(PA_Parlamentsdirektion) Für eine dreistündige Aussprache über die Ziele der Bundesregierung in der Klima- und Energiepolitik nahm der Umweltausschuss in seiner Sitzung Umweltministerin Elisabeth Köstinger in Anspruch. Nachdem dem Ausschuss derzeit keine aktuellen Regierungsvorlagen oder Anträge der Koalition vorliegen, waren die Oppositionsparteien übereingekommen, auch keinen ihrer eigenen Anträge auf die Tagesordnung zu setzen. Diese würden ohnehin nur vertagt, lautete die Argumentation von SPÖ, NEOS und Parlamentsfraktion JETZT. Man wolle die Zeit daher für detaillierte Fragen an die Umweltministerin nützen, um zu erfahren, wie sie die Klimaziele erreichen wolle und welche Maßnahmen sie im Umweltschutz konkret plane. Man wäre bereit, Maßnahmen der Bundesregierung für die Umwelt zu unterstützen, betonten die Abgeordneten der Opposition. Diese würden aber noch immer nicht vorliegen.
Die Koalitionsparteien und die Umweltministerin verwiesen auf bereits gesetzte und in Umsetzung befindliche Maßnahmen. So bringe die geplante Steuerreform einen Mix aus Maßnahmen, um Lenkungseffekte zu erzielen. Die Oppositionsparteien bezweifelten, dass diese Maßnahmen ausreichen, um den Umfang der CO2-Reduktion, zu dem Österreich sich verpflichtet hat, zu erzielen. Einig zeigten sich die Fraktionen allerdings in der Ablehnung der Atomenergie.
Köstinger: Österreich gegen „Greenwashing“ von Atomenergie
In ihrem Einleitungsstatement betonte Bundesministerin Elisabeth Köstinger, die Bundesregierung arbeite intensiv an der Umsetzung der Mission 2030, deren Ziel es sei, das österreichische Energiesystem zu dekarbonisieren. Ein zentrales Vorhaben dabei sei es, Strom zu hundert Prozent aus nachhaltigen Energieträgern zu gewinnen. Derzeit liege man bei 74% Strom aus erneuerbaren Quellen. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang, das aktuell auf EU-Ebene debattiert wird, ist laut Köstinger die Zukunft der Atomenergie und die Frage, ob sie als klimafreundlicher Energieträger einzustufen sei, wie eine Reihe von EU-Ländern das fordere. Österreich bleibe bei seiner grundlegenden Ablehnung der Atomkraft, sagte die Bundesministerin und machte deutlich, dass Österreich keinerlei „Greenwashing“ der Atomenergie akzeptieren werde. Kernenergie sei aufgrund der Risiken und der Atommüllproblematik aus ihrer Sicht keine Form der nachhaltigen Energiegewinnung und damit keine Option für die Erreichung der Klimaziele. Leider sei unter den Szenarien der EU-Kommission für die Energiezukunft Europas derzeit keines, das ohne Atomstrom auskommt. Österreich dränge hier auf eine Änderung.
Die Bundesregierung trete auch im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten gegen grenznahe Atomkraftwerke auf. Die Verschiebung der Inbetriebnahme der Reaktorblöcke 3 und 4 in Mochovce ist aus Köstingers Sicht ein Etappensieg der Bundesregierung, die in vielfältiger Weise aktiv geworden sei. Leider finde Österreich jedoch wenig Unterstützung anderer EU-Länder bei seinem Vorgehen gegen Atomkraftwerke.
Die Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung stelle die Weichen für die Dekarbonisierung des Energiesystems und nachhaltige Energieproduktion, betonte Köstinger. Dieses Ziel komme auch in der Gestaltung der Steuerreform, mit der ökologische Lenkungseffekte erzielt werden sollen, zum Ausdruck. So werde bei der Besteuerung von Kraftfahrzeugen der CO2-Ausstoß berücksichtigt, während es Vergünstigungen für E-Mobilität gebe. Weitere steuerliche Maßnahme werden die Abschaffung der Eigenstromabgabe für Photovoltaikanlagen sowie die Steuerbefreiung von Biogas sein. Erdgas sei eine wichtige Übergangsenergie mit niedrigeren CO2-Werten als Rohöl, daher sei es sinnvoll, das bestehende Gasnetz für eine allmähliche Umstellung auf erneuerbares Gas zu verwenden. Neben Strom werden auch Wasserstoff und Biogas eine Rolle spielen müssen, ist Köstinger überzeugt.
