KlimaVor! rechnet neue Klimabilanz für Vorarlberg

18.06.2021
Christof Drexel (li.), Obmann des Vereins KlimaVOR!, und Lucas Rupp (re.), Geschäftsführer von Weider Wärmepumpen, bei der Präsentation der vollständigen Klimabilanz Vorarlbergs.

(PA_KlimaVOR!) – 8,6 Tonnen pro Jahr: So hoch ist der CO2-Fußabdruck jeder Vorarlbergerin und jedes Vorarlbergers. Das hat der Verein KlimaVOR! erstmals ermittelt. Der tatsächlich von Vorarlberg verursachte Ausstoß an Treibhausgasen liegt damit mehr als doppelt so hoch wie im Energiebericht des Landes publiziert – hier werden nur jene Mengen erfasst, die innerhalb der Grenzen Vorarlbergs emittiert werden. „Um die Klimaneutralität rasch zu erreichen, brauchen wir eine ganzheitliche Betrachtung der von Vorarlberg verursachten Emissionen“ mahnt Christof Drexel, Obmann des Vereins KlimaVOR! Er hält vor allem Maßnahmen im Bauwesen, beim Verkehr, im Bereich der Landwirtschaft und zur Stärkung der regionalen Wirtschaftsstrukturen für dringend notwendig.

In einem einstimmigen Beschluss hatte der Vorarlberger Landtag bereits 2009 das Ziel der Energieautonomie bis zum Jahr 2050 festgeschrieben. Bis dahin will Vorarlberg gleich viel erneuerbare Energie produzieren, wie es verbraucht. Im Mai 2021 wurde im Landtag, ebenfalls einstimmig, die Energieautonomie+ 2030 beschlossen, die unter anderem eine Halbierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 vorsieht.

Die Maßnahmen sind nach Ansicht des Vereins KlimaVOR! aber nicht ausreichend. „Vorarlberg wird beim bisherigen Tempo die Klimaziele der österreichischen Bundesregierung nicht erreichen. Wir laufen Gefahr, vom Vorreiter zum Nachzügler zu werden“, stellt Obmann Christof Drexel nüchtern fest.

Ernüchternde Zahlen

Um ein realistisches Bild der Ist-Situation zu bekommen, hat der Verein KlimaVOR! erstmals den vollständigen CO2-Fußabdruck für Vorarlberg ermittelt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Jede Vorarlbergerin und jeder Vorarlberger verursacht nach den Berechnungen der unabhängigen EnergieexpertInnen CO2-Emissionen von rund 8,6 Tonnen pro Jahr. Die Emissionen stammen zu rund einem Drittel aus dem Verkehr – aber auch Raumwärme, industrielle Prozesswärme und Treibhausgase aus der Landwirtschaft sind relevante Posten.

Vorarlberg liegt damit unter dem mitteleuropäischen Durchschnitt von rund 12 Tonnen pro Person und Jahr. Hauptursachen dafür sind der große Anteil von Wasserkraft bei der Stromerzeugung und der etwas bessere Zustand der Gebäude, die deshalb weniger Energie fürs Heizen benötigen.

Energiebericht liefert unvollständiges Bild

Gleichzeitig sind die verursachten Emissionen aber mehr als doppelt so hoch, wie jene, die innerhalb der Landesgrenzen entstehen. Auf dieser „territorialen“ Basis hat das Land Vorarlberg die CO2-Emissionen in seinem Energiebericht 2020 mit rund 1,5 Millionen Tonnen ausgewiesen. Das entspricht 3,75 Tonnen pro Kopf und Jahr.

„Die Vorarlbergerinnen und Vorarlberger verursachen aber auch viele Emissionen außerhalb des Landes, etwa wenn sie in den Urlaub fliegen oder ein Auto kaufen, das natürlich außerhalb Vorarlbergs produziert wird“, nennt Christof Drexel zwei Beispiele.

Vom Land nicht berücksichtigt wird vor allem, dass die gesamten importierten Waren mit wesentlich höherem CO2-Ausstoß produziert werden als Waren, die im Land selbst hergestellt werden (circa 1,7 Tonnen pro Person und Jahr). Auch der Verkehr außerhalb Vorarlbergs wird vom Land nicht eingerechnet. Das betrifft sowohl den Flugverkehr (0,9 Tonnen) als auch den induzierten Güterverkehr und den Personenverkehr (0,7 Tonnen). Zudem werden die Emissionen aus der Landwirtschaft (1,35 Tonnen) vom Land erst in Zukunft ins Energiemonitoring aufgenommen.

„Die Darstellung im Energiebericht des Landes ist nicht falsch, aber sie greift zu kurz und zeigt nicht das vollständige Bild“, betont Drexel. „Schaut man sich die Zahlen des Landes an, hat man den Eindruck, wir stehen recht gut da. Das ist aber leider nicht der Fall.“ Denn selbstverständlich bedeutet Klimaneutralität, dass alle von Vorarlberg verursachten CO2-Emissionen auf Null reduziert werden müssen.

Maßnahmen in allen Lebensbereichen

Die wichtigsten Handlungsfelder auf dem Weg zur Klimaneutralität hat KlimaVOR! in seinem „Big Picture Klima“ beschrieben: Dazu gehört der Umstieg vom Autoverkehr auf sanfte Mobilität (Gehen, Radfahren, Bus und Bahn) und der rasche Umstieg auf elektrische Antriebe. Bei der Ernährung ist etwa die Erhöhung des Bioanteils vordringlich. Den langfristig größten Einzeleffekt bringt die hochwertige thermische Sanierung des Gebäudebestands.

„Was die Basis-Maßnahmen betrifft, wäre es an der Zeit, wenigstens das geltende Regierungsprogramm umzusetzen“, meint Drexel. Demnach sollten bspw. Neubauten ab 2022 nur noch fossilfrei beheizt werden – diese Chance wird mit der geplanten Novelle zur Bautechnikverordnung gerade vertan.

Auch das neue Strategiepapier der Energieautonomie+ enthält eine Vielzahl wichtiger und dringend umzusetzender Maßnahmen. Betrachtet man aber den vollständigen CO2-Fußabdruck, ergibt sich eine ganze Reihe von zusätzlichen Maßnahmen. Dazu zählen unter anderem die Reduktion des Fahrzeugbestands, etwa durch den Ausbau von Carsharing, die Erhöhung der Eigenversorgung mit Lebensmitteln und das Reduzieren von Lebensmittel-Verschwendung. Großes Potenzial liegt nach Ansicht der KlimaVOR!-ExpertInnen auch in der Stärkung regionaler Wirtschaftsstrukturen, etwa des Handwerks: Die Langlebigkeit und die Reparatur von Produkten sollten gezielt unterstützt werden.

Gesamtgesellschaftliche Herausforderung

Den Weg zur Klimaneutralität sieht KlimaVOR!-Obmann Christof Drexel als gesamtgesellschaftliche Herausforderung: „Land und Gemeinden, Bürgerinnen und Bürger, Industrie und Gewerbe, Landwirtschaft – wenn wir alle zusammenhelfen, dann ist die Klimaneutralität zu schaffen.“

Vorarlberg müsse wieder Vorreiter in diesem Prozess werden, mahnt der Verein KlimaVOR! ein: „Wenn die EU die Klimaneutralität bis 2040 erreichen möchte, müssen manche Regionen schneller dran sein. Vorarlberg mit seinem Wohlstand und seinem hohen Anteil an Wasserkraft hat alle Voraussetzungen, ganz vorne dabei zu sein.“

Mehr Infos: www.klimavor.at/big-picture-klima