Laut Abschlussbericht der Taskforce bei Strom und Gas

26.06.2025
Dr. Natalie Harsdorf, LL.M., Generaldirektorin Bundeswettbewerbsbehörde, und Dr. Wolfgang Urbantschitsch, LL.M., Vorstand E-Control, bei der Pressekonferenz.

(PA_E-Control) – Im Zuge der Marktverwerfungen im Jahr 2022 starteten die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und die E-Control im Jänner 2023 eine gemeinsame Taskforce zur Untersuchung des österreichischen Strom- und Gasmarkts. Die Analysen, die in zwei Zwischenberichten vorgelegt wurden, zeigten unter anderem eine gestiegene Marktkonzentration und stark rückläufige Anbieter- und Wechselzahlen. Auf Basis umfangreicher Auskunftsverlangen an die zentralen Energieversorger wurden erhebliche Preisunterschiede zwischen Neu- und Bestandskundinnen und -kunden sowie intransparente Preisgestaltungen und problematische Preisanpassungspraktiken festgestellt. Es zeigte sich in den letzten Jahren deutlich, dass trotz vorhandener ökonomischer Anreize durch hohe Preisniveaus eine Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten ihren Lieferanten nicht wechseln.

Im Abschlussbericht der Taskforce werden diese Erkenntnisse mit aktuellen Zahlen belegt. Die Preissituation und die verfügbaren Angebote am Markt haben sich im Vergleich zum Höhepunkt der Krise zwar stabilisiert, bzw. wieder verbessert, sind jedoch noch nicht am Vorkrisenniveau angelangt. Die Behörden betonen die Notwendigkeit besser vergleichbarer und transparenter Verträge sowie wirksamer wettbewerbsrechtlicher Instrumente, etwa durch eine Ausweitung der Befugnisse bei Branchenuntersuchungen und einer Verlängerung der neuen gesetzlichen Regelungen gegen missbräuchliches Verhalten von Marktbeherrschern. Außerdem sollte jedenfalls die Datenlage verbessert werden, um gezieltere staatliche Unterstützungsmaßnahmen zu ermöglichen. Als Basis für die wettbewerbsrechtliche Aufsicht wurde ein Fokus auf die Marktdefinition gelegt. Ein Wohlverhaltenskatalog für marktbeherrschende Strom- und Gaslieferanten soll in Zukunft seitens der Behörden eine wettbewerbsrechtliche Leitlinie für marktmächtige Unternehmen bieten.

„Die Marktkonzentration ist weiterhin sehr hoch. Lokale Fragmentierung, unzählige Kreuzbeteiligungen zwischen den Unternehmen und im EU-Vergleich niedrige Wechselraten prägen eine eingeschränkte Wettbewerbssituation. Der Fokus der BWB liegt jetzt auf einzelnen Ermittlungen.“, erläutert die Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde, Natalie Harsdorf, zur Arbeit der Taskforce.

„Der Wettbewerb am Markt erholt sich langsam. Wir beobachten, dass neue Anbieter eintreten und unterschiedliche Produkte verfügbar sind. Zentral ist hierbei, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit bekommen, diese Angebote auch transparent vergleichen zu können. Die Empfehlungen der Taskforce werden dazu beitragen, diese Situation im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern.“, betont der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch.

Inhalte des Abschlussberichts

Der Abschlussbericht komplettiert die beiden vorangegangenen Zwischenberichte. Der Bericht fasst Erkenntnisse und Empfehlungen zusammen und konkretisiert die Marktabgrenzung aus Sicht der Wettbewerbsbehörden.

Der bisherigen Struktur folgend wurden Daten zur Wettbewerbssituation aktualisiert:

  • Die Preisentwicklung,
  • das Wechselverhalten und
  • weitere Kennzahlen zur Angebots- und Nachfragesituation für Strom und Gas.

Ergebnisse zur Marktabgrenzung

Klare Marktabgrenzungen sind für wettbewerbliche Analysen und Verfahren unabdingbar. Die Untersuchung der BWB und der E-Control kommt zum Ergebnis, dass einerseits auf sachlicher Ebene zwischen Kundengruppen unterschieden werden muss. Zunächst gibt es Unterschiede in der Belieferung von Großkundinnen und -kunden und in der Belieferung von Kleinkundinnen und -kunden. Zusätzlich indiziert das Nachfrageverhalten eine Differenzierung zwischen inaktiven Kundinnen und Kunden und aktiven Kundinnen und Kunden.