Grenznahe Atommülllager: Österreich besteht auf UVP
Josef Riemer (FPÖ) würdigte den Einsatz der Ministerin gegen Atomkraft und wollte wissen, welche Notfallpläne für den Fall eines Unfalls in einem grenznahen Reaktor vorliegen. Martina Diesner-Wais (ÖVP) griff ebenfalls das Thema Atomkraft auf und erkundigte sich nach dem Stand der Suche nach Endlagerstätten für Atommüll in Tschechien und den geplanten Schritte Österreichs gegen grenznahen Anlagen.
Bundesministerin Köstinger betonte, Österreich verfüge selbstverständlich über umfangreiche Notfallpläne, die auch ständig aktualisiert und geprobt würden. In diese seien auch Innen- und Außenministerium eingebunden. Die Frage der Endlagerstätten werde erst in einigen Jahren schlagend, wenn eine konkrete Standortfestlegung erfolge. Österreich stehe auf dem Standpunkt, dass die Anlagen auf jeden Fall einem UVP-Verfahren zu unterziehen sein werden und fordere auch einen Sicherheitskorridor in Grenznähe ein.
Klaus Lindinger (ÖVP) meinte, der Entfall der Eigenstromabgabe wäre, neben Photovoltaikanlagen, auch für Kleinwasserkraftwerke sinnvoll. Er wollte auch wissen, wie weit die Überlegungen zum Verbot von Plastiktragetaschen gediehen sind. Auch Andreas Kollross (SPÖ) sprach die Frage der Reduktion von Plastikabfällen an und forderte konkrete Zahlen, welche Ziele man hier anstrebe. Bundesministerin Köstinger stellte dazu fest, die Frage von Plastikverpackungen betreffe nicht nur Tragetaschen, sondern Verpackungen insgesamt. 2016 seien 300.000 Tonnen Plastik angefallen, ausgehend von diesem Wert wolle man eine Reduktion von 20 bis 25 Prozent erreichen. Hier sei sie in intensiven Gesprächen mit den betroffenen Unternehmen darüber, in welchen Fällen eine Reduktion von Verpackungen sinnvoll ist. Man wolle dabei jedoch eine Zunahme von Lebensmittelabfällen vermeiden.
Doris Margreiter (SPÖ) drängte auf die baldige Vorlage des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes. Die Abgeordnete übte, wie auch ihr Fraktionskollege Klaus Uwe Feichtinger, heftige Kritik an der Regelung, wonach die Wirtschaftskammer in UVP-Verfahren die Rolle eines Standortanwalts einnehmen soll. Das würde bedeuten, dass die Ministerin für Wirtschaftsstandort per Weisung auf UVP-Verfahren Einfluss nehmen könne, argumentierten sie und wollten die Haltung der Ministerin dazu erfahren. Elisabeth Feichtinger (SPÖ) sprach die Frage der Notfallzulassungen von Pestiziden an und forderte Schutzprogramme für Insekten, insbesondere die stark gefährdeten Wildbienen. Dieser Forderung schloss sich auch SPÖ-Abgeordneter Erwin Preiner an.
Zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz teilte Umweltministerin Köstinger mit, dass dieses bereits vor dem Sommer in Begutachtung gehen solle. Es werde auf einen Mix aus Förderungen und Marktinstrumenten bestehen, erklärte die Ministerin. Die Rolle des Standortanwalts sah sie nicht als problematisch, dieser könne, müsse aber nicht beigezogen werden. Die Zulassung von Pestiziden liege, wie auch viele andere umweltrelevante Maßnahmen, im Zuständigkeitsbereich der Länder, hielt Köstinger fest. Der Bund könne aber viele Maßnahmen unterstützen. Zum Einsatz von Pestiziden stelle man Erhebungen an. Ihr Ressort unterstütze die Länder auch beim Wildbienen-Monitoring, für aussagekräftige Ergebnisse müsse man dieses jedoch über mehrere Jahre fortführen.
Oppositionsparteien: Regierung säumig bei CO2-Reduktion und CO2-Besteuerung
Aus Sicht der ÖVP-Abgeordneten Ernst Gödl und Friedrich Ofenauer sind die Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität ein wesentlicher Faktor zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und zeigen, dass die Politik der Regierung in die richtige Richtung weist.
