und einen schwächeren Reduktionstrend. 

Fünf weitgehend vergeudete Jahre

Woran liegt es, dass Österreich im Energieeffizienzbereich so deutlich zurückliegt? Bei der Formulierung der Richtlinienverordnung, die das alte Energieeffizienzgesetz von 2015 praktisch operabel machen sollte und die ab 2016 in Kraft war, hat sich die Wirtschaftskammer Österreich nach eigenen Aussagen mit wesentlichen Forderungen durchgesetzt. Was dann in der Folge geschehen ist, lässt sich am Beispiel der „wassersparenden Armaturen“ gut illustrieren: Die WKÖ hat unter anderem eine „erleichterte Dokumentationserfordernis“ erreicht. Das bedeutete in der Praxis, dass auch Energieeffizienzmaßnahmen, die gar nicht realisiert wurden, deren mögliche Einsparung man aber errechnen konnte, voll angerechnet wurden. Mit diesem Trick erzielte Österreich rechnerisch bzw. auf dem Papier beachtliche Energieeinsparungen. In der Realität der Energiebilanzen findet sich aber natürlich nichts davon. Für die Wirtschaft blieb daraus kaum ein Nutzen übrig, lediglich bürokratischer Aufwand mit der Verwaltung. Diese „erleichterte Dokumentationserfordernis“ war, in den Worten des damaligen WKÖ-Vizepräsidenten Jürgen Roth, ein Lobbyingerfolg der WKÖ. 

Der Markt für Energieeinsparungen, der als Folge des Energieeffizienzgesetzes gerade im Entstehen war, ist ab 2016 mit sehr kostengünstigen, aber real unwirksamen Massenmaßnahmen überschwemmt worden und zusammengebrochen. Österreich hat viele Jahre nicht genutzt, um seine Energieeffizienz zu verbessern. Der aktivierende Impuls, den das Gesetz hätte liefern können, ist versiegt. 

In der Konsequenz verfehlte Österreich damit seine Effizienzziele für 2020 und rückt auch immer weiter davon ab, die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen. Diverse Wirtschaftsorganisationen, wie der Senat der Wirtschaft, zahlreiche Experten und der Dachverband der Energie-Contractoren DECA, haben sich vehement gegen diese Misswirtschaft ausgesprochen. In einem Positionspapier fordert die DECA, das Gesetz wieder in Kraft zu setzen und widersinnige Regelungen zu streichen. Vergeblich – das Energieeffizienzgesetz entfaltet bis zum Ende seiner Gültigkeit 2020 praktisch keine Wirkung mehr. 

Trotz Zunahme der Bevölkerung bis 2050 gelingt es, dank Energieeffizienz den Gesamtenergieverbrauch zurückzufahren. 

Was muss das neue Energieeffizienzgesetz leisten? 

Ohne einen entscheidenden Beitrag der Energieeffizienz kann Österreich seine Klimaziele nicht erreichen, das ist allen mit der Klimaproblematik befassten Expertinnen und Experten klar. Mit dieser Einsicht verknüpft sich die Hoffnung, dass auch die Wirtschaftskammer Österreich als wichtiger Akteur endlich eine konstruktive Haltung zu diesem Thema einnimmt und damit aufhört, das Thema Energieeffizienz rundum zu beschädigen. Auch wenn sich das WKÖ-Wirtschaftsparlament am 24. Juni dazu entschlossen hat, sich nicht zu den von der Bundesregierung formulierten Klimaschutzzielen zu bekennen: Der Großteil der österreichischen Wirtschaft wird von einem wirksamen Energieeffizienzgesetz profitieren, und die WKÖ darf als Lobbyist nicht ausschließlich jene wenigen ihrer Mitglieder vertreten, auf die das vielleicht nicht zutreffen könnte. Für ein wirksames Gesetz müssten die Marktpreise für Energieeffizienzmaßnahmen für Industriebetriebe in einer Größenordnung von etwa 5 Cent/kWh liegen: Die Erfahrungen langjährig tätiger Contractoren zeigen, dass mit diesem Preis auch in aktiven Gewerbe- und Industriebetrieben noch zusätzliche Potenziale umgesetzt werden können. Für Haushalte liegt der Marktpreis bei 12 bis 16 Cent/kWh. 

Das neue Energieeffizienzgesetz muss zumindest folgende Kriterien erfüllen: 

Es braucht ein nachvollziehbares Szenario für die Entwicklung des Energieverbrauchs in Österreich, das die Dekarbonisierung der österreichischen Volkswirtschaft bis 2040 vorzeichnet und den EU-Vorgaben entspricht. Über den daraus abgeleiteten Pfad definieren sich auch Eckpunkte für den Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2030, die das Energieeffizienzgesetz erreichen muss. 