Auf der räumlichen Ebene wird deutlich, dass innerhalb Österreichs noch immer gravierende Unterschiede zwischen den Netzgebieten bestehen. Der überwiegende Anteil der Kleinkundinnen und -kunden bezieht Strom bzw. Gas von lokalen Unternehmen, die nicht national tätig sind. Die vorangegangenen Berichte zeigen die daraus resultierende Marktkonzentration deutlich auf. Hier ist also von einer lokalen Marktabgrenzung auf Ebene der Netzgebiete auszugehen. „Es zeigt sich, dass die Unternehmen, die den Großteil der Endkundinnen und Endkunden beliefern, primär in ihren Heimatgebieten operieren und es keinen maßgeblichen bundesweiten Wettbewerb gibt.“, so Harsdorf.

Endkundenpreise verzögert rückläufig, die Preisstreuung weiterhin hoch

Für den Abschlussbericht wurden erneut Preisdaten für Strom und Gas von den Unternehmen, die rund 75% des Marktes in Österreich ausmachen, erhoben und ausgewertet. Mit den vorliegenden Daten lässt sich nun die Preisentwicklung über die Krise hinweg (konkret von Jänner 2021 bis Jänner 2025) darstellen.

„Seit Mitte 2023 geht der gewichtete Preisdurchschnitt wieder langsam zurück. Dies folgt der Entwicklung auf den Großhandelsmärkten zeitverzögert nach. Der Strompreis für einen Großteil der österreichischen Haushalte lag im Jänner 2025 schließlich zwischen 11 und 21 Cent/kWh und damit weiterhin erheblich über dem Vorkrisenniveau. Bei Gas lag der gewichtete Durchschnitt bei etwas unter 6 Cent/kWh. Die im zweiten Zwischenbericht identifizierte Preisstreuung ist nach wie vor deutlich bemerkbar.“, erläutert der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch die Preisentwicklungen.

Die durchschnittliche Preisentwicklung für Kleinunternehmen deckt sich sowohl im Verlauf als auch in der Höhe mit der der Haushalte. Bereits im zweiten Zwischenbericht wurde allerdings festgestellt, dass die Streuung der Preise für Unternehmen im Vergleich zu den Haushaltskundinnen und -kunden noch einmal deutlich ausgeprägter war. Dies ist nach wie vor der Fall.

Massiv erhöhte Preise (> 61 Cent/kWh bei Strom, > 26 Cent/kWh bei Gas), die von der Taskforce bereits im Zweiten Zwischenbericht angesprochen wurden, konnten bis ins zweite Halbjahr 2024 hinein festgestellt werden.

Wechselrate etwas höher – Die Kostensteigerung im Jänner 2025 treibt punktuell Lieferantenwechsel

Angesichts von Rekordeinsparpotenzialen erholten sich die Wechselraten der Endkundinnen und Endkunden im Jahr 2024 weiter und lagen etwa auf dem Vorkrisenniveau. Bereits im Jahr 2023 konnten relativ hohe Wechselraten verzeichnet werden, die jedoch stark von der Wechselwelle in einem bestimmten Netzgebiet getrieben waren.

„Die Wechselraten in Österreich sind im europäischen Vergleich allerdings weiterhin niedrig. So lagen beispielsweise im Jahr 2023 die Wechselraten in Italien oder Belgien bei rund 18% bzw 17%. Wir sehen hier in Österreich noch sehr viel Luft nach oben.“, betont Urbantschitsch.

Und er betont in diesem Zusammenhang einmal mehr, wie wichtig Transparenz und verständliche Preisinformationen für die Konsumentinnen und Konsumenten sind. „Nur wer weiß, was er oder sie für Strom oder Gas bezahlt, kann auch aktiv werden und sich um Alternativangebote kümmern. Wir sehen hier nach wie vor großen Aufholbedarf. So zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, dass 70% der heimischen Bevölkerung nicht weiß, was sie für die Kilowattstunde Strom bezahlen, bei Gas sind es sogar 84%.“, so Urbantschitsch. Grund dafür sind die langen Abrechnungsintervalle, die jedoch jedenfalls im Strom aufgrund der nunmehr flächendeckend eingebauten Smart Meter nicht mehr geboten sind. Abhilfe bringen standardmäßige Monatsabrechnungen. Angesichts der mangelnden Transparenz bei Jahresabrechnungen muss zwischenzeitig davon ausgegangen werden, dass diese eine erhebliche Benachteiligung der Konsumentinnen und Konsumenten darstellen und deren Fortbestand nur mehr im Interesse der Energielieferanten ist.

