Interview mit Leonore Gewessler

04.06.2020

(Aus: Printausgabe ökoenergie 115)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, können Sie trotz der Krisensituation den Klimaschutz vorantreiben und Ihre angekündigten Ziele wie geplant verfolgen?

Wir spüren gerade, wie sich eine Krise anfühlt. Wir sehen aber auch, dass wir diese mit Konsequenz, Disziplin und der Wissenschaft in den Griff bekommen können. Bei der Klimakrise ist das anders: Wenn sie einmal da ist, dann bleibt sie, da gibt es keine Impfung. Der Weg aus der Corona-Krise muss einer sein, der uns nicht in eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise führt, und da kommt der Klimaschutz ins Spiel. Der ist nämlich das beste Konjunkturpaket. Diese Maßnahmen braucht es angesichts der fast 600.000 Arbeitslosen. So können wir sogar gestärkt aus der Krise herausgehen. Dazu müssen wir Maßnahmen im Klimaschutz wohl auch vorziehen, weil sie Investitionen auslösen. So schaffen etwa der Ausbau der erneuerbaren Energie oder der Bahninfrastruktur sichere Arbeitsplätze und gleichzeitig eine lebenswerte Zukunft. Wir investieren damit in lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe, geben Konjunkturimpulse und schaffen Arbeitsplätze vor Ort.

Wie wollen Sie kontraproduktive Auswirkungen/Förderungen verhindern, wie beispielsweise bei der AUA?

Wenn es um mehrere hundert Millionen Euro Steuergeld geht, dann muss es auch klare Bedingungen geben. Und: Wenn es Unternehmen wieder besser geht, muss auch der Steuerzahler etwas von den Hilfen haben. Wir haben Verantwortung im Umgang mit Steuergeld. Bei der AUA gilt es auch zu schauen, wie man Arbeitsplätze sichern kann. Die Luftfahrtindustrie ist beim Klimaschutz besonders gefordert, mit einem Klimaschutzvertrag können wir erste Weichen stellen. Viele Ökonomen haben dazu Vorschläge gemacht, von einer starken Einschränkung von Kurzstreckenflügen bis hin zur Flugticketabgabe. Und Frankreich hat solche Bedingungen bereits umgesetzt.

Was kann man sich unter verpflichtenden und unabhängigen „Klimachecks“ vorstellen?

Als Bundesregierung sind wir verantwortlich dafür, dass wir die Folgen der Gesetze, Verordnungen oder Förderungen, die wir auf den Weg bringen, schon vor Beschlussfassung abschätzen können. Bisher werden die Klimafolgen dieser Handlungen nicht betrachtet. Daher haben wir uns darauf geeinigt, Klimachecks zu machen. Das heißt, wir werden standardmäßig bei allen Vorgängen die Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen oder für den Bodenverbrauch prüfen, genauso wie wir heute zum Beispiel die budgetären Folgen prüfen. Das Ziel ist klar: Wir haushalten nachhaltig im Sinne des Klimaschutzes.

Welche Klimaschutzmaßnahmen werden Sie demnächst umsetzen?

Viele Projekte, die im Klimaschutzministerium zuhause sind, schaffen Arbeitsplätze in großem Stil. Wir haben aktuell den „Raus aus Öl“-Bonus mit deutlich erhöhten Mitteln fortgesetzt: Insgesamt stehen mit der Sanierungsförderung 142,7 Mio. Euro zur Verfügung, davon 100 Mio. für „Raus aus Öl“. Pro Haushalt beträgt die Förderung bis zu 5.000 Euro. Wir sichern und schaffen dadurch 11.000 Arbeitsplätze. Wenn man einen alten Ölkessel durch eine klimafreundliche Heizung ersetzt, macht das der oder die Installateur/-in aus der Gegend – und es ist gleichzeitig gut fürs Klima. Auch der Ausbau der Photovoltaik, Windenergie, Biomasse schafft wesentlich mehr Arbeitsplätze in Österreich als der Import von Erdöl und Erdgas. In wenigen Wochen werden wir mit der Photovoltaik-Förderung starten.

Welche Lehren sollten wir aus der Corona-Krise ziehen?

Wir sehen in der Corona-Krise, dass wir mutig, konsequent und vorausschauend auf Basis von wissenschaftlichen Empfehlungen handeln können. Diese Energie, diesen Mut, diesen politischen Weitblick müssen wir mitnehmen für die Bekämpfung der Klimakrise. Wir müssen aber dafür sorgen, dass der Weg aus der Corona-Krise ein Weg ist, der uns als Gesellschaft stärkt und der verhindert, dass wir in eine ausgewachsene Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise schlittern. Der Ausweg heißt Klimaschutz, weil Klimaschutz das beste Konjunkturpaket sein wird und wir dadurch Arbeitsplätze schaffen.