Aus Sicht von Michael Bernhard, Umweltsprecher der NEOS, enthält die geplante Steuerreform keine effektiven Schritte zu einer Ökologisierung des Steuersystems. Die Ministerin bleibe die Antwort schuldig, welche CO2-Ersparnis durch die geplanten Maßnahmen erreichbar ist. Die Koalition setze auch keinerlei Schritte in Richtung einer CO2-Steuer, obwohl diese nach Meinung international anerkannter ExpertInnen und Institutionen unumgänglich ist, um die Dekarbonisierung voranzutreiben. Genauso säumig sei die Bundesregierung in Bezug auf das Luftreinhalteprogramm, kritisierte der NEOS-Abgeordnete.
Auch Bruno Rossmann von der Fraktion JETZT übte heftige Kritik an der Bundesregierung. Er forderte von der Umweltministerin ein klares Bekenntnis zu einer CO2-Steuer. Jüngste Aussagen von Bundeskanzler Kurz würden jedoch eher in die Richtung deuten, dass die Bundesregierung von den Plänen dazu trotz anderslautender Beteuerungen wieder Abstand nehme, befürchtete Rossmann. Dabei gebe es durchaus Spielraum Österreichs, hier erste Schritte zu setzen, da die Umweltsteuern insgesamt niedrig seien. Aus Sicht von Rossmann drohen Österreich nach 2020 aufgrund der Nichterreichung der Ziele der CO2-Reduktion hohe Strafzahlungen in mehrfacher Höhe dessen, die die Ministerin selbst bereits als Möglichkeit in den Raum gestellt habe.
Diese Ansicht vertraten auch die SPÖ-Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger, Andreas Kollross und Robert Laimer in mehreren Wortmeldungen. Auch sie kritisierten, die Bundesregierung sei säumig in der Erreichung der Klimaziele. Feichtinger wies darauf hin, dass der CO2-Ausstoß in den letzten Jahren wieder gestiegen sei. Die notwendige Trendumkehr sei nicht in Sicht, kritisierte er. Zudem wolle die Bundesregierung die Frage der CO2-Steuer offenbar auf die EU-Ebene abschieben, um selbst keine Maßnahmen setzen zu müssen.
Bundesministerin Köstinger hielt der Kritik der Oppositionsparteien entgegen, beim CO2-Ausstoß zeichne sich aus ihrer Sicht bereits eine Trendumkehr ab. Die Bundesregierung habe bereits eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die Wirkung zeigen, auch wenn die Opposition das offenbar nicht zur Kenntnis nehmen wolle. So schreite etwa der Ausstieg aus Ölheizungen weitaus rascher voran, als ursprünglich vorhergesehen war. Österreich liege auch im Spitzenfeld bei den Neuzulassungen von E-Fahrzeugen und investiere so viel wie nie zuvor in den öffentlichen Verkehr. Alle Ministerien würden intensiv zusammenarbeiten, damit den ersten Maßnahmen zur Ökologisierung des Steuersystems noch weitere folgen können, sagte die Umweltministerin.
Die Bundesregierung habe sich nicht von der CO2-Steuer distanziert, sie halte weiterhin an diesem Vorhaben fest, das im Regierungsprogramm festgeschrieben sei, betonte Köstinger. Man schiebe das Thema auch nicht auf die EU-Ebene ab. Der Bundeskanzler habe jedoch gegenüber der Kommission klargemacht, dass nationale Alleingänge ineffektiv und nur eine EU-weite CO2-Besteuerung nach einheitlichen Vorgaben sinnvoll sei. Vor allem dürfe es dadurch zu keinen Wettbewerbsverzerrungen kommen. Eine Abwanderung von Industrien würde nämlich bedeuten, dass man letztlich das Problem des CO2-Ausstoßes nur verlagert, aber nicht gelöst habe, gab Köstinger zu bedenken. Der Bundesregierung sei auch wichtig, dass die Besteuerung von Energie sozial verträglich gestaltet wird und Energiearmut nicht verstärkt. Köstinger erneuerte abschließend ihr Angebot, jederzeit für eine parlamentarische Enquete zur Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung zur Verfügung zu stehen. Die Strategie sollte intensiv diskutiert werden und werde hoffentlich breite Unterstützung finden.