„An den Ergebnissen kann man eindeutig erkennen, welche Konsequenzen es hat, wenn der Wettbewerb in einem Markt nicht richtig funktioniert. Es schwächt die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher. Nur die Unternehmen können dafür sorgen, dass die Verträge und Abrechnungen transparenter und verständlicher aufbereitet werden.“, erklärt Natalie Harsdorf.

Zahl der Anbieter und Angebote gestiegen

Im Jahr 2024 kam es im Endkundenmarkt Strom noch einmal zu einem leichten Anstieg der aktiven Lieferanten. Im Endkundenmarkt Gas blieb die Anzahl der Anbieter im Vergleich zum Vorjahr dagegen nahezu konstant. Insgesamt stehen den Kundinnen und Kunden in beiden Märkten weiterhin weniger Anbieter zur Verfügung als vor der Krise.

Die Anzahl der Neukundenprodukte auf dem Endkundenmarkt Strom erholte sich seit der Krise sichtbar und liegt mittlerweile (Stand Februar 2025) nahezu wieder auf dem Vorkrisenniveau. Bei Gas hingegen stagniert die Anzahl der Neukundenangebote bei etwa der Hälfte der Angebote wie noch vor der Krise.

Empfehlungen der Taskforce von BWB und E-Control

Aufgrund der umfangreichen Analysen der Taskforce lassen sich die folgenden Schlüsse ziehen und Empfehlungen zur Stärkung des Wettbewerbs und der Förderung der Transparenz im Sinne der Fairness – auch in Krisenzeiten – ableiten.