Das Gesetz benötigt Korrekturmechanismen, die wirksam werden, wenn sich abzeichnet, dass das Ziel verfehlt wird. Diese Korrektur muss wesentlich kurzfristiger realisiert werden als im alten Gesetz. 

Wenn es um Effizienzmaßnahmen bei Technologien zur Nutzung fossiler Energieträger geht, dann müssen – wie im Regierungsprogramm vorgesehen – ein Wechsel zu fossilen Energieträgern und Lock-In Effekte verhindert werden. Eine Förderung des Einbaus von Ölkesseln, wie im alten Gesetz noch möglich und von der Wirtschaftskammer unterstützt, darf es jetzt nicht mehr geben. Gleichzeitig sollen aber Effizienzmaßnahmen auch an Technologien zur Nutzung fossiler Energieträger realisiert werden können, um in der Übergangszeit, bis diese durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden können, Energie und Emissionen zu sparen. 

Die Einsparungen müssen real messbar, wesentlich und zusätzlich sein, und es dürfen – anders als bei der ersten Runde ab 2015 – nur Maßnahmen anerkannt werden, die auch umgesetzt oder realisiert worden sind. Hier besteht großer Verbesserungsbedarf beim Gesetz und Handlungsbedarf bei der Monitoringstelle, die wahrscheinlich bei der E-Control angesiedelt werden und damit Behördencharakter erhalten wird. Die realen Einsparungen von Effizienzmaßnahmen müssen im Methodenhandbuch verordnet werden und bei individuell zu bewertenden Maßnahmen, für die keine verallgemeinerte Methode existiert, überprüft werden können. 

• Der geplante Energieeffizienzfonds muss so eingerichtet werden, dass die Anreizwirkung für verpflichtete Unternehmen, Energieeffizienzmaßnahmen zu setzen, daneben aufrecht bleibt. Die Schwelle für Einzahlungen in den Fonds, also die Kosten in Cent/kWh, soll sich an den Kosten des Marktes für Effizienzmaßnahmen orientieren und diesen neben dem Fonds bestehen lassen. 

• Den größten Effizienzgewinn im Verkehrsbereich kann man durch den Ersatz des Verbrennungsmotors durch Elektromobilität erzielen. Dafür sollen Mittel des geplanten Fonds verwendet werden, in welchen Energielieferanten einzahlen können, die selbst keine Effizienzmaßnahmen setzen wollen. Hingegen sollen Pseudomaßnahmen, wie die im alten Energieeffizienzgesetz anerkannten Wundermittel, die man dem Treibstoff beimischt und die angeblich den Verbrauch reduzieren, nicht mehr anerkannt werden. 

• Der Fonds kann auch im Bereich der Haushalte wirken, beispielsweise um Programme zur thermischen Sanierung von Gebäuden zu finanzieren und energiearme Haushalte zu unterstützen. Die Energieeffizienz braucht beides: Fonds und Umsetzung von Effizienzmaßnahmen. 

Alle können profitieren

Das Gesetz sollte seit Anfang des Jahres in Kraft sein, es ist jetzt überfällig. Von einem wirksamen Energieeffizienzgesetz können alle profitieren: Haushalte, Verkehr, Industrie und Gewerbe, Planer sowie Ingenieurbüros und die Energiewirtschaft. Wenn es nicht rasch umgesetzt wird, droht ein aufwendiges und kostspieliges Vertragsverletzungsverfahren, und der Aufwand für Unternehmen steigt in der dann verbleibenden kürzeren Zeit. 

Österreich hat leider viele Möglichkeiten, mit weniger Energie auszukommen, in der Vergangenheit nicht genutzt und vergeudet, sowohl hinsichtlich Technologieentwicklung als auch, um die Importabhängigkeit und damit den Devisenabfluss zu reduzieren. Österreich hat fünf Jahre verschlafen, weil – auf Betreiben einzelner Interessensverbände der WKÖ – das alte Energieeffizienzgesetz kaum wirken konnte. 

Inzwischen ist aber den meisten Akteuren im Energiebereich klar geworden, dass es mit Klimaschutz und Energiewende jetzt weltweit und auch in Österreich ernst gemeint ist. Dieser Geist sollte auch jene Akteure erleuchten, die an dem neuen Energieeffizienzgesetz arbeiten. 

Sämtliche Szenarien, die eine vollständige bzw. weitgehende Dekarbonisierung für Österreich beschreiben, benötigen die Unterstützung von Energieeffizienzmaßnahmen.