Resümee zum Status Quo

29.06.2022
v.l.n.r.: Roland Kuras,  Immo Reder (GF W.A. Richter) und Hans-Christian Pichler (Powersolution) bei der Errichtung der PV-Anlage
auf dem Dach von W. A. Richter’s Söhne GmbH

(PA_Powersolution) – Am 29. Juni 2021 wurde Wiens erste lokale und unabhängige Erneuerbare Energiegemeinschaft (EEG), die „WGE – Grätzl Energiegemeinschaft“, auf Initiative der PowerSolution Energieberatung GmbH gegründet. Heute, ein Jahr später, lassen sich einige erfreuliche Entwicklungen in Liesing erkennen. Damit Energiegemeinschaften in der Breite ankommen können, gibt es aber noch viel zu tun.

Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz 

Die Grätzl Energie zählt heute knapp 50 Mitglieder im 23. Wiener Gemeindebezirk. Drei Produzent/innen, u.a. der Betrieb W. A. Richter’s Söhne GmbH, mit großflächig konzipierten PV-Anlagen versorgen die Mitglieder seit einigen Wochen mit lokal produzierter Energie. Ende August kommt eine weitere Anlage dazu: Auf dem Dach der Firma power solution wird eine 31,5 kWp PV-Anlage errichtet. Die Genossenschaft zählt zu den vom Klima- und Energiefonds ausgezeichneten Pionierprojekten, die eine Vorbildfunktion für zukünftige EEGs einnehmen. 

„Was wir in Liesing seit einem Jahr in Bezug auf die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende beobachten, ist wirklich erstaunlich“, berichtet Energieexperte Roland Kuras, Geschäftsführer power solution. „Endlich sehen wir in der Praxis das, was in den letzten Jahren vielfach theoretisch diskutiert wurde: Durch die Nähe und direkte Verbindung zur Energieproduktion haben die Bürger/innen eine viel höhere Akzeptanz gegenüber dem Thema. Die Energiewende wird nicht mehr nur mit Verzicht in Verbindung gebracht. Es ist greifbarer, wenn lokal produzierte Energie auch lokal genutzt wird. Gerade in diesen Zeiten wird den Menschen auch bewusst, dass eine Energiegemeinschaft mehr Preis-, aber auch mehr Versorgungsstabilität bieten kann.“

Nachhaltigkeitsziele in der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension

Das Ziel von der Grätzl Energie ist klar: Wachstum. „Wir möchten mehr Mitglieder für die Grätzl Energie gewinnen, vor allem auch jene, die bereits eine Erzeugungsanlage haben oder Dachflächen zur Verfügung stellen können. Besonders im 23. Bezirk gibt es viele ungenutzte Dächer“, erklärt Michaela Turetschek, Projektleiterin der Grätzl Energie. „Als nächstes integrieren wir einen Energiespeicher. Dadurch steigt der Autarkiegrad noch einmal und es kann mehr Strom innerhalb der Gemeinschaft verbraucht werden. 2023 möchten wir dann auch eine Produktion von 1000-1200 Kilowatt-Peak erreichen.“

Es gibt aber auch ein langfristiges Ziel, das Kuras und Turetschek gleichermaßen bewegt: „Es gibt viele Menschen, die gerade seit der Corona Pandemie große Schwierigkeiten haben, die immer höher werdenden Strompreise zu schultern und Rechnungen fristgerecht zu bezahlen. Der Grundgedanke der Grätzl Energie ist ‚miteinander füreinander‘. Wenn die Grätzl Energie einmal eine bestimmte Größe erreicht hat, können auch soziale Projekte verwirklicht und der Energiearmut entgegengesetzt werden.“ 

Aufholbedarf auf technischer, gesellschaftlicher und politischer Ebene

Laut Österreichs Energie sind in hierzulande 14 EEGs in Betrieb, 34 in Umsetzung und 88 in Planung (Stand März 2022). Zu den größten Hürden beim Ausbau von EEGs zählen unter anderem die fehlenden Smart Meter: Die Erhebung und Übermittlung der Verbrauchsdaten der Mitglieder passiert über den Netzbetreiber. Dazu ist ein Smart Meter nötig, den noch nicht alle Konsument/innen haben. Aktuell kommt hinzu, dass Erzeuger/innen mit einer eigenen Anlage überschüssige Energie aufgrund der Engpässe und hohen Preise gewinnbringend ins Netz einspeisen können. Dadurch wird die Akquise von Prosumer/innen (= Mitglieder, die eine eigene Erzeugungsanlage haben) zunehmend schwieriger. Der Lösungsansatz der Grätzl Energie ist, die Investition über eine Genossenschaftsstruktur zu verwirklichen. Diese Art der Finanzierung über 20 Jahre ist im Vergleich zu einer privatwirtschaftlichen Finanzierung von maximal 10 Jahren zielführender.  

Es gibt noch Fragestellungen, die gelöst werden müssen, weiß auch Kuras: „Einerseits fehlt einigen Initiator/innen von EEGs das notwendige Detailwissen, eine Energiegemeinschaft zu planen, umzusetzen und zu betreiben. Es gibt viele bürokratische Hürden und erst wenige Versuche, diese Kenntnisse in die Breite zu bringen. Wir beschäftigen uns bereits seit fünf Jahren mit dem Thema. Ich bin in mehreren Energiegemeinschaften im Vorstand und bringe die Expertise daher mit. Und trotzdem zeigt sich in meinen Gesprächen noch etwas anderes: Ich kenne einige motivierte Gemeinden, die gerne eine EEG gründen möchten. Allerdings zögern die Bürgermeister/innen, weil sie befürchten, dass die Bürger/innen diese noch nicht annehmen würden. In den letzten Wochen und Monaten liest man immer mehr von EEGs in den Medien. Das ist wichtig dafür, dass die Berührungsängste verschwinden.“