  1. Ein Best-Practice-Modell der Produktgestaltung für Energielieferung soll es Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, die Preisgestaltung einfacher nachzuvollziehen und Produkte transparent nach ihren Bedürfnissen auszuwählen. „Damit kann jeder einfach erkennen, wie hoch der Grundpreis ist und was für die Kilowattstunde bezahlt werden muss – und man darauf vertrauen kann, dass der Gewinnaufschlag unabhängig vom Preis immer gleich hoch ist.“, betont Urbantschitsch. Vorteile daraus sind, die Produkte sind einfacher vergleichbar und die Kostenentwicklung besser abschätzbar.
  2. Eine monatliche Abrechnung als Standard bei Strom bietet für Endkundinnen und Endkunden regelmäßige Information über ihre tatsächlichen Kosten. Der Smart Meter-Rollout in Österreich ist abgeschlossen, daher sollten die verfügbaren Daten auch kunden- und wettbewerbsfreundlich genutzt werden. Eine monatliche Abrechnung und damit eine höhere Sichtbarkeit der Strom- und Gaspreise kann, ähnlich wie eine einheitliche Produktgestaltung, Triebfeder für höhere Wechselzahlen und eine Stärkung des Wettbewerbs sein. „Was überall sonst selbstverständlich ist, nämlich eine zeitnahe Abrechnung, sollte doch endlich auch im Strombereich Realität werden.“, so Urbantschitsch.
  3. Spotmarktprodukte sollen vermehrt angeboten werden, da sie einen Beitrag zur Flexibilisierung der Nachfrage und zur aktiven Beteiligung der Endverbraucherinnen und Endverbraucher am Energiesystem leisten können. Dies kann insbesondere langfristig sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für das Gesamtsystem zu Kosteneinsparungen führen.
  4. Mit der Einführung staatlicher Fördermaßnahmen wie des Stromkostenzuschusses können auch neue Möglichkeiten der Preismanipulation und des Missbrauchs entstehen. Damit solche Verhaltensweisen in Zukunft schneller und konsequenter verfolgt werden können, regen die Behörden an, klare Sanktionskompetenzen zu definieren.
  5. Eine Datenbasis für Unterstützungen muss geschaffen werden. Damit können die monetären Unterstützungsmaßnahmen für Endkundinnen und Endkunden zielsicher erfolgen. Eingriffe in den Wettbewerb lassen sich dadurch künftig auf das Notwendige beschränken. Dabei gilt es auch zu klären, welche gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen den Unternehmen der Energiewirtschaft übertragen werden.
  6. Österreichs Energiegesetze krisenfit machen: Die Krise hat gezeigt, dass für besonders schwierige Zeiten auch im Energiesektor gesetzliche Vorkehrungen nötig sind. Im Sinne der Transparenz sollte in der – nach objektiven Kriterien ausgerufenen – Krise Margen offengelegt bzw. Reaktionsmöglichkeiten bei gravierenden Störungen des Wettbewerbs geschaffen werden. Damit können starke Preissteigerungen innerhalb kurzer Zeit verhindert und das Vertrauen in die Energiewirtschaft gestärkt werden.
  7. Auflösung der Kreuzbeteiligungen im Energiesektor: Denkbar wäre eine Obergrenze für Minderheitsbeteiligungen zwischen Energieversorgern in Österreich (z.B. maximal 5 %, sofern keine vollständige Entflechtung erfolgt). Zusätzlich wäre ein Verbot von Kreuzbeteiligungen, gewisse Transparenzpflichten oder eine wettbewerbsrechtliche Sonderprüfungspflicht für sämtliche Neu- oder Umstrukturierungen von Beteiligungen im Energiesektor denkbar. Durch diese Maßnahmen soll die Marktmacht einzelner Unternehmen eingeschränkt und der Wettbewerb stimuliert werden. „Um den Wettbewerb am Energiemarkt zu beleben, ist eine Entflechtung oder Begrenzung von Kreuzbeteiligungen im Energiebereich essenziell. Dadurch kann auch die Marktmacht einzelner Unternehmen verringert werden.“, so Natalie Harsdorf.
  8. Für Unternehmen mit Marktmacht soll eine Blacklist verpönter Verhaltensweisen klare Spielregeln definieren und eine Orientierung bieten. „Eine Blacklist soll für Energieunternehmen als Leitgerüst dienen, um konkrete Verhaltensweisen zu unterlassen, die sich auf Konsumentinnen und Konsumenten sowie auf den Markt negativ auswirken. Konkret kann die Blacklist ähnlich zum Wohlverhaltenskatalog der BWB im Lebensmittelbereich aussehen, die sogar von den großen Lebensmitteleinzelhändlern unterzeichnet wurde.“, so Natalie Harsdorf.
  9. Rascher Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) als wichtigstes Reformprojekt für den Stromsektor. Es ist auch im Sinne der ökonomischen Effizienz darauf zu achten, dass sich im Gesetz eine faire Balance zwischen den Rechten der Kundinnen und Kunden auf der einen und den Energieunternehmen auf der anderen Seite wiederfinden. „Das betrifft etwa eine verursachungsgerechte Netzkostentragung, ein ausgewogenes Preisänderungsrecht, Regelungen für die Energieversorgung bei vertragslosem Zustand sowie die Stärkung der Konsumentenrechte und deren Durchsetzung.“, fordert Urbantschitsch.
  10. Das Gesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden EVUs wurde auf der Grundlage der Untersuchung der Taskforce beschlossen. „Das Gesetz ist im Jahr 2024 in Kraft getreten und soll 2027 wieder außer Kraft treten. Dieser Zeitraum ist sehr kurz, um die Krisenfolgen für den Wettbewerb effektiv und nachhaltig abzufangen. Es ist sinnvoll, die Geltungsdauer dieses Gesetzes zu verlängern.“ erklärt Natalie Harsdorf.

Ein funktionierender Wettbewerb ist ein zentrales Element für einen effizienten, fairen und verbraucherfreundlichen Energiemarkt. „In einem wettbewerbsintensiven Umfeld stehen Anbieter unter Druck, ihre Produkte transparent und verständlich zu gestalten, ihre Kostenstruktur offenzulegen und auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden einzugehen. Maßnahmen zur Erhöhung der Markttransparenz, zur Vermeidung struktureller Verzerrungen und zur Stärkung von Verbraucherrechten tragen somit nicht nur zur Fairness, sondern auch zur langfristigen Stabilität, Krisenresilienz und Nachhaltigkeit des Energiesystems bei.“, so Wolfgang Urbantschitsch abschließend.

Der Abschlussbericht der Taskforce ist sowohl auf der Homepage der BWB als auch auf der Homepage der E-Control abrufbar:

https://www.bwb.gv.at/news

https://www.e-control.at/publikationen/untersuchungen